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"Klimakiller" Netflix: So kann Streaming nachhaltiger werden

Statt Satelliten- oder Kabelfernsehen zu schauen, streamen wir immer häufiger über das Internet. Rund 3 Viertel des weltweiten Datenverkehrs entfällt auf Videostreaming. Das frisst Strom. Rechenzentren müssen betrieben, Server gekühlt werden.

„Klimakiller“, wie in Schlagzeilen oft behauptet wird, sind Netflix und Co deswegen aber nicht. Global betrachtet wird der digitale Anteil an den Treibhausgasemissionen auf etwa 2 bis 4 Prozent geschätzt. Zum Vergleich: Der Anteil des Straßenverkehrs liegt bei rund 18 Prozent. Die Emissionskurve des IT-Sektors weist allerdings steil nach oben. Im Jahr 2025 könnte der Datenverkehr Prognosen zufolge bereits für 8 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sein.

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Verbrauch dingfest machen

Das geht auch nachhaltiger, meint Bitmovin. Die Kärntner IT-Firma stellt die Technologie für zahlreiche große Streaming-Plattformen bereit, darunter etwa die der BBC. Gemeinsam mit der Alpen-Adria Universität Klagenfurt will sie den CO2-Fußabdruck von Streaming mit dem Forschungsprojekt „GAIA“ reduzieren.

„In erster Linie geht es darum, die Dinge berechenbar zu machen“, erklärt Christian Timmerer, Professor für Informationstechnik an der Universität Klagenfurt. Denn der Energieverbrauch von der Videoproduktion bis hin zu den Endkund*innen könne in der Regel nur schwer in exakte Zahlen gegossen werden. Künftig wäre es etwa wünschenswert, Cloudprovidern den Stromverbrauch in Echtzeit anzeigen zu können.

Komplizierte Berechnung

Der CO2-Fußabdruck von Videostreaming lässt sich nur schwer messen. Denn dabei spielen viele Faktoren eine Rolle - das Endgerät, die Auflösung, uvm. Anhand von Beispielszenarien lassen sich allerdings grobe Berechnungen anstellen, die aber wiederum stark voneinander abweichen können.

Wer eine Stunde Netflix schaut, verbraucht laut der internationalen Energie-Agentur im Schnitt so viel CO2 wie ein Auto auf 200 Meter. Laut dem deutschen Borderstep Institut verursacht eine Stunde Videostreaming in Full-HD-Auflösung so viel CO2 wie ein Kleinwagen bei einem Kilometer Autofahrt.

50 Prozent Sparpotenzial

Verbesserungspotenzial gibt es vor allem bei der Verarbeitung von Videos. „Es geht darum, optimal zu kodieren, die Videos noch kleiner zu machen“, sagt Timmerer. Laut Bitmovin-CEO Stefan Lederer komme es hier vor allem darauf an, „bessere Kodierverfahren zu entwickeln, die auf Inhalte zugeschnitten sind“. Ein Zeichentrickfilm sei in Sachen Datenmengen nicht gleich Actionfilm. Hier könne man ansetzen, um die zu transportierenden Datenmengen geringer zu machen. Denn „[j]e weniger Daten ich habe, desto weniger transportiere ich über das Netzwerk“, so Timmerer. 

Und je weniger über das Netzwerk transportiert wird, desto geringer ist auch der Stromverbrauch. Bei der Übertragung ließen sich laut Lederer bis zu 50 Prozent einsparen. “Wenn wir diesen Teil des Internetverkehrs optimieren können, dann brauche ich weniger Infrastruktur in Zukunft. Video wird weiterwachsen, ich kann nicht unendlich Infrastruktur bauen“, so Lederer.

Wichtig sei es auch, künftig „in Datenzentren zu kodieren, in denen die Energie grün ist und wo ich einen geringeren CO2-Fußabdruck habe“. Vor allem Nordeuropa sei hier laut dem CEO als Standort attraktiv, da hier mehr erneuerbare Energien zum Einsatz kämen.

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„Es ist wichtig, die Nutzer in die Pflicht zu nehmen und sie über den Energieverbrauch zu informieren“

Christian Timmerer | Über nachhaltiges Streaming

Konsumenten in die Pflicht nehmen

Sparpotenzial gibt es aber nicht nur bei der Bereitstellung und Übertragung, sondern auch bei den Endkund*innen. Genauer gesagt bei der Auflösung der Videos. Denn je höher die Qualität, desto höher ist in der Regel auch der Stromverbrauch des Streamings. „Es ist wichtig, die Nutzer in die Pflicht zu nehmen und sie über den Energieverbrauch zu informieren“, so Timmerer. Dies könne etwa mit einer Art „Green Button“ gelingen, mit dem beim Streamen bewusst die Auflösung heruntergedreht werden kann.

Dass ein solcher Green Button tatsächlich auch von den Nutzer*innen angenommen wird, legt eine Studie der Universität Würzburg nahe. Ein Forschungsteam hat untersucht, welche Faktoren Menschen zu klimafreundlicherem Konsum von Internetvideos animieren könnten. Das Ergebnis: Werden Nutzer*innen im Vorhinein über nachhaltiges Streaming informiert – etwa wie die Videoauflösung reduziert werden oder die Autoplay-Funktion ausgeschalten werden kann – kommt es zu einer energieeffizienteren Nutzung. Eine CO2-Reduktion von 30 Prozent konnte erzielt werden.

Laut Bitmovin-CEO Lederer bestehe an grünem Streaming vor allem bei Kunden in Europa Interesse. In den USA herrsche nach derartigen Lösungen derzeit weniger Nachfrage. 

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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