Wie in "2001: A Space Odyssey": Wir könnten bald eingefroren zum Mars fliegen. 

Wie in "2001: A Space Odyssey": Wir könnten bald eingefroren zum Mars fliegen. 

© 20th Century Fox

Science

ESA will Astronauten während Flug in "Winterschlaf" versetzen

In Science-Fiction-Filmen ist er so selbstverständlich wie Weltraumparasiten oder Angriffe von Marsmenschen: der künstliche Winterschlaf. Menschen werden dabei auf ihrer langen Reise durchs All - meist in einer Art Kapsel - eingefroren, um dann vor ihrer Ankunft in einer weitentfernten Galaxie wieder unversehrt aufzuwachen.

Aber nicht nur in "2001: A Space Odyssey", "Alien" oder "Passengers" gibt es den künstlichen Winterschlaf. Auch Weltraumorganisationen setzen mittlerweile auf den Zustand. Erste Testläufe mit menschlichen Proband*innen könnten bereits in den nächsten 10 Jahren über die Bühne gehen, wie eine Forscherin der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) gegenüber Space.com festhält.

10 Jahre "realistischer Zeitraum"

Die ESA werde bereits Mitte der 2030er Jahre versuchen, Menschen in einen künstlichen Winterschlaf zu versetzen, erklärt Jennifer Ngo-Anh, Forscherin in der Abteilung "Human and Robotic Exploration" bei der ESA. Kürzlich verfasste sie eine neue Studie, die den Ansatz der Raumfahrtbehörde zur Erforschung des Winterschlafs darlegt. "Natürlich müssen wir an allem noch feilen, bevor wir es auf Menschen anwenden können. Aber ich würde sagen, dass 10 Jahre ein realistischer Zeitrahmen sind", so Ngo-Anh. 

Erste Studien mit Ratten hätten bereits gezeigt: Die Tiere können für mehrere Tage in einen Winterschlaf versetzt werden, obwohl sie in freier Wildbahn gar keinen halten. Der Prozess ist allerdings alles andere als einfach. "Die Ratten erhalten ein Medikament, einen Neurotransmitter, und werden in einen dunklen Raum mit reduzierter Temperatur gebracht", erklärt Jürgen Bereiter-Hahn Neurowissenschaftler an der Goethe-Universität und Mitglied der ESA-Forschungsgruppe. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die Erregungen im Nervensystem weiterleiten. "Es funktioniert sehr gut, aber das Problem ist, dass […] man sehr hohe Konzentrationen des Neurotransmitters aufrechterhalten muss, und das könnte längerfristig schädliche Auswirkungen haben“, so Bereiter-Hahn.

Weniger Ressourcen, kein Muskelschwund

Wenn ein medizinisches Risiko besteht, wieso setzt die ESA dennoch auf einen künstlich induzierten Winterschlaf? Der Zustand biete laut Ngo-Anh mehrere Vorteile, - etwa dass währenddessen weder Muskel- noch Knochenschwund auftreten. Anders als ein Patient, der sich von einer langen Krankheit oder einem Koma erholt, weise ein aus dem Winterschlaf erwachendes Tier eine überraschend hohe Fitness auf, so Ngo-Anh.

Hinzu kommt, dass Menschen in ihrem Winterschlaf kaum Ressourcen wie etwa Nahrung oder Wasser benötigen würden. Das spart natürlich Platz, der auf einem Raumschiff anderweitig genützt werden könnte, zum Beispiel um weitere Menschen oder Nutzlasten durch das All zu befördern.

Winterschlaf wie "Drücken auf Pausetaste"

Der künstliche Winterschlaf ist aber nicht nur für die Raumfahrt, sondern auch für die Medizin von Nutzen. "Wir setzen Menschen ständig unter Narkose, aber sie bauen trotzdem ab", sagt der beteiligte Arzt Alexander Choukèr von der LMU München. "Wenn man eine Intensivstation verlässt, ist man nach einer langen Zeit dort wie ein Skelett, weil der Stoffwechsel abbaut. Die Möglichkeit, die Pausetaste zu drücken, wäre ein entscheidender Fortschritt", so Choukèr.

Die verringerte Zellaktivität, die sich durch den Winterschlaf ergibt, könnte zudem neue Heilmethoden wie etwa für Krebs zulassen. "Man kann diese Zeit nutzen, um zum Beispiel spezielle Antikörper für einen Tumor zu entwickeln und diesen sehr erfolgreich zu behandeln", so Bereiter-Hahn.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare