© NASA/JPL-Caltech/MSSS

Science

Der Mann, der dem Mars-Rover das Fotografieren beibrachte

Perseverance beim Selfie. Die Mastcam-Z ist unten am "Kopf" angebracht.

Der US-Amerikaner Jim Bell ist ein begeisterter Astronom und Geologe, für den Fotos vom Roten Planeten nicht nur Forschungsmaterial sind. In Bildbänden wie "Postcards from Mars" (hier bei Amazon) zeigt er her, wie schön dessen felsige Landschaft sein kann.

Damit die Bilder so perfekt sind, wie sich Wissenschaftler*innen das wünschen, entwickelte Bell für die NASA als Projektleiter die Mastcam-Z von Perseverance. Zuvor war er an der Entwicklung der Kameras für die Rover Spirit, Opportunity und Curiosity beteiligt. Ich habe ihn zum Gespräch getroffen.

futurezone: Das öffentliche Interesse an Bildern aus dem Weltraum und von anderen Planeten ist immens gestiegen. Ist es zunehmend wichtig, dass Bilder beeindruckend aussehen, um die Menschen zu begeistern? 
Jim Bell: Nicht wirklich. Es ist sehr schwierig, überhaupt erfolgreich am Mars zu landen. Da zählt jedes Bild, denn das heißt, die Landung wurde überstanden und alles funktioniert. Für das erste Bild ist also egal, was drauf ist – Hauptsache es gibt eines. Danach beginnt die Routine, um so viele Bilder wie möglich zur Erde zu schicken. Und da sind eben manchmal spektakuläre Aufnahmen dabei.

Du hast mehrere Bildbände herausgebracht, die Bilder vom Mars zeigen. Warum sollte man sich Fotos von Staub und Steine ansehen wollen?
Es ist ein anderer Planet, ein komplexer Ort mit spannender Geologie. Dort waren früher Flüsse und Seen, vielleicht Ozeane. Es war dort vor langer Zeit sehr dynamisch und erdähnlich. Heute ist es ziemlich ruhig. Was wir sehen sind Hinweise auf diese frühe, bewegte Geschichte. Für Geologen ist das ein forensisches Puzzle, ein Tatort, wie "CSI Mars". Geologen schauen auf Felsen und versuchen herauszufinden, was sie ihnen sagen. Und wirklich gute Geologen können die Felsen lesen wie ein Buch. 

Deine Bildbände richten sich aber vor allem an die Öffentlichkeit. Wie entsteht das perfekte Bild dafür?
Normalerweise können wir nicht als Fotografen agieren, die Bilder sind sehr dokumentarisch. Wir nehmen viele Einzelbilder auf, senden sie zur Erde und setzen sie zusammen wie ein Mosaik. Und gelegentlich, ganz aus Versehen, sind sie spektakulär. Vielleicht, weil die Sonne tief stand. Oder wir sehen unerwartet einen Steinhaufen mit schönen Texturen. Diese Bilder haben nichts mit Fotografie zu tun, das ist einfach nur der Mars, der angibt.

Sehr selten können wir uns aber doch wie Fotografen verhalten. Dann überlegen wir uns, welche Schärfentiefe wir verwenden, zu welcher Tageszeit und an welchem Ort wir fotografieren, welchen Farbfilter wir verwenden. Manchmal sind die Bilder dann spektakulär und manchmal steht der Mars im Weg, weil es einen Staubsturm gibt und alles verschwommen ist.

Was für ein Bild willst du machen, das es noch nicht gibt? 
Wenn wir in einigen Jahren die Gesteinsproben vom Roten Planeten abholen, wird eine Rakete vom Marsboden abheben. Das gibt es jetzt als Animation, aber wir wollen das wirklich festhalten. Das verlangt eine Menge Koordination und Logistik. Aber das wird ein Kick-Ass-Film und ich freue mich drauf, den zu sehen. 

Vor der Entwicklung der Mastcam-Z für Perseverance, hast du auch bei Spirit, Opportunity und Curiosity mitgearbeitet. Wie hat sich die Technik entwickelt? 
Auf der technischen Seite folgen die Fortschritte den gleichen Fortschritten wie bei Handykameras – von den frühen Klapphandys zu immer mehr integrierten Kameras mit mehr und mehr Pixeln. Ein ähnlicher Fortschritt hat auch auf dem Mars und im Weltraum stattgefunden. 

Warum dann die aufwändige Entwicklung? Könnte man nicht einfach eine GoPro oder eine Handykamera auf den Rover kleben? 
Es ist schwierig, die Technologie robust zu machen. Sie muss sicher mit einer Rakete hochgebracht werden, und Vibrationen und Erschütterungen überstehen. Das Handy würde auseinanderfliegen. Im Weltraum haben wir dann extreme Temperaturschwankungen, mit großer Hitze auf der Sonnenseite und eisiger Kälte auf der anderen Seite. Auf dem Mars gibt es außerdem Strahlung, da er kein Magnetfeld hat, wie die Erde, das die Oberfläche schützt. Es gibt Staub, der Kameralinsen verschmutzt und Mechanismen blockiert. Das testen wir alles im Labor, wo wir diese Bedingungen imitieren. 

Perseverance bei einer Testfahrt im Labor

Die Mastcam-Z auf dem Mars-Rover Perseverance hat nur eine Auflösung von 2 Megapixel. Warum geht nicht mehr? 
Ein wichtiger Punkt ist die Infrastruktur auf dem Mars. Wir könnten natürlich eine 10- oder 20-Megapixel-Kamera hochschicken, aber wir haben nicht genug Bandbreite, um die Daten zurück zur Erde zu senden. Je mehr Orbiter es in der Marsumlaufbahn gibt, die diese Bandbreite verstärken, desto größer wird die Kommunikationsinfrastruktur. Es wird auch spezielle Hochleistungs-Kommunikationssatelliten geben müssen, wie auf der Erde, um irgendwann hochauflösende, flüssige Videos senden zu können. 

Wie können wir auf der Erde mehr aus den 2-Megapixel-Bildern herausholen? 
Es gab in den vergangenen Jahren so viele Fortschritte bei Bildbearbeitung, Rechengeschwindigkeit und Datenverarbeitung. Diese riesige Revolution haben wir zum Teil auch Smartphones zu verdanken. Wir können 3D-Modelle der Landschaft erstellen. Geologen können mit einer VR-Brille in der Landschaft stehen. Für sie ist es von entscheidender Bedeutung, das Gelände visualisieren zu können. So haben sie die beste Chance, die Hinweise zu deuten, die das Rätsel um die Vergangenheit des Mars lüften. Manchmal sieht man sich das 3D-Gelände an und hat das Gefühl, tatsächlich dort zu sein. 

Was bringt Geologen so ein 3D-Modell? 
Es ist wichtig für sie, raus ins Gelände zu gehen und eine Verbindung zur Landschaft aufzubauen. Wenn wir nur ein Bild haben, ist es, als würde man mit Scheuklappen arbeiten. Wir wissen nicht, wie die Umgebung aussieht. Mit 3D-Modellen ist es fast, als wäre man auf einem geologischen Feld. Wir suchen immer nach dem Kontext: Wo ist etwas in der Landschaft, wie sieht es dort aus, ist es hoch oder niedrig gelegen? Das können wir nicht allein aus Einzelfotos und Daten lesen.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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