Radfahrer knapp neben Auto auf der Straße

Vielerorts die Ist-Situation: Autos fahren knapp neben Radfahrern, was für viele eine unangenehme und riskante Situation darstellt

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Wie man mehr Menschen zum Umstieg auf das Fahrrad bewegt

Der motorisierte Straßenverkehr ist der größte Problembereich, wenn es um die Reduktion von Treibhausgasemissionen geht. Vielerorts wird deshalb versucht, Menschen das Fahrrad als alternatives individuelles Transportmittel schmackhaft zu machen. Das klappt manchmal besser, manchmal eher schleppend. In Landeshauptstädten wie Salzburg, Graz, Bregenz und Innsbruck liegt der Fahrradanteil im Mix der Verkehrsmittel bei deutlich über 10 Prozent. In Wien dümpelte der Anteil jahrelang bei 7 Prozent dahin, obwohl viel Geld in den Ausbau der Infrastruktur investiert wurde. In den vergangenen zwei Jahren zog der Wert auf 9 Prozent an.

Schneller Netzaufbau besser

Das Radwegenetz ist in der Stadt in der Vergangenheit punktuell und stückchenweise gewachsen. Laut einer neuen Studie sei dies der schlechteste Ansatz, um Radnetzwerke aufzubauen. "Besser ist es, wenn man am Anfang viel investiert und so schnell wie möglich ein funktionales Netz errichtet, in dem es wenig Lücken gibt und wo es wenig Vermischung mit dem Autoverkehr gibt", erklärt Michael Szell, der an der IT-Universität Kopenhagen und am Complexity Science Hub Vienna forscht. Der Österreicher hat mit einem Team Radnetze in 62 Städten weltweit untersucht und verschiedene Wachstumsstrategien verglichen.

Wie sich dabei zeigte, gibt es beim Aufbau von Radnetzen eine Schwelle, ab der Benutzer*innen ziemlich direkt auf sicherem Weg von einem beliebigen Punkt in der Stadt zu einem kommen. In den meisten Städten, auch in Wien, ist diese Schwelle noch nicht überschritten. Was als sicher gilt, dafür gibt es viele Kriterien. Vereinfacht gesagt könne man es laut Szell auf folgende Frage komprimieren: "Würde ich hier mein fünfjähriges Kind alleine fahren lassen? Man muss immer an die verletzbarsten Verkehrsteilnehmer*innen denken. Wenn man ein Radnetz für Kinder plant, ist es auch für alle anderen gut."

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Die Zukunft: Breite Radspuren mit baulicher Trennung zur Straße. So sieht es künftig in der Praterstraße  aus

Mehr Sicherheitsgefühl

Was Radfahrer*innen subjektiv als sicher empfinden, hängt sehr stark vom sonstigen Straßenverkehr ab. Laut der Radfahrerumfrage 2021 des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) ist der Hauptgrund, um nicht Rad zu fahren, die Nähe zu Kraftfahrzeugen. Bei der Gestaltung von Radwegen müsse dies berücksichtigt werden, sagt Christian Gratzer vom VCÖ: "Wo Tempo 30 gilt, kann der Radverkehr auch auf der normalen Fahrbahn stattfinden, aber bei uns stehen oft links und rechts geparkte Autos. Dadurch kommt es zu unangenehmen Situationen, die Menschen vom Radfahren abhalten."

Grundsätzlich sei die Bereitschaft zum Radfahren in Österreich groß. 2,3 Millionen Menschen fahren mehrmals pro Woche mit dem Rad. 50 Prozent aller Autofahrer*innen behaupten, sie würden auf das Rad umsteigen, wenn es gute Infrastruktur dafür gebe. Städte seien dabei eine Baustelle, genauso aber das Land. "Österreich ist zersiedelt. Der nächste Ort ist manchmal nur einen oder zwei Kilometer entfernt, aber es gibt keine sichere Radverbindung. Das führt zu einer massiven Abhängigkeit vom Auto", sagt Gratzer. Eine Lösung für das Problem könnte die Verschmälerung überbreiter Straßen und das Hinzufügen eines Radstreifens sein. "So kann man einerseits kostengünstig Radinfrastruktur schaffen und muss andererseits nicht zusätzlich Boden versiegeln."

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Auch so soll es sein: Glückliche Radfahrer*innen auf der Wagramer Straße

Lücken werden geschlossen

In Wien werde heuer eine "Radwegoffensive" stattfinden, meint Martin Blum, der Radverkehrsbeauftragte der Stadt: "Wir bemühen uns, Lücken im Radnetz zu schließen und durchgängige Routen zu schaffen." Beim Ausbau des Radnetzes habe man sich stets daran orientiert, was örtlich möglich ist. Teilweise gebe es noch Lücken, aber "in den nächsten Jahren werden wir einige Projekte umsetzen", gibt sich Blum zuversichtlich.

Die Anzahl der Radfahrer*innen in der Stadt sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Auch Unternehmen würden zunehmend forcieren, dass ihre Mitarbeiter*innen statt Dienstwagen mit dem Fahrrad unterwegs sind, was dem Klima und der Gesundheit nutze und Krankenstandstage reduziere. Die zunehmende Verbreitung von E-Bikes würde außerdem seinen Teil dazu beitragen, Geländeanstiege weniger als Hindernis zu betrachten. Radfahren werde aber generell beliebter: "In den 80ern wurde das Fahrrad als ein Verkehrsmittel für Leute, die sich kein Auto leisten können, betrachtet. Heute möchten die Leute radfahren."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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