Eine elektronenmikroskopische Aufnahme eines der Mikroroboter, die dünner als ein menschliches Haar sind.

Eine elektronenmikroskopische Aufnahme eines der Mikroroboter, die dünner als ein menschliches Haar sind.

© Shields Lab / CU Boulder

Science

Minitransporter liefern im Körper Medikamente zu den Organen

Es erinnert an den US-amerikanischen Science-Fiction-Film "Die phantastische Reise". Darin ließ sich eine Gruppe von Menschen samt einem U-Boot verkleinern und in einen Menschen im Koma injizieren, um eine Gehirnoperation durchführen zu können. "Der Film wurde 1966 veröffentlicht. Heute leben wir tatsächlich in einer Ära von Robotern in der Größe von Mikrometern und Nanometern", sagt Jin Lee von der University of Colorado in Boulder, USA, vom Department für Chemie- und Bioingenieurswesen.

Ein Team der Universität hat eine neue Klasse winziger und sich selbst antreibender Robotern entwickelt, die mit unglaublicher Geschwindigkeit durch Flüssigkeiten schwirren können. Sie könnten eines Tages sogar dem jeweiligen Patienten oder der jeweiligen Patientin verschriebene Medikamente an schwer zugängliche Stellen im menschlichen Körper bringen.

Roboter durch Injektion in Körper einführen

"Stellen Sie sich vor, wenn Mikroroboter bestimmte Aufgaben im Körper übernehmen könnten, wie etwa nicht-invasive Operationen (ohne großen Zugang von außen, Anm.)", erläutert Lee, Hauptautor der Studie. "Anstatt den Patienten aufzuschneiden, könnten wir die Roboter durch eine Pille oder eine Injektion in den Körper einführen, und sie würden den Eingriff selbst durchführen.“

Noch ist es nicht so weit, aber die neue Studie ist ein großer Schritt nach vorne für winzige Roboter, heißt es in einer Aussendung der University of Colorado.

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Dünner als ein menschliches Haar

Die von der Forschungsgruppe entwickelten Roboter sind extrem klein. Jeder ist nur 20 Mikrometer (0,02 Millimeter) breit, ein durchschnittliches menschliches Haar ist 0,05 bis 0,08 Millimeter dünn. Und sie sind sehr schnell: Sie können sich mit einer Geschwindigkeit von 3 Millimetern pro Sekunde fortbewegen, was ungefähr dem 9.000-Fachen ihrer eigenen Länge pro Minute entspricht. Das sei, relativ gesehen, ein Vielfaches schneller als ein Gepard.

In der Studie verwendeten die Forscher*innen diese Mini-Maschinen, um den Wirkstoff Dexamethason in die Blasen von Labormäusen zu transportieren. Dexamethason ist ein häufig eingesetztes Cortisonpräparat, das entzündungshemmend und dämpfend auf das Immunsystem wirkt.

Solche medizinischen "Mikroroboter" könnten eines Tages Medikamente durch den menschlichen Körper transportieren.

Die ersten Daten zeigen, dass Mikroroboter tatsächlich ein nützliches Werkzeug für die Behandlung von Blasen- und anderen Krankheiten bei Menschen sein könnten. Lee ist davon überzeugt, dass diese Roboter zum Beispiel für die Behandlung des Blasenschmerzsyndroms eingesetzt werden könnten, einer chronischen Form der Blasenentzündung von Bakterien oder Viren als deren Ursache. Diese Erkrankung kann starke Schmerzen im Beckenbereich verursachen, und auch die Behandlung kann unangenehm sein.

Oft müssen die Patient*innen mehrere Male ins Spital kommen, wo ihnen eine Lösung mit Dexamethason über einen Katheter in die Blase injiziert wird.

Mikromaschinen transportierten Dexamethason

Im Labor stellten die Forscher*innen Mikroroboter her, in denen jeweils eine hohe Konzentration von Dexamethason eingekapselt war. Anschließend führten sie Tausende dieser Mini-Maschinen in die Blasen der Labormäuse ein. Dort verteilten sie sich, bevor sie sich an den Blasenwänden festsetzten. Über einen Zeitraum von 2 Tagen setzten die Mini-Maschinen das Dexamethason langsam frei. Diese Technologie könnte es ermöglichen, dass die Patient*innen über einen längeren Zeitraum kontinuierlich Medikamente zugeführt bekommen, was das Ergebnis der Therapie verbessern könnte. Dadurch könnte sich auch die Zahl der Blaseninjektionen und Spitalsaufenthalte reduzieren.

Allerdings sind noch zahlreiche weitere Studien notwendig, ehe solche Mikroroboter im Menschen eingesetzt werden könnten. Da sie sich an der Blasenwand festgesetzt haben, könnten sie wahrscheinlich nur schwer über die Abgabe von Urin ausgeschieden werden. Die Forscher*innen arbeiten deshalb jetzt an vollständig biologisch abbaubaren Mini-Robotern, die sich im Körper von selbst vollständig auflösen würden.

„Was Mikroroboter für uns interessant macht, ist, dass wir sie so gestalten können, dass sie nützliche Aufgaben im Körper erfüllen“, sagt C. Wyatt Shields, ein Co-Autor der neuen Studie und Assistenzprofessor für Chemie- und Bioingenieurswesen.

Kleine "Raketen" mit 3 Flossen

Lee hält es für realistisch, dass Mikroroboter, genauso wie in dem eingangs erwähnten Science-Fiction-Film, eines Tages durch den Blutkreislauf eines Menschen schwirren und gezielt spezielle Bereiche aufsuchen könnten, um verschiedene Erkrankungen zu behandeln. Die Wissenschafter*innen stellen ihre Mikroroboter aus sogenannten biokompatiblen Polymeren her. Dafür verwenden sie eine dem 3D-Druck ähnliche Technologie.

Die Roboter sehen ein bisschen wie kleine Raketen aus und sind mit 3 winzigen „Flossen“ ausgestattet. In jedem dieser Roboter ist eine kleine Luftblase eingeschlossen, ähnlich wie bei einem Glas, das man kopfüber ins Wasser taucht. Werden die Maschinen dann einem akustischen Feld ausgesetzt, wie es etwa bei Ultraschall verwendet wird, beginnen diese Luftblasen heftig zu vibrieren, drücken das Wasser weg und schießen die Roboter vorwärts.

Die Forscher*innen stellten ihre Mini-Gesundheitsdienstleister in einem Fachartikel im Journal Small vor.

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