Neues Planungstool soll helfen, Hitze in der Stadt einzudämmen
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In Städten sind die Folgen des Klimawandels stark zu spüren. In Linz werden bis 2050 durschnittlich bis zu 25 Hitzetage (über 30 Grad Höchsttemperatur) pro Jahr erwartet. Von 1971 bis 2000 gab es jährlich im Schnitt nur 10 Hitzetage. Die steigende Temperatur kann sich fatal auswirken. 2018 gab es in Österreich mehr Tote durch Hitze als durch Unfälle im Straßenverkehr. Durch die Klimakrise kommen noch weitere Gefahren hinzu, etwa starke Regenfälle und Überflutungen. Eine Simulations- und Planungssoftware soll nun dabei helfen, die Gefahren für einzelne Regionen richtig einzuschätzen und die richtigen Präventionsmaßnahmen zu setzen.
17 Partner aus Europa
Entwickelt wurde sie im Rahmen des EU-Forschungsprojekts CLARITY. 17 europäische Partner arbeiteten dafür unter der Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) zusammen, um Lösungen zu kreieren, die von Klimaexperten und Stadtplanern eingesetzt werden können. Aus Österreich waren auch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), sowie Smart Cities Consulting und die Stadt Linz beteiligt. Herausgekommen sind cloudbasierte Dienste, mit denen Risiken eingeschätzt, Schwachstellen aufgezeigt und Einflüsse verschiedener Maßnahmen aufgezeigt werden können. Man kann damit auf überregionaler, europäischer Ebene arbeiten, aber auch auf der Ebene einzelner Städte.
Hitzeinseln
Eine klimawandelbedingte Gefahr für Städte sind etwa Hitzeinseln - also große Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Umland. "In Linz haben wir uns angesehen, wo es 'Hotspots' gibt und was man dagegen tun könnte", meint AIT-Forscherin Tanja Tötzer. "Das Tolle an unserem Verfahren ist, dass man damit Berechnungen von der Großstadtebene bis hinunter zum kleinen Mikromodell durchführen kann. Man sieht etwa, wie es sich auswirkt, wenn man an einem Platz Bäume pflanzt oder die Bodenversiegelung aufbricht." Dadurch sei es möglich, präzise Aussagen über die Auswirkungen konkreter Maßnahmen zu treffen.
Baum oder nicht Baum
"Man sieht dann etwa, wie sich die Lufttemperatur im Tagesverlauf, im Tagesschnitt oder in der Nacht entwickelt." Je nach Ort und dessen Umständen unterscheiden sich Maßnahmen stark, meint Tötzer. "Grundsätzlich sind Bäume ja sehr effektiv, weil sie Schatten spenden und durch Verdunstung die Umgebungsluft kühlen." In bestimmten Lagen könne ein dichtes Blätterdach jedoch die Durchlüftung erschweren. Durch Asphalt und Hausfassaden tagsüber gespeicherte Wärme kann dann etwa weniger gut abgeführt werden, weshalb man kleinere Bäume oder größere Abstände einplanen sollte.
Linz übernimmt's
Linz ist eine von vier europäischen Städten, in denen tiefergehende Studien durchgeführt wurden. Die Stadt hat es sich zum Ziel gesetzt, zur Musterstadt in Europa bei der Anpassung an den Klimawandel zu werden. "Es gibt die Idee, dass Linz unser Werkzeug übernimmt und es weiterentwickelt", verrät Projektleiter Denis Havlik, AIT. Das Interesse an CLARITY sei auch in anderen europäischen Regionen groß, unter anderem in Italien.
Marktplatz
Mit dem Online-Portal MyClimateServices.eu wurde während des Projekts eine Art Marktplatz geschaffen, um Interessenten und Anbieter von Lösungen rund um den Klimawandel zusammenzubringen. CLARITY sei in seinem Funktionsumfang derzeit einzigartig am Markt. "Unsere Dienste sind besonders, aber nicht die Lösung für alles", meint Havlik. Er betont auch, dass sich Expertenstudien durch kein automatisiertes Werkzeug ersetzen lassen.
Unterschiedliche Herausforderungen
Im Forschungsprojekt CLARITY wurden neben Linz auch Neapel, Madrid und Stockholm auf ihre Widerstandsfähigkeit gegen negative Folgen des Klimawandels untersucht. Jede Stadt ist mit anderen Herausforderungen konfrontiert. "Im Süden Europas, und dazu gehört zum Teil auch Österreich, ist vor allem die Hitze ein ausgeprägtes Problem", meint CLARITY-Projektleiter Denis Havlik. "Bei der Hitze stellen sich zwei Fragen: Wie reagiert der Mensch und wie reagiert die Natur darauf?"
Der Mensch sei ein Gewohnheitstier und passe sich nur sehr langsam an veränderte Temperaturen an. In Städten sei bemerkbar, dass gewisse Pflanzen mit Hitze und Trockenheit schlecht zurechtkommen, weshalb sie langfristig wohl ersetzt werden müssen. Für Pflanzen ebenso wichtig, sei die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens. "Das Schwammstadtprinzip besagt, dass Regenwasser aufgenommen und gespeichert wird und nicht einfach durch den Kanal abfließt", meint Tanja Tötzer. "Speicherreservoirs hätten zusätzlich den Effekt, dass das gespeicherte Wasser auch in Trockenperioden zur Verfügung steht und verdunsten kann."
In Madrid wird untersucht, wie sich die Hitze auf die Straßeninfrastruktur auswirkt. In Neapel geht es auch um den Schutz vor Überschwemmungen, in Stockholm steht diese Gefahr im Vordergrund. Schutzmaßnahmen gegen die Gefahren zu etablieren, sei kostenaufwändig, meint Havlik. Die Investitionen seien aber machbar und notwendig, ansonsten entstünden durch Gesundheitsprobleme und Arbeitsausfälle noch höhere Kosten. Havlik: "Eine schöne Erkenntnis unteres Projekts ist: Es wird zwar unangenehmer in den Städten, aber durch gezielte Maßnahmen kann man einen Großteil der Probleme neutralisieren. Die Lebensqualität in Städten kann erhalten werden."
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