Wie ein neues Sensorsystem Schienen sicherer macht
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In Österreich wird gerne Bahn gefahren. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) etwa haben im Jahr 2021 in Summe 323 Millionen Passagiere und mehr als 94 Millionen Tonnen Güter an ihr Ziel gebracht. Eine große Rolle im Schienenverkehr spielen Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Um die zu gewährleisten, muss die Gleisinfrastruktur sorgfältig gewartet werden. Denn die Gleise sind unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt, welche Verschleiß und Beschädigungen begünstigen können.
Smartes System
Um mögliche Schäden rechtzeitig beheben zu können, müssen sie auch frühzeitig erkannt werden. Normalerweise werden die Schienen regelmäßig, aber oberflächlich vom Personal des jeweiligen Bahnbetreibers kontrolliert. Ergänzend dazu kommen Messfahrzeuge zum Einsatz, welche die Gleisinfrastruktur präzise überwachen. Die sind aber kostenintensiv, sodass die Fahrten in der Regel nur in größeren Intervallen stattfinden.
Im Rahmen des von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekts Harmony entwickelt ein Team rund um Jenny Vuong, Innovation & Research Managerin bei Mission Embedded, ein smartes und kostengünstiges System zur automatischen Überwachung der Gleisinfrastruktur.
Laut der Forscherin wurde das System für die Montage in bereits im Einsatz befindliche Regelzüge konzipiert und besteht unter anderem aus mehreren Kamera-, Radar-, Beschleunigung- und Lokalisierungssensoren sowie einer künstlichen Intelligenz (KI). „Das System tastet während des Normalbetriebs des Zuges die Gleisinfrastruktur ab und überprüft die dabei entstandenen Daten mithilfe von auf künstlicher Intelligenz basierenden Algorithmen automatisch auf mögliche Gefahren und Unregelmäßigkeiten“, sagt sie der futurezone.
System warnt
Die Sensordaten werden auf einer speziell entwickelten Plattform in Echtzeit verarbeitet. Erkennt die künstliche Intelligenz Anomalien wie Gleis- und Weichenschäden, Bewuchs oder Fremdkörper in der Gleisinfrastruktur, sendet das System in Echtzeit entsprechendes Sensor- und Bildmaterial sowie Informationen zu Art und Position der Anomalie an einen sogenannten „Remote Analysten“ – einen Fernanalysten in der Leitstelle.
Dieser überprüft die Meldungen und kann laut Vuong bei Bedarf notwendige Wartungsarbeiten oder Sofortmaßnahmen in die Wege leiten. „So können potenzielle Gefahren, wie Gleisbrüche, Gleisschäden oder Gleisbewuchs abgewendet werden, bevor verheerende Unfälle passieren“, sagt sie. Diese Warnmeldungen könnten bei Bedarf auch in bestehende Incident-Management-Systeme integriert werden. Damit sind Systeme zur Erkennung, Bearbeitung und Lösung eines Sicherheitsvorfalls oder einer Betriebsstörung gemeint.
Zuverlässig und sicher
Zur Erhöhung der Sicherheit im Bahnverkehr und zur optimalen Benutzerfreundlichkeit durch den Remote Analysten müsse die KI-gestützte Erkennung von Anomalien laut der Forscherin äußert präzise und zuverlässig funktionieren. „Dies erfolgt durch ständiges maschinelles Lernen des Systems. Alle Systembestandteile müssen zudem hohen Bahnanforderungen entsprechen, um in rauen Umgebungsbedingungen zuverlässig zu funktionieren“, sagt sie.
Für die Integration in bestehende Züge müsse das System zudem kompakt sein und gleichzeitig über eine entsprechend hohe Rechenleistung verfügen, die für den Einsatz von KI erforderlich ist. Erste Forschungsergebnisse zu Harmony zeigen: Sicherheit und Zuverlässigkeit des Bahnbetriebs lassen sich mit dem System erheblich erhöhen.
Erstes Pilotprojekt 2023
Laut Vuong sei das System kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zu der klassischen Wartungsmethode. „Das System ist einfach in bestehende reguläre Triebfahrzeuge nachrüstbar und stellt für den Bahnbetreiber eine zuverlässige und kostengünstige Möglichkeit zur raschen Identifizierung von Anomalien in der Gleisinfrastruktur im Regelbetrieb dar“, sagt sie.
Die Forschungsarbeiten laufen noch bis 2023 – derzeit arbeite man vor allem an der Optimierung der Datenverarbeitungsverfahren. Im kommenden Jahr soll das System dann in ersten Pilotprojekten zum Einsatz kommen. Für die technische Entwicklung des Projekts ist Mission Embedded als Pionier im Bereich intelligenter Sensor- und Fahrerassistenzsysteme für die Bahn hauptverantwortlich und wird vom Institut für Computertechnik der TU Wien sowie von Frequentis Control Room Consulting unterstützt.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Neue Bremsenprüfstelle an der TU Graz
Güterzüge befördern tonnenschweren Ladungen mit bis zu 120 Kilometer pro Stunde von A nach B. Da Schienenfahrzeuge bei Problemen nicht ausweichen können, spielt im Schienenverkehr besonders die Bremswirkung – insbesondere bei solch hohen Geschwindigkeiten – eine bedeutende Rolle. Geprüft und zertifiziert wird diese an unabhängigen Prüfstellen, von denen es weltweit nur wenige gibt. Mit nächstem Jahr soll ein neuer Bremsenprüfstand am Campusgelände der TU Graz realisiert werden.
Unter anderem sollen dort Züge mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometer pro Stunde geprüft werden. Gleichzeitig sollen erstmals Bremsbelastungen und deren Auswirkungen auf das gesamte Fahrsystem – wie etwa Risse im Material – erforscht werden.
E-Motor
Zum Einsatz soll ein größerer E-Motor mit einer Leistung von 1,4 Megawatt kommen und unterschiedliche Testszenarien ermöglichen. Von Bremsungen bis zum kompletten Stillstand oder Halteruckversuchen können zahlreiche Tests durchgeführt werden.
Generell können mit der Entwicklung einer derartigen Prüfstelle insbesondere Zulassungsprüfungen in Zukunft schneller durchgeführt werden als bisher. In der Regel dauert die Wartezeit aktuell ein halbes bis ein ganzes Jahr. Wünschenswert ist auch, dass die Stelle der Grundlagenforschung in diesem Bereich dient. Der Prüfbetrieb soll 2023 starten.
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