Stickige Luft als Treibstoff für grüne Dächer
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In Innenräumen kann die Konzentration von Kohlendioxid ein Vielfaches dessen erreichen, was unter freiem Himmel möglich ist. Die Überlegung, dass Pflanzen das Treibhausgas für ihren Wuchs benötigen, hat Forscher*innen der US-amerikanischen Boston University zu einem Experiment bewogen. Auf dem Dach eines Instituts platzierten sie Pflanzentröge direkt neben Lüftungsauslässen. Wie sich zeigte, lässt stickige Luft aus dem Hörsaal den kleinen Garten am Dach wunderbar gedeihen.
Viermal mehr Spinat
Für das Forschungsprojekt wurde das Wachstum von Spinat und Mais untersucht. Die beiden Pflanzen betreiben unterschiedliche Formen von Photosynthese (C3 bzw. C4). Am Universitätsdach wurden sowohl Kisten neben echten Lüftungsauslässen positioniert, als auch Kisten neben normalen Ventilatoren mit Umgebungsluft als Kontrollgruppe. Pflanzenbehälter sind außerdem sowohl an windgeschützten Stellen, als auch an windigen Standorten aufgestellt worden.
Spinatpflanzen, die CO2-reiche Abluft aus dem Gebäude erhielten und an windgeschützten Stellen standen, wuchsen im Versuchszeitraum 4 Mal so groß wie die Pflanzen der Kontrollgruppe. An windigen Stellen, wo die Abluft schneller weggeblasen wurde, war das Wachstum immerhin noch doppelt so stark. Beim mit Abluft versorgten Mais war die Biomasse am Ende 2 bis 3 Mal so groß wie jene der Kontrollgruppe.
Mehr Dach-Farmen
Bei Mais ist das stärkere Wachstum neben den Lüftungsauslässen nicht nur auf den CO2-Gehalt der Luft zurückzuführen. Die wärmere Temperatur hat auch einen positiven Einfluss. Bei C3-Pflanzen wie Spinat hat das verstärkte Wachstum einen kleinen Haken. Wenn sie höheren CO2-Konzentrationen ausgesetzt sind, verringert sich ihr Nährstoffgehalt leicht. Wenn man in gleicher Zeit mehr Biomasse erhält, wird dieser Nachteil aber mehr als ausgeglichen.
Es gebe immer noch viele Aspekte, die man erst genauer verstehen müsse, um Erkenntnisse aus der Studie praktisch zu verwerten, sagt Studienleiterin Sarabeth Buckley. Unter anderem muss erst herausgefunden werden, auf welche Art man die Abluft am besten zu den Pflanzen leitet, aber: „Wir hoffen, dass das Prinzip am Ende praktisch angewendet wird und dazu führt, dass es mehr Dach-Farmen gibt.“
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Kühlung für heiße Städte
Pflanzen auf Gebäudedächern wachsen zu lassen, ist in mehrfacher Hinsicht eine gute Idee. In der Mindestvariante dient der Bewuchs als Isolierschicht, die im Sommer Hitze fernhält und sie im Winter im Haus bewahrt. Bei den klassischen Gründächern, die nicht begehbar sind und sich meist selbst erhalten, spricht man von extensiver Begrünung. Wird der Garten am Dach von Menschen genutzt und bewirtschaftet, spricht man von intensiver Begrünung. Sie bringt noch mehr Nutzen, etwa durch lokale Nahrungsmittelproduktion, die Reduktion von Hitze in der Stadt, die Bereitstellung eines nahen Erholungsraumes und durch CO2-Reduktion.
Entlastung für Kanalsystem
Grüne Dächer können Regen wie ein Schwamm aufsaugen und so den Abfluss in das Kanalsystem reduzieren. „Vergessen wird oft die Biodiversität“, sagt Isabel Mühlbauer von der Organisation Grünstattgrau. „Mit Dachbegrünungen schafft man Trittsteinbiotope, durch die sich Insekten und Pflanzen besser ausbreiten können.“
Keine Konkurrenz zu Photovoltaik
Flache Dächer bieten sich für die Begrünung an, mit Hilfe von Abrutschsicherungen können Bepflanzungen aber auch an steileren Dächern vorgenommen werden. Wichtig sei, dass die Begrünung fachgerecht durchgeführt werde. Es gelte viele Aspekte zu beachten, u.a. ob das Gebäude Gärten am Dach statisch aushält, oder ob das Dach dicht ist und weder Wurzeln noch Wasser durchdringen können. Grüne Dächer können laut Mühlbauer auch gut mit Photovoltaik kombiniert werden. Pflanzen und PV-Anlagen können voneinander profitieren, etwa indem Pflanzen beschattet werden und weniger leicht austrocknen. Solarmodule werden durch Verdunstungskälte gekühlt und erzielen so mehr Leistung.
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