Skizze eines Geräts mit gestapelten Nanoporen-Schichten, das aus Luftfeuchtigkeit Strom gewinnt

Skizze eines Geräts mit gestapelten Nanoporen-Schichten, das aus Luftfeuchtigkeit Strom gewinnt

© Projekt Catcher

Science

Strom aus Luft gewinnen: Entdeckung war purer Zufall

Wassermoleküle in der Luft können viel Energie in sich tragen. Am eindrucksvollsten zeigt sich das bei einem Gewitter. Bis vor Kurzem ist es jedoch nicht gelungen, diese Energie auf technischem Weg in Strom umzuwandeln. Forscher*innen der University of Massachusetts Amherst haben dazu im Mai eine Studie vorgelegt, die für viel Aufsehen sorgte. Darin beschreiben sie, wie man durch Nanoporen und gewöhnliche Luft winzige Mengen Strom erzeugen kann.

Ohne Stromzufuhr Signal erhalten

Die Entdeckung dieses Prinzips sei reiner Zufall gewesen, wie Jun Yao, Hauptautor der Studie, gegenüber dem Guardian schildert. "Wir waren eigentlich daran interessiert, einen einfachen Feuchtigkeitssensor zu bauen. Aber aus irgendeinem Grund hat ein Student, der daran arbeitete, vergessen, den Stecker anzustecken." Obwohl es keine Stromzufuhr gab, stellten die Forscher*innen fest, dass der Sensor, der mit winzig kleinen Röhrchen, so genannten Nanowires, ausgestattet war, ein elektrisches Signal von sich gab.

Die Wissenschaftler*innen stellten fest, dass Kollisionen von Wassermolekülen mit den Wänden des Nanoröhrchens elektrische Ladungen in diesen bewirkten. Das Prinzip wurde mit Nanoporen vervielfacht. Ein daumennagelgroßes Konstrukt, das nur ein Fünftel der Dicke eines menschlichen Haares aufweist, konnte ein Mikrowatt Strom erzeugen - genug, um einen Pixel auf einem LED-Bildschirm zu versorgen.

Strom aus der Waschmaschine

Schafft man es, die Technologie zu skalieren, könnte man eine neue Energiequelle erschließen. Yao: "Das Schöne ist, die Luft ist überall. Auch wenn ein dünnes Blatt in diesem Gerät nur eine winzige Menge Strom erzeugt, können wir im Prinzip mehrere Schichten davon vertikal stapeln und den Strom erhöhen."

Genau diesen Plan verfolgen seit einiger Zeit auch andere Wissenschaftler*innen, die ebenfalls die so genannte Hygroelektrizität erforschen. Unter anderem gab und gibt es dazu europäische Forschungsprojekte, die von einer ukrainischen Familie, Svitlana Lyubchyk und ihren beiden Söhnen, von Portugal aus vorangetrieben wird. Ihre Vision ist ein Gerät von der Größe einer Waschmaschine, das 10 Kilowattstunden Strom pro Tag erzeugen soll - genug, um einen Haushalt zu versorgen.

Gigantisches Potenzial

Die Idee, Strom direkt aus der Luft zu beziehen, gibt es seit Nikola Tesla. Den Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung dieses Plans liegt in winzigen Strukturen. Nanoröhrchen können aus unterschiedlichsten Materialien geschaffen werden, um Luftfeuchtigkeit zu Strom zu machen. Im Falle der US-amerikanischen Forscher*innen wurde etwa organisches Ausgangsmaterial verwendet, die Lyubchyks verwenden metallisches Zirkoniumoxid. Einzige Voraussetzung ist, dass die Nanoröhrchen eine bestimmte Größe nicht überschreiten dürfen.

Besonders viel Luftfeuchtigkeit ist dem Prozess laut momentanem Forschungsstand übrigens nicht zuträglich. Der höchste Stromertrag wurde von den Forscher*innen der University of Massachusetts bei etwa 50 Prozent gemessen. Das Potenzial der Technik halten Wissenschaftler*innen jedenfalls für gigantisch. Gelinge es, die Herstellungskosten für Stromsammelgeräte mit Nanoporen oder Nanoröhrchen stark zu senken, würde die Menschheit mit wenig Aufwand riesige Elektrizitätsmengen günstig nutzen können.

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