Wie CO2 Erdöl, Erdgas und Kohle ersetzen kann
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Erdöl, Erdgas oder Kohle werden nicht nur zum Heizen oder der Herstellung von Treibstoff verwendet. Sie bilden auch die Grundlage von sogenanntem Synthesegas. Das Gas ist ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff und findet breite Verwendung. Man benötigt es etwa zur Erzeugung von Dünger, bei der Alkoholherstellung und sogar synthetische Kraftstoffe lassen sich daraus gewinnen.
Ein Manko hat Synthesegas allerdings: Es besteht aus fossiler Energie, verursacht somit CO2-Emissionen und ist daher eine Belastung für das Klima. Dogukan Apaydin und sein Team aus der Forschungsgruppe von Dominik Eder an der TU Wien wollen das ändern.
Ausgangsstoff für Apaydins Methode ist ausgerechnet das Treibhausgas CO2, das wieder in wertvolle Kohlenmonoxid-Moleküle aufgespalten wird. Das ist bereits möglich, jedoch unter hohem Druck und hohen Temperaturen, der Vorgang ist aufwendig und verschlingt viel Energie. Das Team der TU Wien wählte daher einen anderen Ansatz und nutzt Elektrizität sowie einen Katalysator, der die chemische Reaktion sozusagen antreibt.
Forschung an MOCHAs
Der Katalysator wurde erst vor gut 20 Jahren entdeckt, es handelt sich um metallorganische Chalkogenolat-Verbindungen, die Forscher*innen nennen sie vereinfacht MOCHAs. 2002 wurden diese MOCHAs zum ersten Mal in den USA hergestellt, aufgrund fehlender Anwendungen war das Interesse allerdings gering. Apaydin selbst kam mit den MOCHAs bei einem Forschungsaufenthalt in Kalifornien in Kontakt und brachte das Forschungsfeld mit nach Wien.
„Selbst 2018 hatte man für MOCHAs noch keine Anwendung, die Synthesemethoden lieferten lediglich ein Milligramm des Materials“, erklärt Apaydin der futurezone. Erst in Wien erkannten die Wissenschaftler*innen, dass das unscheinbare Material als Katalysator dienen könnte, der die CO2-Aufspaltung möglich macht.
MOCHA-Herstellung deutlich verbessert
Mehr Katalysator-Material musste also her. Das Team an der TU Wien konnte die Herstellung der MOCHAs deutlich verbessern und die Ausbeute pro Synthese verhundertfachen. Außerdem läuft die Herstellung deutlich schneller ab. „Bisher benötigte man 72 bis 96 Stunden für die Herstellung, wir schaffen es in 5 Stunden oder weniger“, sagt Apaydin.
Auch die Materialien seien günstig, die verwendeten MOCHAs bestehen aus Silber, dem Element Selen und einer organischen Kohlenstoffverbindung. Das daraus entstehende Pulver wird mit einem Lösungsmittel zu einer Art Tinte vermischt und auf Elektroden aufgetragen, die in mit CO2 angereichertes Wasser getaucht werden. Legt man nun Strom an, entsteht Synthesegas – also Kohlenmonoxid und Wasserstoff – sowie Sauerstoff.
CO2 aus der Industrie
„Momentan kommt das verwendete CO2 noch aus der Flasche, in Zukunft kann es direkt aus Industrieanlagen herausgefiltert werden“, ist Apaydin überzeugt. Die elektrochemische Zelle zur Synthesegasherstellung ist modular und kann direkt bei der Anlage aufgebaut werden, die Reaktion läuft bei Raumtemperatur ab. Stammt der Strom dafür aus erneuerbaren Quellen, ist der Prozess außerdem komplett CO2-neutral.
„Ich sehe großes Potenzial, damit CO2 zu reduzieren“, sagt der Forscher und vergleicht die Technik mit den Anfängen von Solaranlagen, die vor 30 Jahren deutlich aufwendiger und teurer in der Herstellung waren als heute. „Mit der passenden Infrastruktur und politischem Willen können MOCHAs künftig einen breiten Einsatz bei der Umwandlung von CO2 in Synthesegas finden und so ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten“, ist sich Apaydin sicher.
Krise befeuert Forschung
CO2-Umwandlung sei momentan ein gefragtes Forschungsfeld, das Interesse daran sei durch die Klimakrise auch in Österreich gestiegen. „Die Investitionen in die Forschung haben aber noch Raum für Optimierungen“, formuliert es Apaydin diplomatisch.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Forschungsfeld einen Aufschwung erlebt. Während der Ölkrise in den 1970er-Jahren suchte man fieberhaft nach Methoden, um teures Öl einzusparen und Synthesegas aus CO2 herzustellen. Mit der Krise flachte auch das Forschungsinteresse ab, bedauert Apaydin und spricht einen Wunsch an die Politik aus: „Es wäre schön, wenn man die Forschung nicht nur in Krisenzeiten unterstützen würde.“
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