Teilchenbeschleuniger soll aus Atommüll nuklearen Brennstoff machen
Fusionsreaktoren – die Energie nicht durch Kernspaltung, sondern aus deren Verschmelzung erzeugen – sind noch Zukunftsmusik. Sie versprechen riesige Energiemengen bei minimalen Emissionen.
Als Brennstoff für solche Reaktoren eignen sich Deuterium und Tritium. Diese beiden Wasserstoff-Isotope werden auf über 100 Millionen Grad Celsius erhitzt, bis sie verschmelzen.
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Während Deuterium, das auch als „schwerer Wasserstoff“ bekannt ist, in der Natur vorkommt und sich recht einfach anreichern lässt, ist Tritium extrem selten. Terence Tarnowsky vom Los Alamos National Laboratory in den USA hat bei einer Tagung der American Chemical Society nun eine Methode vorgeschlagen, aus Atommüll herkömmlicher Reaktoren auf effiziente Art und Weise Tritium herzustellen.
Nur 11 bis 39 Kilogramm Tritium auf der ganzen Welt
„Der gesamte Tritiumvorrat auf dem Planeten beträgt etwa 55 plus/minus 31 Pfund“, sagt Tarnowsky in einer Aussendung. Das sind umgerechnet zwischen 11 und 39 Kilogramm.
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Diese Menge sei unter bestimmten Voraussetzungen genug, mehr als 500.000 Haushalte für 6 Monate mit Energie zu versorgen. „Derzeit liegt der Wert von kommerziellem Tritium bei etwa 15 Millionen Dollar pro Pfund (33 Millionen Dollar pro Kilogramm) und die USA verfügen über keine eigenen Kapazitäten, um es herzustellen. Wir haben also einen Versorgungsengpass an Tritium“, so der Physiker weiter.
Atommüll zu Tritium
In den USA stamme ein Großteil des Tritiums derzeit aus kanadischen Atomkraftwerken. Doch auch die USA hätten die Möglichkeit für eigenes Tritium: In der Form von Tausenden Tonnen hochradioaktivem Abfall, dessen Lagerung heikel und teuer ist.
Tarnowsky schlägt vor, noch strahlenden radioaktiven Abfall zu nutzen, um wertvolles Tritium herzustellen. Dafür hat er mehrere Computersimulationen potenzieller Tritium-Reaktoren erstellt.
Teilchenbeschleuniger zum an- und abschalten
Die entworfenen Reaktoren nutzen einen Teilchenbeschleuniger, um Spaltungsreaktionen im Atommüll anzustoßen. Dabei setzen sie Neutronen frei und produzieren nach weiteren Kernumwandlungen schließlich Tritium. Im Gegensatz zu den Kettenreaktionen in klassischen Atomkraftwerken gilt die Teilchenbeschleuniger-Methode als sicherer, weil man sie an- und ausschalten kann.
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Das grundlegende Prinzip dieses Designs sei schon in den 1990er-Jahren vorgeschlagen worden. Moderne Technologien könnten sie aber heute weit effizienter machen, glaubt der Physiker.
Ein Gigawatt für 2 Kilogramm Tritium
Er schätzt, dass sein hypothetisches System mit einem Gigawatt Strom über ein Jahr hinweg etwa 2 Kilogramm Tritium produzieren könnte. Kanada, der weltweit wichtigste Produzent des seltenen Stoffs, stellt jährlich etwa genauso viel her, als Nebenprodukt der Stromerzeugung in herkömmlichen Atomkraftwerken. Tarnowskys Methode ist im Energieverbrauch jedoch 10-mal effizienter und könnte weit günstiger sein.
Der Strombedarf ist allerdings immer noch riesig: Mit dem Output eines 1-Gigawatt-Kraftwerks könne man 800.000 US-Haushalte ein Jahr lang versorgen – oder alle Wiener Haushalte mehr als 2 Jahre lang.
Tarnowsky will als nächstes im Detail ausrechnen, wie viel Tritium in der Produktion kosten würde. Das soll Entscheidungsträgern helfen einzuschätzen, welche Methode für eine Umsetzung am vielversprechendsten wäre.
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