Warum Raketenstarts so oft verschoben werden
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Man kennt das Spiel: SpaceX, Roscosmos oder die ESA kündigen an, einen Satelliten ins All zu schießen oder einen Versorgungsflug zur ISS durchzuführen. Doch kurz vor dem Launch wird der Startvorgang abgebrochen und verschoben.
Wer sich ein bisschen für Raumfahrt interessiert und den einen oder anderen Raketenstart verfolgt, wird sich schon mal die Frage gestellt haben, warum Raketenstarts so oft verschoben werden.
Wenn es tatsächlich soweit kommt, dass ein Launch kurz vor dem Ende des Countdowns abgebrochen wird, kann man davon ausgehen, dass diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen wird. Stehen doch an die hundert Millionen Dollar an der Startrampe, dazu kommen noch Kosten für das Personal sowie die Nutzung des Launchpads. Und ganz oben steht das Risiko eines missglückten Raketenstarts, der im schlimmsten Fall auch etliche Menschenleben fordern kann.
Das Wetter
Der wohl häufigste Grund, warum der Start einer Rakete verschoben wird, ist das Wetter. Auch wenn das Wetter am Boden nicht so schlecht aussieht, können die Ingenieure einen guten Grund haben, eine millionenschwere Mission zu verschieben.
Laut den Standards der US-Raumfahrtbehörde NASA darf es bei einem Raketenstart keinen Niederschlag geben und die Wolkendecke darf nicht niedriger als 1830 Meter liegen. Für den Launch durch Zirruswolken oder Kumuluswolken hat die NASA jeweils eine eigene Vorgehensweise. Außerdem darf die Windstärke aus nordöstlicher Richtung nicht höher sein als 34 km/h beziehungsweise nicht höher als 63 km/h aus einer anderen Richtung und die Temperatur darf nicht niedriger sein als 8,88 Grad Celsius. Die Vorgaben für Temperatur und Windgeschwindigkeiten kann von Mission zu Mission leicht variieren.
Das Space-Shuttle-Desaster der Challenger im Jahr 1986 wird etwa darauf zurückgeführt, dass es in der Nacht vor dem Raketenstart zu kalt war. Wegen der zu niedrigen Temperaturen habe sich dann beim Start ein Gummiring gelöst, was schließlich der Auslöser der Katastrophe war - alle sieben Astronauten kamen ums Leben.
Blitzeinschläge als große Gefahr
Größte Sorge bereiten der NASA mögliche Blitzeinschläge. Sollte in einem Acht-Kilometer-Radius rund um das Launchpad die Wahrscheinlichkeit eines Blitzeinschlages höher als 20 Prozent sein, lässt die NASA keine Raketentanks mit Treibstoff befüllen. Werden in einem 16-Kilometer-Radius rund um die Flugbahn der Rakete Blitzeinschläge beobachtet, dürfen Raketen nicht starten.
Roskosmos in Russland dürfte in Sachen Blitzeinschläge nicht derart strenge Richtlinien haben, wie sich erst kürzlich gezeigt hat. Eine Sojus-Rakete mit einem Navigationssatelliten an Bord ist mitten in eine Gewitterwolke hineingeflogen und wurde kurz nach dem Launch von einem Blitz getroffen. Offenbar konnte das der Rakete aber nichts anhaben.
Wetterdaten der NASA
Rund um einen Raketenstart sammelt die US-Weltraumbehörde mit großem Aufwand umfangreiche Wetterdaten. Dafür nutzt die NASA Wetterstation am Boden, Bojen im Meer sowie Wetterballone in verschiedenen Höhen. Gibt es grünes Licht, greifen die Bordcomputer auf die Wetterdaten zurück, um die Rakete auf der richtigen Flugbahn zu halten.
Sowie schlechtes Wetter in der Erdatmosphäre einen Raketenstart verhindern kann, muss auch das "Weltraumwetter" passen, um eine Rakete in den Orbit zu schießen. Befinden sich etwa energiereiche Teilchen in der Nähe der Erdumlaufbahn, kann das auch ein Grund sein, einen Raketenstart zu verschieben. Zu starke kosmische Strahlung könne nämliche die Bordinstrumente beschädigen.
Mechanische Gründe
Die Komplexität von Raketen ist mit kaum etwas anderen Menschengemachten vergleichbar. Schon die kleinste Unregelmäßigkeit kann im besten Fall zum Abbruch eines Launchs führen, im schlimmsten Fall zur Katastrophe.
In der kürzeren Vergangenheit, im Jahr 2016, ist etwa eine SpaceX-Rakete explodiert, weil beim Betanken gekühlter Sauerstoff mit Kerosin reagiert hat. Der Grund war, dass der Sauerstoff offenbar zu stark gekühlt wurde. 2015 war eine defekte Stahlstrebe, die einen Heliumkanister gehalten hatte, für die Explosion einer Falcon-9-Rakte verantwortlich.
Tausende Sensoren an der Rakete sammeln ununterbrochen Daten, damit die Ingenieure bei Unregelmäßigkeiten schnellstmöglich reagieren können. Kommt es zu Fehlern, können die Computersysteme den Countdown zu einem Raketenstart automatisch anhalten beziehungsweise abbrechen.
Dabei geht es nicht nur darum, Astronauten, die Rakete sowie die Fracht zu schützen, sondern eben auch das Leben von Ingenieuren am Boden. 2003 kamen am Weltraumbahnhof in Alcantara in Brasilien bei einer Explosion 21 Menschen ums Leben, die mit den Vorbereitungen des Raketenstarts beschäftigt waren.
Bizarre Gründe
2014 wurde ein Versorgungsflug zur ISS wegen eines Segelbootes abgebrochen. Rund 65 Kilometer vom Launchpad entfernt kreuzte das Boot die berechnete Flugbahn der Rakete, wodurch ein Abbruch der Mission erzwungen wurde. Der Grund: Wäre kurz nach dem Start etwas schiefgegangen, hätte die abstürzende Rakete eine Gefahr für die Seeleute dargestellt.
Raketenstart zu verschieben kostet Millionen
Die NASA hat einmal vorgerechnet, dass das Verschieben eines Space-Shuttle-Starts, nachdem der Tankvorgang begonnen hat, rund 1,2 Millionen Dollar kostet. Der verlorene Treibstoff schlägt dabei mit einer halben Million Dollar zu Buche. Mit den zusätzlich benötigten Arbeitsstunden der Ingenieure kommen noch einmal 700.000 Dollar dazu.
Raketenstarts live verfolgen
Wer die kommenden Raketenstarts live mitverfolgen möchte, kann sich mit einigen nützlichen Smartphone-Apps weiterhelfen. Anwendungen wie Next Spaceflight oder Space Launch Now haben sämtliche geplante Raketenstarts aufgelistet und informieren per Smartphone-Notification über anstehende Launches. Links zu Livestreams und zusätzliche Informationen über die Raketen sowie die Fracht, sind ebenso in den Apps zu finden.
Ihr habt auch eine Frage aus unserem Themengebiete, die wir für euch beantworten sollen? Schickt uns eine E-Mail an redaktion@futurezone.at - Betreff: "frag die futurezone".
Kommentare