Viertel Zwei in Wien ist eine der Energy Communities

Viertel Zwei in Wien ist eine der Energy Communities

© Wien Energie

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Wie Energiegemeinschaften künftig funktionieren können

Dem Nachbarn den Solarstrom verkaufen, der am Balkon erzeugt wird: Das wird künftig möglich. Eine entsprechende Gesetzesänderung im Erneuerbaren Ausbau-Gesetz (EAG) steht kurz bevor. Private Haushalte werden dann eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Energieerzeugung der Zukunft geht. Es wird möglich, sich in sogenannten „Energiegemeinschaften“ zusammenzuschließen, um Strom und Wärme zu teilen und zu verkaufen, die lokal erzeugt wird. Ausprobiert wurde dies in Wien bereits im „Viertel Zwei“, wo Wien Energie dies bereits seit drei Jahren gemeinsam mit den Bewohnern ausprobiert.

„Die erste Handels-Phase unter den Bewohnern wurde gerade abgeschlossen und wird nun in den kommenden Wochen detailliert analysiert. Parallel wird das Projekt weiter geöffnet. Wir gehen in einem nächsten Schritt über die Grätzl-Grenzen des Viertel Zwei hinweg und werden zusätzliche erneuerbare Erzeugungsanlagen, Teilnehmer mit eigenen Photovoltaik-Anlagen am Einfamilienhaus und gewerbliche Kunden einbinden. Unser nächstes Projekt ist ein Energiemarktplatz“, erklärt Michael Strebl, Geschäftsführer von Wien Energie am Donnerstag.

80 Projekte aus ganz Europa

Auch europaweit liegt das Vorzeigeprojekt voll im Trend. Neben Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Skandinavien ist das Viertel Zwei ganz vorne dabei, wenn es um erneuerbare Energiegemeinschaften geht. Das zeigt eine aktuelle Studie des Austrian Institutes of Technology (AIT) im Auftrag von Wien Energie. Das AIT hat 80 Projekte aus ganz Europa identifiziert und analysiert. Dabei hat sich gezeigt, dass die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen höchst unterschiedlich sind. „Gemeinsam haben alle Projekte, dass sie auf effizienten Energieeinsatz, Klimaschutz und Gemeinschaftsbildung abzielen“, sagt Hans-Martin Neumann, Studienautor beim AIT.

Bei der Untersuchung zeigte sich zudem, dass die Projekte nicht von alleine ins Rollen kommen. „Die aktive Teilnahme von Haushalten an der lokalen Energieversorgung setzt sowohl das Engagement der Bevölkerung, aber auch eine optimierte technische Umsetzung voraus“, sagt Wolfgang Hribernik, Leiter des Energiebereichs am AIT. Wichtig sei zudem, dass die Energiegemeinschaften in die Stadtentwicklung eingebunden sind, damit sich die Zielsetzung der Grätzl mit den Visionen der Stadt decken. „Richtig aufgesetzt können Energiegemeinschaften durch die aktive Beteiligung von Bürgern dazu beitragen, die regionale Erzeugung und Nutzung von erneuerbaren Energien zu forcieren“, sagt Hribernik.

Investitionskosten zu Beginn

Als mögliche Hürden sehen die AIT-Experten hohe Anfangsinvestitionskosten. „Hier sollen Energieversorger auf Contracting-Basis einsteigen sollen dürfen“, fordert Strebl. Abhängen wird derartiges von den rechtlichen Rahmenbedingungen, die gerade geschaffen werden - auch diese könnten sonst zur Hürde werden für die neuartige Form der Energiegemeinschaften. „Wenn das neue Gesetz nächstes Jahr in Kraft tritt, stehen wir als Partner für die Umsetzung in der Praxis bereit. Wir können dieser Motivator sein, der so dringend gebraucht wird“, so Strebl. „Nur wenn es Energieversorgern möglich sein wird, als Dienstleister für Energiegemeinschaften tätig zu sein, werden sich Energiegemeinschaften flächendeckend etablieren“, betont der Wien-Energie-Geschäftsführer.

Laut der AIT-Studie können Energiegemeinschaften zudem nur dann funktionieren, wenn alle Beteiligten frühzeitig eingebunden werden, es entsprechende Fördermöglichkeiten für die Projekte gibt und diese in die Stadtplanung integriert werden. Interessant war für die Studienautoren auch, dass Kostenersparnisse durch Energiegemeinschaften nicht zu den Hauptmotiven gehören. Als Hauptgründe werden die Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Innovationslust und Technologie-Affinität angeführt.

Digitale Plattformen und Apps, die den Energiefluss darstellen, würden bei den bisherigen Projekten gut angenommen, heißt es seitens der Studienleiter. Zudem sei das „Community-Erlebnis“, gemeinsam mit den Nachbarn an etwas beteiligt sein, aufregend. Ob sich Energiegemeinschaften wirklich etablieren können, hängt also sehr stark von verschiedenen Faktoren sowie den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Diese sollen im Jänner 2021 in Österreich geschaffen werden. „Viertel Zwei“ geht solange als Forschungsprojekt weiter.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen Wien Energie und der futurezone.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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