Kernfusion soll künftig gigantische Strommengen erzeugen

Kernfusion soll künftig gigantische Strommengen erzeugen

© National Fusion Research Institute, Korea

Science

Wie funktioniert ein Kernfusionsreaktor?

Welche Energiemengen durch die Spaltung von Atomen freigesetzt werden, ist wohl seit den Atombombenexplosionen von Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 weltweit bekannt. In Form von Atomkraftwerken wird das Prinzip dahinter benutzt, um aus vergleichweise geringen Mengen Uran viel Strom zu erzeugen. Das große Problem dabei ist die zurückbleibende radioaktive Strahlung, die spätestens seit dem Unfall von Tschernobyl 1986 allen bewusst ist.

Umweltfreundlich und ergiebig

Mit der Kernfusion lassen sich theoretisch noch größere Energiemengen freisetzen und es bleibt dabei auch kein Atommüll zurück. Seit den 1930er-Jahren wird die Fusion von Atomkernen deshalb intensiv erforscht. Über die Welt verstreut gibt es eine Reihe von Forschungsreaktoren, in denen kleinste Partikel bereits fusioniert werden.

Zuletzt ließ etwa China mit der Aktivierung seines bisher größten Reaktors mit dem Spitznamen "künstliche Sonne" aufhorchen. Das große Ziel ist es, den Fusionsprozess soweit zu optimieren, um damit auf wirtschaftliche und sichere Weise Strom erzeugen zu können. Das größte dahingehende Forschungsprojekt nennt sich ITER. Das internationale Großvorhaben wird derzeit in Frankreich realisiert.

Deuterium und Tritium

Doch wie funktioniert ein Fusionsreaktor eigentlich? Im Grunde geht es darum, Deuterium-Atome mit Tritium-Atomen zu verschmelzen. Während der Wasserstoff-Kern aus einem Proton besteht, besitzt Deuterium ein Neutron und ein Proton, Tritium besitzt zwei Neutronen und ein Proton. Die Deuterium-Tritium-Fusion (DL) ist besonders attraktiv, weil sie vergleichsweise wenig Energieeinsatz für großen Energieertrag verspricht.

Um die beiden Atome verschmelzen zu lassen, muss man die richtigen Bedingungen herstellen. Die herrschen bei einer Temperatur von 150 Millionen Grad Celsius - das ist eine zehnmal höhere Temperatur, als im Inneren der Sonne herrscht. So kam wahrscheinlich auch der chinesische Reaktor, der eigentlich HL-2M heißt, zu seinem Spitznamen. Erreicht wird solch eine hohe Temperatur, indem man ein Plasma erzeugt. Der beste Ort dafür nennt sich Tokamak.

Heißes Plasma im Donut

Ein Tokamak ist im Prinzip eine Vakuumkammer in Torus-Form (verständlicher: Ein Donut) mit elektrischen Spulen drumherum. Wissenschaftler in der UdSSR haben in den 1960er-Jahren herausgefunden, dass sich solcherart geformte Behälter bestens für Fusionsexperimente eignen. Das von ihnen kreierte Akronym "Tokamak" hat sich international für die Fusionsreaktorform durchgesetzt. Es gibt auch andere Formen, etwa den fantastisch klingenden "Stellarator". Dabei ist der Donut quasi entlang seiner Ringform verdreht. Weil die Bedingungen in einem Tokamak besser kontrolliert werden können, ist die Form bislang vorherrschend.

Der Tokamak von ITER im Größenvergleich mit einem Menschen

Selbsterhaltung

Für die Fusion wird zunächst ein Vakuum im Tokamak erzeugt, um jegliche Verunreinigung in der Kammer zu beseitigen. Dann wird Wasserstoff hineingefüllt und aufgeheizt. Das Aufheizen geschieht mittels eines starken Magnetfeldes, dem Beschuss durch beschleunigte Deuterium-Atome und hochfrequenten elektromagnetischen Wellen (wie in der Mikrowelle). Durch die Kombination dieser Methoden heizt sich das Plasma auf die besagten 150 Millionen Grad Celsius auf. Dann wird das Tritium hinzugefügt und los geht die Kernfusion. Im besten Falle wird dadurch soviel Hitze erzeugt, dass sich das Plasma ohne weitere Erwärmungsmaßnahmen selbst erhält.

Während Deuterium in der Natur reichhaltig vorhanden ist - ein Kubikmeter Meereswasser enthält 33 Gramm davon - ist Tritium ein sehr flüchtiges Material und kommt in der Natur kaum vor. Das gute an der Fusionsreaktion ist aber, dass als Nebenprodukt weiteres Tritium erzeugt werden kann. Bei der Fusion werden Deuterium und Tritium zu Helium, übrigt bleibt ein Neutron. Trifft dieses auf Lithium, gibt es eine Reaktion, aus der Helium und Tritium hervorgehen. Weil man solcherart Tritium ernten kann, enthalten die Innenwände des Tokamak in einem Fusionsreaktor Lithium.

Hauptprodukt Wärme

Apropos Nebenprodukt, was ist eigentlich das Hauptprodukt? Wärme. So bescheiden das wirkt, in einem Fusionsreaktor wird Strom genauso erzeugt, wie in anderen kalorischen Kraftwerken auch. Durch Hitze wird Wasser verdampft, der Dampf treibt eine Dampfturbine und die einen stinknormalen Generator an, kühlt ab und wird wieder zum heißen Reaktor befördert. Bei einem Fusionsreaktor kann das heiße Plasma freilich nicht direkt mit einem Wasserkreislauf in Kontakt gebracht werden. 150 Millionen Grad Celsius würden jedes Material schmelzen.

Das Plasma wird im Tokamak  von starken Magnetfeldern in Form gehalten. Die werden mit supraleitenden Magneten erzeugt, die auf minus 269 Grad Celsius heruntergekühlt sind - man beachte den Temperaturunterschied! Das Plasma ist stark elektrisch geladen und folgt deshalb den Feldlinien des erzeugten Magnetfeldes. Die Wände des Tokamak bekommen aber immer noch genug von der Hitze ab. Mehrere Schichten aus Beryllium, Kupfer und hochfestem Stahl halten gerade so viel Hitze ab, um das dahinter liegende Kühlwassersystem nicht zu beschädigen.

Der Wasserkreislauf des ITER-Reaktors

Der weitere Weg

Zahlt sich der riesige Energie- und Materialaufwand für den Betrieb eines Fusionsreaktors wirklich aus? Noch nicht. Derzeit wird noch mehr Energie in Fusionsreaktoren hineingesteckt, als am Ende dabei heraus kommt. ITER soll bereits zehn Mal mehr Energie produzieren, als der Reaktor verschlingt. Für die kommerzielle Nutzung der Fusionsenergie sind noch höhere Wirkungsgrade notwendig. Zunächst geht es aber darum, den Prozess zu beherrschen und zu optimieren. Der erste Fusionsreaktor, der tatsächlich Strom ins Netz einspeist, soll erst als Nachfolgeprojekt zu ITER konstruiert werden. Hinter der DEMO getauften Anlage stehen derzeit aber noch viele Fragezeichen.

Ist das Ziel aber eines Tages erreicht - Forscher gehen momentan von einem Datum rund um 2050 aus -, so soll eine fantastische Energieausbeute möglich werden. Friedrich Aumayr, der Chef der österreichischen Fusionsforschung lieferte der futurezone dazu folgenden Vergleich: "Bei einer Leistung von 3 Gigawatt thermisch, das entspricht einem großen Kohlekraftwerk, bekommen wir ein Gigawatt elektrisch. Um diese Werte zu erreichen, sind etwa 2,7 Millionen Tonnen Kohle notwendig, oder 1,8 Millionen Tonnen Öl, oder 25 Tonnen Uran. Im Fusionskraftwerk brauchen wir dafür nur 350 Kilogramm Deuterium/Tritium."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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