Klimaforscher: "Vom Fliegen profitieren nur wenige"
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Oxford-Professor Charlie Wilson forscht daran, wie man die Klimakrise mit neuen Technologien in den Griff kriegen kann. Nach Wien zum A1 Digital Life Summit reiste er von Großbritannien mit dem Zug. Die futurezone traf ihn vor Ort zum Gespräch.
futurezone: Wie war die Zugfahrt nach Wien?
Charlie Wilson: Sehr angenehm, allerdings habe ich es dieses Mal nicht innerhalb eines Tages geschafft, wie sonst üblich. Ich reise überall in Europa mit dem Zug hin. Es macht Spaß, ist sehr entspannend und ich kann während der Reise arbeiten. Das trifft alles auf Flugreisen nicht zu.
Würden Sie generell dazu raten, auf Flugreisen zu verzichten, um den Klimawandel aufzuhalten?
Viele meiner Kolleg*innen würden diese Frage bejahen. Ich sehe das differenzierter. Es hängt stark vom sozialen Umfeld ab, ob man im Sommer auf Urlaub fliegt.
Also gibt es keinen Grund für Flugscham?
Es werden immer mehr Menschen den Wunsch haben, zu fliegen. Es ist daher wichtig, dass Flugzeuge elektrisch werden, oder zumindest auf synthetischen Treibstoff umsteigen. Flugreisen machen etwa 2 bis 3 Prozent des CO2-Ausstoßes aus. Das ist genauso viel wie die Digitalisierung. Während von dieser alle profitieren, sind es vom Fliegen nur sehr wenige. Nämlich die, die es sich leisten können.
Also lässt sich mit Digitalisierung der Klimawandel doch nicht stoppen?
Natürlich verbrauchen Computer, Smartphones und Rechenzentren Strom und erzeugen Treibhausgase. Aber es gibt viele Beispiele, die zeigen, wie Digitalisierung helfen kann, den Klimawandel zu stoppen.
Welche sind das?
Man kann Verkehrssysteme effizienter gestalten, indem man Informationen digital erfasst und diese in Berechnungen mit einfließen lässt. Züge oder Öffis können so gezielt eingesetzt werden. Wer auf den Besitz eines Autos verzichtet, kann mittels App einen Carsharing-Dienst buchen. Wer von zu Hause aus arbeiten kann, spart den Pendler-Weg und damit Emissionen ein.
Es überwiegen die Vorteile?
Gerade beim Wegfallen des In-die-Arbeit-Pendelns gibt es auch Studien, die belegen, dass Menschen dann als Ersatz in ihrer Freizeit mehr herumfahren. Beim Umstieg auf E-Autos wäre es eine Katastrophe, wenn alle gleichzeitig ihre Autos um 17.30 Uhr laden würden. Bei dem Problem sind es aber wiederum auch digitale Lösungen, die helfen werden.
Inwiefern?
In Zukunft werden E-Autos viel mehr sein, als nur Fahrzeuge. Die Batterie wird auch genutzt werden, um überschüssigen Strom – etwa aus Solarenergie – zu speichern. Wenn er gerade dringend woanders gebraucht wird, kann man dann darauf zurückgreifen. Das geht nur mit digitalen Lösungen.
Wie weit entfernt sind wir von diesem Szenario?
Ich rechne damit, dass das in den nächsten 20 Jahren passieren wird. Bis dahin gibt es auch klare Verbote von Verbrennern. Derzeit ist der Anteil an E-Autos im Vergleich zu Diesel und Benzinern noch zu klein. In Europa liegt hier Norwegen an erster Stelle mit etwa 25-Prozent E-Autos.
Wie wichtig ist es, dass Menschen ihren individuellen CO2-Fußabdruck reduzieren?
Unsere Rolle als Konsument*in ist sehr beschränkt, das muss man schon klar sagen. Wir können uns immer nur in dem Rahmen bewegen, der uns vorgegeben wird. Deshalb ist wichtig, dass sich das Ganze ändert.
Was meinen Sie damit?
Wir müssen die Treibhausgase noch effizienter reduzieren und den Ausbau Erneuerbarer Energien und deren Speichermöglichkeiten nach vorne treiben, damit wir den Klimawandel noch stoppen können.
Hilft uns die Ukraine-Krise dabei?
Sie hat uns gezeigt, wie abhängig wir von Energie sind. Dadurch steigt auch das Bewusstsein für den Bedarf an Erneuerbaren Energien.
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