3 Rotoren: China kopiert amerikanischen Highspeed-Hubschrauber S-97 Raider
„Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung“, soll einst Oscar Wilde gesagt haben. In diesem Fall darf sich der US-Hubschrauberbauer Sikorsky sehr geschmeichelt fühlen: Denn in China wurde ein Helikopter gesichtet, der sehr offensichtlich vom S-97 Raider „inspiriert“ wurde.
Die Bilder des chinesischen Hubschraubers machen gerade die Runde in sozialen Netzwerken. Sie dürften schon vor einigen Wochen auf den chinesischen Plattformen Weibo und Douyin gepostet worden sein, flogen bisher aber unter dem Radar der westlichen Beobachter.
Chinas Kopie des S-97 Raider
2 Rotoren oben, einer am Heck
Soweit ersichtlich, kopiert der chinesische Helikopter das Antriebskonzept des Raiders 1:1. Es gibt einen Koaxialrotor, bei dem jeder der 2 Rotoren 4 Rotorblätter hat – wie beim Raider. Am Heck ist ein Druckpropeller, der die Geschwindigkeit im Vorwärtsflug erhöht. Auch das Design des Hecks mit einer vertikalen Flosse in der Mitte und 2 außen sieht sehr ähnlich aus. Beim China-Raider ist der längere Teil der Außenflosse aber noch oben gerichtet, während er beim S-97 unten ist.
Auch die Größe der Hubschrauber scheint nahezu identisch zu sein. Die China-Variante hat aber größere Auslässe für den Triebwerksmotor, die auf den Fotos markant metallisch glänzend sind. Dies deutet darauf hin, dass der Helikopter womöglich noch nicht sein finales Design hat und dieser Auspuff später besser in die Hülle des Hubschraubers integriert wird.
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Über 400 km/h schnell
Ein normaler Hubschrauber benötigt einen Heckrotor zum Stabilisieren. Bei Hubschraubern mit Koaxialrotor drehen sich die 2 großen Rotoren gegenläufig, was für die nötige Stabilität sorgt. Deshalb kann der Platz am Heck beim S-97 für einen Rotor genutzt werden, der nicht seitlich, sondern nach hinten ausgerichtet ist.
S-97 Raider
© Sikorsky
Er ist dadurch ein Pusher Rotor, zu deutsch Druckpropeller. Er schiebt den Helikopter zusätzlich an, bzw. bremst ihn ab. Dadurch werden eine höhere Geschwindigkeit und Wendigkeit möglich. Bei Testflügen konnte der S-97 über 200 Knoten (370 km/h) erreichen, was bereits schneller als reguläre Hubschrauber ist.
Das Ziel des Herstellers ist, dass der S-97 eine Reisegeschwindigkeit, bei voller Waffenlast, von mehr als 220 Knoten (407 km/h) erreicht. Zum Vergleich: Der US-Kampfhubschrauber AH-64D Apache hat eine Reisegeschwindigkeit von 265 km/h.
Sikorsky mit Raider X und Defiant X gescheitert
Der S-97 Raider diente als Vorläufer für den größeren Raider X. Raider X wiederum war Sikorskys Einreichung für das FARA-Programm. Dieses sollte einen Nachfolger für den Hubschrauber OH-58D Kiowa Warrior hervorbringen, der später auch einen Teil der AH-64 Apache ersetzen sollte. Das Programm wurde Anfang 2024 gestrichen.
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OH-58D Kiowa Warrior
© US Army
Sikorsky versuchte es nochmal beim Programm FLRAA, mit dem Defiant X – einer noch größeren Variante des Raider X. Mit diesem Programm suchte die US-Armee einen Nachfolger für den UH-60 Black Hawk. Der Defiant X verlor die Ausschreibung gegen den Bell V-280 Valor, ein Kipprotor-Wandelflugzeug.
Hubschrauber stark gefährdet auf modernen Schlachtfeldern
Aktuell scheint es kein Interesse der US-Streitkräfte am S-97 haben, trotzdem wird er von Lockheed Martin, der Muttergesellschaft von Sikorsky, noch auf der Website beworben. Zumindest China scheint an das Konzept zu glauben.
Über das warum, kann man derzeit nur mutmaßen. Erst kürzlich wurde Chinas erstes ein Kipprotor-Wandelflugzeug gesichtet. Es könnte sein, dass China gerade einen ähnlichen Prozess durchmacht, wie damals die USA mit FARA/FLRAA und auf der Suche nach einem schnellen Hubschrauber ist.
Helikopter haben auf modernen Schlachtfeldern aber stark an Bedeutung verloren. Selbst, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit fliegen, sind sie immer noch weit langsamer als Flugzeuge und damit leichte Ziele für die Luftabwehr. In der Ukraine ist es sogar mehrmals vorgekommen, dass Kampfhubschrauber im Flug mit Drohnen zerstört wurden.
Hinzu kommt, dass aufgrund der Lehren aus dem Krieg in der Ukraine, jetzt fast jede Armee neue Flugabwehrmethoden entwickelt – von Mini-Raketen über 30mm-Kanonen mit Airburst-Funktion bis zur Laserwaffe. Und mit denen können nicht nur Drohnen, sondern auch Hubschrauber relativ leicht vom Himmel geholt werden.
Möglich ist, dass China keinen schnellen Kampfhubschrauber, sondern einen schnellen Transporthubschrauber sucht. Dieser würde Sinn machen, etwa um Fracht und Personen zwischen den Stützpunkten und Inseln im Pazifik hin- und herzutransportieren. Die Hubschrauber könnten dazu auch von Chinas Flugzeugträgern, amphibischen Landungsschiffen und Kriegsschiffen aus starten, die einen Hubschrauberlandeplatz am Heck haben.