Lästige Falschparker: So genau werden E-Scooter getrackt
E-Scooter sind für viele Großstadtbewohner*innen ein Segen der Mikromobilität, für andere oft ein Ärgernis - vor allem dann, wenn sie nicht dort abgestellt werden, wo es regelkonform wäre. In Wien müssen Leih-E-Scooter etwa innerhalb gekennzeichneter Abstellflächen geparkt werden.
Wenn keine im Umkreis von 100 Metern zu finden ist, stellt man sie in der Parkspur ab. Aber was ist, wenn sie am Gehsteig abgestellt werden? Was ist, wenn sie in einen Radweg hineinragen? Kann ein Sharing-Dienst-Betreiber überhaupt so genau feststellen, wo seine Fahrzeuge stehen?
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Dual-Band Satellitennavigation
Das Tracking von E-Scootern wird üblicherweise mit Hilfe bekannter Satellitennavigationssysteme wie GPS oder Galileo durchgeführt. Wie man vielleicht vom Navigieren mit dem Smartphone weiß, kann die Positionierung über Satellitennavigation mal mehr, mal weniger präzise laufen. GPS gibt die Genauigkeit des Standortes eines Smartphones mit einem Radius von 5 Metern an. Ein Unterschied zwischen Straßenrand oder Gehsteig wäre damit nicht erkennbar.
Bei Leih-E-Scootern wird deshalb meist nicht auf ein einzelnes GPS-Signal vertraut. Stattdessen kommen Dual-Band-Systeme zum Einsatz, bei denen Signale auf 2 verschiedenen Frequenzen empfangen und verglichen werden. Auf diese Weise kann der Standort im "Sub-Meter-Bereich", oft auf ein paar Zentimeter genau, festgestellt werden.
Erweiterung bringt Millimeter-Genauigkeit
Das schwedische Unternehmen Voi - in Wien der vierte E-Scooter-Sharing-Anbieter neben Lime, Bird und Link - schildert in einem Blogeintrag, dass zur Ortung seiner Fahrzeug nicht nur Dual-Band-Satellitennavigation eingesetzt wird. Je nach örtlichen Gegebenheiten, etwa in Häuserschluchten oder durch das Wetter, werden Signale unscharf. Deshalb wird zusätzlich EGNOS verwendet. Dabei handelt es sich um ein europäisches Erweiterungssystem zur Satellitennavigation, bei dem Bodenstationen und weitere Satelliten zusätzliche Funksignale schicken, um Fehler bei der Positionierung zu korrigieren.
Wie ein Hacker herausgefunden hat, der die Kommunikation zwischen Voi-Fahrzeugen und Betriebszentrale geknackt hat, werden Koordinaten mit 15 Nachkommastellen übertragen. Das entspricht nicht einem Sub-Meter-, sondern einem Sub-Millimeter-Bereich.
Dead Reckoning in Unterführungen
An Bord der Voi-Roller befinden sich mehrere Sensoren, die Daten liefern, wenn es gerade keinen GPS- oder Galileo-Empfang gibt, etwa in Unterführungen oder in Gebäuden. Mittels Gyroskop, Beschleunigungssensor und Geschwindigkeitssensor wird dabei abgeschätzt, wo sich das Fahrzeug ungefähr seit der letzten Positionierung mittels Satelliten befindet. Das nennt man "Dead Reckoning".
Manche E-Scooter haben auch Kameras an Bord, um dieses Dead Reckoning zu unterstützen. Mit so genannter visueller inertialer Odometrie (VIO) kann neben der Position des Fahrzeugs auch seine Lage festgestellt werden, also etwa ob es aufrecht geparkt ist oder liegt und in welche Richtung es weist. Ob der Roller aufrecht steht oder liegt, kann man aber auch mit Lagesensoren feststellen. Der Wiener Anbieter Bird teilt der futurezone mit, dass sofort ein Team losgeschickt wird, um einen umgefallenen Roller wieder aufzustellen.
KI analysiert Fotos von Nutzer*innen
Bei der Ausstattung von E-Scootern mit Sensoren gibt es Unterschiede. Manche Anbieter verwenden mehrere Gerätegenerationen innerhalb einer Stadt. Die Genauigkeit der Bewegungssensoren an Bord ist in vielen Fällen groß genug, um damit etwa "unsicheres Fahrverhalten" zu tracken. Dazu zählen das Fahren auf dem Gehsteig, Schlangenlinien fahren, Driften, zu zweit fahren oder über Gehsteigkanten springen.
Die Genauigkeit von Sensorangaben werden bei einigen E-Scooter-Verleihern auch durch Kund*innenangaben ergänzt. Über die App wird man etwa dazu animiert, nach beendeter Fahrt ein Foto vom Abstellort zu schießen und über die App mit dem Betreiber zu teilen. Wie sehr hilft dies den Betreibern beim Feststellen des genauen Standorts? Laut Voi sind die Aufnahmen sehr hilfreich. Sie werden sowohl von KI als auch teilweise von Mitarbeiter*innen ausgewertet. Bird setzt auf eine visuelle Scanning-Technik namens Bird VPS, die von Google stammt. Mit ihr soll der Standort des Fahrzeugs auf wenige Zentimeter genau festgestellt werden können.
Stadtverwaltung überprüft Positionen
Ihre Daten teilen die Betreiber mit der Stadt Wien. Die Positionen aller Leih-E-Scooter in der Stadt werden dem Stadtservice Wien auf einem Online-Dashboard angezeigt. Mitarbeiter*innen können dadurch feststellen, ob Beschwerden, die Bürger*innen einbringen, u.a. über die "Sag's Wien"-App, gerechtfertigt sind. Sie werden dann gleich an die Betreiberunternehmen weitergeleitet.
Die Betreiberfirma ist für die Entfernung von falsch geparkten E-Scootern zuständig und erhält von der Stadt eine Strafe. 25 Euro sind pro Vergehen fällig. Diese Regelung ist seit Anfang Juni in Kraft. 17.000 Geldbußen wurden seither bereits verhängt. Die Sharing-Dienste prüfen jeden Fall und entscheiden dann, ob die Strafe an Kund*innen weitergereicht wird. Laut Voi herrscht derzeit noch viel Kulanz. In erster Linie werde versucht, Kund*innen die neuen Regeln in Wien zu vermitteln.
Stichprobenartig überprüfen die Mitarbeiter*innen des Stadtservice Wien auch selbst die Abstellpositionen von E-Scootern. Die Genauigkeit der Angaben ist ausreichend hoch, um etwa den Besetzungsgrad der rot markierten Abstellflächen zu kontrollieren. Wo sich E-Scooter in Wien befinden, unterliegt jedenfalls einem laufenden Monitoring. Sowohl Stadt als auch Betreiber bemühen sich darum, dass E-Scooter in Wien möglichst komfortabel genutzt werden können und dem Rest der Bevölkerung möglichst wenig zur Last fallen.