Was noch passieren muss, bevor die schweren E-Lkw kommen
Momentan sieht man noch nicht viele rein elektrisch betriebene Lastwägen auf Österreichs Straßen. Die meisten davon sind eher klein und für leichte Frachten ausgelegt. Die Post oder Paketlieferdienste verwenden sie gerne.
E-Lkw für schwere Lasten sind derzeit noch selten, ihre Menge wird aber in den kommenden Jahren stark steigen. Parallel dazu muss die notwendige Infrastruktur dafür geschaffen werden. Hier gibt es intensive Bemühungen, aber auch noch ein paar Herausforderungen, wie Experten bei einer vom Ladenetzbetreiber Smatrics veranstalteten Gesprächsrunde berichten.
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Neue Modelle wegen Flottenverbrauchszielen
Derzeit seien die Zulassungszahlen von schweren E-Lkw über 15 Tonnen (Heavy Duty Vehicles) noch im "homöopathischen Bereich", es werde jedoch bald einen signifikanten Anstieg geben, prognostiziert Alexander Krug von der Unternehmensberatung Arthur D. Little. Die Gründe sind vielfältig. Derzeit bieten nur wenige Hersteller schwere E-Lkw an, es gibt aber viele Ankündigungen neuer Modelle. Genau wie bei Pkw gibt es Flottenverbrauchsziele, die Hersteller einhalten müssen. Der einzige Weg dorthin sind Elektrofahrzeuge, entweder mit Batterien oder Wasserstoff als Energiespeicher.
Der Straßenverkehr ist einer der größten CO2-Emittenten, deshalb gibt es auch politisch ein großes Interesse zur Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs. In der EU soll eine Verordnung zum Aufbau von Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) beschlossen werden, die u.a. eine gewisse Ladestellendichte an Hauptverkehrsrouten (genauer gesagt im TEN-T-Netz) vorschreibt. 2030 soll für Lkw mindestens alle 60 Kilometer eine Ladestation nutzbar sein und zwar möglichst einfach und transparent für Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer aus ganz Europa. In Österreich werden bis 2035 mindestens 1.300 Ladepunkte für Lkw und Busse errichtet, sagt Hans-Jürgen Salmhofer, Leiter der Abteilung Mobilitätswende im Bundesministerium für Klimaschutz (BMK).
Billig und ökologisch mit Lkw und Zug
Auch bei Unternehmen, die Frachttransporte in Auftrag geben, steige das Klimabewusstsein, allerdings nur in Kombination mit dem Preis. "Unsere Kund*innen fragen nicht danach, was die ökologischste Option ist, sondern was am billigsten und ökologischsten ist", sagt Davor Sertic, Spartenobmann Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Wien. Speditionsunternehmen stehen dadurch vor einer großen Herausforderung, denn die Umstellung auf neue Transportmittel sei zeit- und kostenaufwendig.
"Strecken über 2.000 Kilometer sind mit E-Lkw alleine noch nicht machbar", sagt Sertic. In seinem Unternehmen, UnitCargo, setze man daher auf intermodalen Transport mit Lkw und Zug. Im Probebetrieb habe es sich etwa als sinnvoll herausgestellt, spezielle Lkw-Aufleger (Anhänger) zu verwenden, die auf Züge geladen werden können. Am Zielbahnhof übernehmen andere Lkw-Fahrer*innen den Aufleger. Das spare Personal und Energie. Container, die ebenso leicht per Bahn transportierbar wären, hätten den Nachteil, dass man sie nicht seitlich be- und entladen kann. Das sei für viele Güter aber logistisch am besten.
Wo und wann wird aufgeladen
Die größte Frage rund um E-Lkw für Transportunternehmen sei, wie und wo man sie laden könne, sagt Krug. Am häufigsten verbreitet sei das Aufladen im Depot. Dort stünden Lkw meist über Nacht und könnten mit weniger Leistung geladen werden. Unterwegs seien oft Schnellladestationen notwendig, ein wenig mehr Zeit ergibt sich am Ankunftsort. Notwendig seien aber auch Lademöglichkeiten an öffentlichen Parkplätzen, wo Lkw bei Nachtfahrverbot abgestellt werden müssen.
Soviel Leistung wie ein Windrad erzeugt
Arthur D. Little geht davon aus, dass batterielektrische Lkw eine höhere Verbreitung finden werden als Lkw mit Wasserstoff und Brennstoffzelle. Eine Reichweitenproblematik gebe es wegen vorgeschriebener Ruhezeiten kaum - Voraussetzung sei allerdings, dass es Schnelllademöglichkeiten gebe. Bei E-Lkw werden Ladeleistungen von einem Megawatt und mehr angepeilt. "Das ist eine Riesenherausforderung technischer und regulatorischer Natur", meint Smatrics-CEO Hauke Hinrichs.
Die aggregierten Ladeleistungen, die in Zukunft an Lkw-Ladestellen zur Verfügung stehen sollen, seien enorm. Für 2030 sind etwa im Zuge der AFIR-Umsetzung etwa 3,6 Megawatt angepeilt. Hinrichs: "Das entspricht einem großen Windrad." Die Strominfrastruktur müsse darauf vorbereitet werden. Wie das funktionieren kann, erforscht u.a. das Austrian Institute of Technology (AIT) derzeit mit Partnern im Projekt MEDUSA.
Reservieren und einfach anstecken
Verbesserungen sollte es auch bei der Parkplatzsituation geben. Wenn E-Lkw auf bestimmten Punkten auf ihrer Route auf eine Lademöglichkeit angewiesen sind, sollten Fahrerinnen und Fahrer Ladepunkte und Parkplätze reservieren können. "So ein System muss ganz einfach funktionieren und da darf niemand anderer auf dem Parkplatz stehen", meint Salmhofer.
Wünscheswert sei es, wenn Ladestecker einfach in das Fahrzeug gesteckt werden und der Ladevorgang sofort startet. Die "Plug and Charge"-Technologie, bei der sich Fahrzeuge selbst an der Ladestation anmelden und vollautomatisch abgerechnet wird, vereinfache das Aufladen enorm. Bei Pkw habe es sich laut Hinrichs bisher noch nicht durchgesetzt, bei Lkw könnte es anders laufen.