Erste Bank: "George war ein großes Risiko“
futurezone: Sie sind mit George angetreten, um zum "Google und Facebook des österreichischen Bankensektors" zu werden. Wie fällt das Résumé nach einem Jahr aus?
Boris Marte: Dieses Jahr wird in die Geschichte der Bank eingehen. Selten war die Branche von solch massiven technologischen Umbrüchen und einem derart veränderten Kundenverhalten betroffen, wie heute. Am Ende des Prozesses wird eine neue Art von Bank stehen, ob man will oder nicht. Mit George haben wir uns für die aktive Mitgestaltung entschieden und eine Grundlage geschaffen, von der noch viele Generationen profitieren.
George und die gesamte Launch-Strategie waren ein großes Risiko. Niemand wusste, ob die Akzeptanz so ausfallen würde, wie wir es erhofften. Wir hätten auch kommunizieren können, dass es ein Upgrade des bestehenden Netbankings gibt. Wir haben uns aber bewusst dafür entschieden, mit etwas ganz Neuem in den Markt zu gehen und die Kunden auf diesen Weg einzuladen. Jeder konnte das Neue ausprobieren, musste es aber nicht – das hat wesentlich zum Erfolg beigetragen.
Inwiefern hat es sich ausgezahlt, die User schon früh in Beta-Tests der
Plattform einzubeziehen?
Mit einem Produkt bewusst in den Markt zu gehen, dass noch nicht fertig war, das muss man sich als Finanzdienstleister erst einmal trauen. Unser Ziel war es immer, die Plattform auf Basis von User-Feedback, aber auch Usability-Daten und Marktforschungserkenntnissen zu perfektionieren. Die Kundenzufriedenheit zeigt, dass das die absolut richtige Entscheidung war.
Wieviele Kunden nutzen George heute und wieviele davon haben kostenpflichtige Plug-ins dazugekauft?
Aktuell haben bereits über 500.000 Kunden George verwendet. Damit liegen wir schon fast bei der Zahl der 780.000 Erste- und Sparkassen-User, die bisher Netbanking verwendeten. Jeder Fünfte hat zumindest ein Plug-in aus dem George-Store installiert, wovon zumindest 10.000 Plug-ins auch kostenpflichtig waren. Das sind sensationelle Werte nach einem Jahr.
Das eherne Gesetz für jedes Start-up während der ersten Phase lautet „Engagement and Relevance“. Es bringt nichts, eine neue Plattform von Anfang an nach Profit auszurichten. Es geht darum, möglichst viele Menschen anzusprechen, die einen Mehrwert durch die Plattform erhalten und sich darauf engagieren. Wenn das etabliert ist und man über ein Entwicklerteam verfügt, das 100 Prozent für die Idee lebt, wird man letztlich auch den Business-Case finden, um Geld zu verdienen. 2015 war diesbezüglich erst der Anfang.
Welche Updates sind in diesem Jahr bei George zu erwarten? Wird die Grundversion gratis bleiben?
Es wird immer eine kostenlose Version geben. Im Laufe von 2016 werden wir allerdings ein kostenpflichtiges Toolset für Business-Kunden sowie ein Wertpapier-Trading-Plug-in launchen. Auch Privatkunden werden eine Reihe neuer Plug-ins vorfinden. Jeder Kunde kann sich George nach dem Baukastenprinzip zusammenstellen. In Zukunft werden auch Drittentwickler an unsere Schnittstellen andocken können und so ein völlig neues Banking-Erlebnis schaffen.
Wie sieht die weitere App-Strategie der Bank aus? Der Trend zu Stand-alone-Apps mit begrenzten Funktionen, den auch Facebook eingeschlagen hat, ist bereits am Abklingen. Viele User bemängeln, dass für jede einfache Funktion eine eigene App verwendet werden muss.
Viele User erwarten sich von der George-App, dass sie bestimmte Funktionalitäten der Plattform fix abbildet. Wir werden die App-Strategie daher anpassen und George Go sukzessive als zentrale Core App ausbauen. Die Erkenntnisse, die wir aus dem Userverhalten zu den einzelnen Apps gewonnen haben, sind allerdings unbezahlbar und garantieren, dass die erweiterte George-App genau die Funktionen beinhaltet, die User am häufigsten verwenden. Der umgekehrte Weg wäre ein Fehler gewesen.
Inwiefern?
Man läuft schnell Gefahr, eine aufgeblähte App zu entwickeln, bei der man bestenfalls raten kann, welche Funktionen für User wichtig sind. Der große Erfolg unserer QuickCheck-App war ja eben, dass das Abrufen des Kontostandes superschnell ohne Verfügernummer und Passwort möglich war. Wenn Kunden aufgrund von anderen, sensibleren Funktionen, wie Überweisen, bei jedem Log-in ihre Daten eingeben müssen, ist QuickCheck tot. Die richtige Balance zwischen Funktionalitäten, Sicherheit und Usability zu finden, ist eben nicht einfach.
Gewisse Dinge kann man einfach nicht vorhersehen. Nehmen wir zum Beispiel unsereWechselstube-App. Natürlich bestellt niemand darüber täglich Fremdwährungen, unsere Auswertungen haben aber ergeben, dass das Abfragen des Wechselkurs permanent verwendet wurde. In einer zentralen App würde diese Funktion wohl als fünftes Untermenü irgendwo verräumt werden. Da wir wissen, wie beliebt die Funktion ist, können wir das für unsere erweiterte George-App natürlich besser berücksichtigen.
Im vergangenen Jahr haben Sie das Thema digitales Banking stark besetzt. Wie groß ist die Gefahr, dass die Konkurrenz nachzieht und den erarbeiteten Vorsprung mit eigenen innovativen Lösungen schnell wieder wettmacht?
Dass ausgerechnet die regional verwurzelte, traditionsbehaftete Sparkassengruppe sich als absoluter Vorreiter beim Thema Digital Banking etablieren würde, haben wohl die wenigsten erwartet. Die Vorreiterrolle wird sich so schnell auch nicht ändern. Es wird sicherlich einige spannende Einzellösungen geben. Ich habe bisher aber keinen einzigen ernsthaften Versuch der Konkurrenz gesehen, eine ähnliche Architektur im Hintergrund zu schaffen, die eine Plattform wie George überhaupt möglich macht. Und das geht auch nicht von heute auf morgen.
Viele Kunden wünschen sich gemeinsame Schnittstellen der verschiedenen Banken, wie in
Deutschland. Ist derartiges in Österreich geplant?
Deutschland verfügt mit HBCI über einen Standard, der mittlerweile allerdings stark veraltet ist. In Österreich war derartiges bisher nie ein Thema. Sollte die EU diesbezüglich Vorgaben machen, sind wir mit unseren offen konzipierten Schnittstellen aber gut darauf vorbereitet.
Sind beim Thema Digital Banking in Wahrheit nicht ohnehin die Finanz-Start-ups die Konkurrenten? Inwiefern haben die Banken aufgrund der strengen regulatorischen Vorgaben gegenüber diesen überhaupt eine Chance?
Die Maßstäbe hinsichtlich Interface, Design, aber auch Performance sind die kalifornischen Firmen. Wie wir bewiesen haben, können wir mit George locker in dieser Liga mitspielen. Bei Einzellösungen sind wir aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen gegenüber den Fintechs im Nachteil. Wenn es aber um integrative Lösungen, also das Abbilden des gesamten Finanzlebens auf einer Plattform und die Aufbereitung der über viele Jahre angesammelten Kundendaten geht, haben Banken einen Mehrwert, für den Fintechs 20 bis 30 Jahre brauchen.
Ist der kleine österreichische Markt überhaupt groß genug, um die richtigen Entwickler und Programmierer zu bekommen?
Der Kampf um die besten Köpfe findet auf der ganzen Welt statt. Auch wir haben ein internationales Team mit Leuten aus Österreich, Irland, Ungarn, Deutschland, Kroatien und den USA. Wenn man eine spezielle Arbeitsatmosphäre bieten kann, wo Motivation, aber auch großartige Leistungen im Vordergrund stehen, spielt es für junge, talentierte Leute eigentlich keine Rolle, in welchem Land sich der Arbeitsplatz befindet. Dass unser Team für einen Kundenstock von fast 16 Millionen Menschen entwickelt, ist ein zusätzlicher Reiz.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Kein Wunsch, eine Wette: Dass im Jahr 2019, zum 200. Geburtstag der Erste Bank, jeder zweite österreichische Online-Banking-Kunde ein George-User ist.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Erste Bank und Sparkassen. Die redaktionelle Hoheit obliegt allein der futurezone-Redaktion.