Wie sich Freelancer über eine Genossenschaft absichern können
Wer schon mal auf Werksvertragsbasis oder als Freelancer*in gearbeitet hat, weiß um die Vor- und Nachteile solcher Arbeitsverhältnisse: Auf der einen Seite stehen Souveränität und Freiheit, auf der anderen Seite stehen eine unzureichende soziale Absicherung und hoher bürokratischer Aufwand.
Auch wenn solche Beschäftigungsverhältnisse von vielen frei gewählt werden, gibt es zahlreiche Personen, die in derartige Situationen gedrängt werden. Ein zusätzliches Machtungleichgewicht entsteht, weil viele dabei von nur einem einzigen Auftraggeber abhängig sind, unter enger Einbindung in betriebliche Abläufe mit Bindung an Arbeitsort und Arbeitszeit - eine Art Scheinselbständigkeit.
"Wir verbinden die Sicherheit einer fixen Anstellung mit der Freiheit der Selbständigkeit"
Selbständig, aber doch abgesichert
"Wir beobachten schon länger, dass bisher traditionelle Beschäftigungsverhältnisse zunehmend in die Selbständigkeit ausgelagert werden – Stichwort: Gig Economy", erklärt Caroline Krammer von der Arbeiterkammer gegenüber der futurezone. Die Folge seien zahlreiche Ein-Personen-Unternehmen (EPUs) und viele Solo-Selbständige, die parallel in Anstellungsverhältnissen beschäftigt sind.
"Wir versuchen hier gegenzusteuern", sagt Sabine Kock, Geschäftsführerin von Smart Austria: "Freelancer*innen, die auf Auftragsbasis arbeiten, können ihre Projekte und Aufträge unter dem solidarischen Dach der Kooperative durchführen und dabei in ihrer eigenen Genossenschaft angestellt sein."
Smart sei eine solidarökonomische, nicht profitorientierte Kooperative, bei der die Risiken der Selbständigkeit vergemeinschaftet werden, sagt Kock: "Somit verbinden wir die Sicherheit einer fixen Anstellung mit der Freiheit der Selbständigkeit."
Veranstaltungshinweis
"Digitale Arbeitswelt – Ticket ins Prekariat"
Datum: Donnerstag, 18. November 2021
Uhrzeit: 16 bis 18 Uhr
Keynote: Christian Korunka (Arbeits- und Organisationspsychologie, Uni Wien)
Diskusssionsteilnehmer*innen:
- Sabine Kock (smart)
- Caroline Krammer (AK Wien)
- Jörg Flecker (Soziologie, Uni Wien)
- Monika Mühlböck (CEU, Uni Mannheim)
- Michael Stampfer (WWTF) - Moderation
Anmeldung zur Online-Veranstaltung - eine Kooperation von AK Wien, WWTF und CEU zum Themenschwerpunkt der Stadt Wien "Digitaler Humanismus".
Wie funktioniert die Beschäftigungsgenossenschaft?
Bei Smart werden die Aufträge und Projekte in Anstellungen bei der Kooperative umgewandelt. Dafür geht Smart in die Verträge und übernimmt das unternehmerische Risiko.
Wenn beispielsweise Zahlungsausfälle oder Zahlungsverzögerungen drohen, werden die Gehälter beziehungsweise Honorare über die Genossenschaft dennoch zeitgerecht ausbezahlt. "Das schafft nicht nur Stabilität, sondern auch finanzielle Planbarkeit", sagt Kock.
Eine solche Anstellung bei der Genossenschaft sei besonders hilfreich, wenn es um die Anwartschaften für Bildungskarenz, Arbeitslosengeld und Pensionszeiten geht, aber auch bei Krankheitsfällen, erklärt die Geschäftsführerin von Smart.
Darüber hinaus hilft die Genossenschaft bei administrativen Tätigkeiten, etwa bei der Erstellung von Budgets, bei der Buchhaltung oder gegenüber Förderstellen. Damit bleibe für die Einzelnen mehr Zeit für ihre eigentlichen Tätigkeiten, so Kock.
Um all das finanzieren zu können, nimmt die Genossenschaft 10 Prozent von der eingebrachten Nettosumme. Für die Entwicklung eines digitalen Online-Portals mit einem hohen Anteil an Partizipation wird Smart im Rahmen eines Projekts vom Digitalisierungsfond Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer Wien als Zukunftsmodell gefördert.
Für wen kommt Smart in Frage?
"Grundsätzlich ist die Kooperative offen für alle Freelancer*innen und alle freien Gewerbe", sagt die Smart-Geschäftsführerin. Besonders interessant sei die Genossenschaft beispielsweise für Personen im Kunst- und Musikbereich, weil sie vielfach auch im Ausland arbeiten, durch Smart aber in Österreich angestellt und versichert bleiben können.
Auch für Freelancer*innen im IT-Bereich könne Smart wesentliche Vorteile bieten, erklärt Kock: "IT-Freelancer*innen ersparen sich etwa den Aufbau einer eigenen Unternehmensstruktur, profitieren von einem umfassenden Versicherungsschutz und können für Betriebsausgaben die Vor- und Zwischenfinanzierung über Smart in Anspruch nehmen." Gerade in einem Arbeitsumfeld, in dem häufig Selbstausbeutung drohe, bringe das eine deutliche Entlastung.
Kurzarbeit während Corona
In den Wochen kurz vor dem ersten Corona-Lockdown im März 2020 waren bei Smart ungefähr 50 Menschen angestellt. "Die meisten konnten in Kurzarbeit übernommen und so durch diese schwierige Phase geführt werden", freut sich Sabine Kock.
Derzeit profitieren etwa zwischen 65 und 75 Menschen von einer Anstellung bei Smart. Das ändere sich allerdings von Monat zu Monat. Insgesamt zählt die Genossenschaft rund 250 Mitglieder*innen.
Disclaimer: Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen der AK Wien und der futurezone.