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Kampfpanzer M1E3 Abrams: Radikalstes Update seit 30 Jahren

Seit 1980 ist der M1 Abrams der Hauptkampfpanzer der USA. Das letzte große Update erhielt er 1992 und wurde zum M1A2. Seitdem gab es Detailverbesserungen, aber keine großen Innovationen.

Das führte zu Unmut innerhalb der US-Streitkräfte. „Ihr könnt noch so viel Scheisse oben draufpacken, wie ihr wollt: Das Teil ist trotzdem 30 Jahre alt!“, soll ein hochrangiger US-Army-Offizier bei einer Besprechung zur Zukunft des M1A2 geschimpft haben.

Schließlich dürfte nicht seine Wüterei den Ausschlag zum Umdenken gegeben haben, sondern die Beobachtungen des Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine. Im September 2023 entschied sich die US Army das Upgrade-Paket SEPv4 für den M1A2 nicht weiterzuentwickeln. Stattdessen wolle man sich auf etwas Neues konzentrieren: den M1E3.

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Vertrag als Startschuss für die Designphase

US-Rüstungsexpert*innen waren zu diesem Zeitpunkt nur vorsichtig optimistisch. Die Entwicklung des M1E3 sei zwar überfällig, doch die US Army hat in jüngster Zeit so viele Projekte gestrichen, dass es den M1E3 womöglich auch noch erwischen wird.

Jetzt scheint das Projekt aber tatsächlich ins Rollen zu kommen. Vor Kurzem hat die US Army mit General Dynamics Land Systems (GDLS) einen Vertrag über das Erstellen des vorläufigen Design des M1E3 geschlossen.

Wie der neue M1E3 aussehen soll, steht demnach noch nicht fest. Eini Mini-Hinweis, in welche Richtung es gehen könnte, ist ein Modell, das im Herbst 2023 gesichtet wurde. Das dürfte lediglich von GDLS gemacht worden sein, um der US Army das Projekt schmackhaft zu machen. Es ist als Konzept zu verstehen, auf der Annahme, wie ein moderner Kampfpanzer aussehen könnte - und nicht als Designvorlage für den tatsächlichen M1E3.

In den nächsten 18 Monaten werden die US Army und GDLS eng zusammenarbeiten. In den ersten Schritten wird die US Army die Technologien konkretisieren, die sie im neuen M1E3 haben will. Dazu werden verschiedene Systeme verglichen, um das beste herauszupicken. Schließlich muss GDLS dann einen Vorschlag machen, wie sich das alles im neuen Kampfpanzer realisieren lässt.

Sollte das Projekt danach noch nicht gestrichen sein, geht es in die nächsten Phasen über, bis Prototypen gebaut werden. Wenn alles finalisiert und der Kampfpanzer bei der US-Armee in Dienst gestellt wird, wird er den Namen M1A3 tragen.

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Massive Änderungen

Der Anforderungskatalog hat es dabei in sich. Die US Army stellt sich vor, dass der M1E3 unter 60 Tonnen wiegt. Der M1A2 wiegt derzeit 73 Tonnen. Die US-Armee ist sich bewusst, dass das nur mit gravierenden Änderungen möglich ist.

„Das klingt vielleicht ein bisschen aggressiv, aber wir sind sehr ehrgeizig“, sagt Brigadier General Geoffrey Norman, gegenüber Defensenews: „Um das zu erreichen, müssen wir mit Änderungen bei der Besatzung rechnen. Wir werden die Möglichkeit eines unbemannten Turms oder optional bemannten Turms in Betracht ziehen, um Platz und Panzerung zu sparen.“

Wenig Erfahrung mit unbemannten Türmen

Das Konzept der unbemannten Türme steckt bei Kampfpanzern derzeit noch in den Kinderschuhen. Am nächsten zu einem serienreifen Kampfpanzer mit unbemannten Turm ist Russland mit dem T-14 Armata.

Die bisher an die Truppen ausgelieferten Erprobungsexemplare dürften aufgrund von Getriebeproblemen nur begrenzt einsatzfähig sein, sodass Russland wenig Erfahrung damit sammeln konnte. Nach etlichen Gerüchten und Berichten gab Russland im März 2024 zu, dass der T-14, trotz vorheriger Behaupten, nie in der Ukraine eingesetzt wurde – angeblich weil er zu teuer sei.

Vorteile eines unbemannten Turms

Der M1A2 Abrams hat derzeit eine Besatzung von 4 Personen: Kommandant, Schütze, Lader und Fahrer. Lediglich der Fahrer sitzt in der Wanne. Alle anderen Besatzungsmitglieder befinden sich im Turm.

Ist der Turm unbemannt, heißt das, dass die gesamte Besatzung in der Wanne sitzt. Alles, was zuvor direkt im Turm gemacht wurde, wird dann von den anderen Plätzen „ferngesteuert“. Daher wird dieses Konzept in Englisch „Remote Turret“ genannt.

Das hat mehrere Vorteile. Die Besatzung ist in der stärker gepanzerten Wanne besser geschützt. Außerdem ist sie weiter von der Munition entfernt, sollte es durch einen Treffer zu Sekundärexplosionen im Magazin im Turm kommen.

Der menschliche Lader wird durch einen Autolader ersetzt. Bei einem modernen Design kann dadurch die Schussrate des Hauptgeschützes erhöht wird. Zudem werden moderne Ladungen für Kampfpanzer immer schwerer. Dem Autolader ist das egal, der wird nicht müde.

Weniger Panzerung heißt weniger Gewicht

Sind keine Menschen im Turm, kann der kompakter und flacher gebaut werden. Das reduziert Gewicht. Außerdem wird der Turm dadurch schwieriger zu treffen. Deshalb, und weil keine Menschen mehr darin geschützt werden müssen, kann die Panzerung des Turms noch weiter reduziert werden, um erneut Gewicht zu sparen.

Der Turm ist immer eine Schwachstelle eines Kampfpanzers. Und wie der Ukraine-Krieg gezeigt hat, können selbst improvisierte, günstige Kamikaze-Drohnen Kampfpanzer zerstören. Auch moderne Panzerabwehrwaffen mit Hohlladungen durchschlagen problemlos den Turm eines Kampfpanzers.

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Aktive Schutzmaßnahmen statt dicker Panzerung

Daher wird die US Army beim M1E3 auf aktive Schutzmaßnahmen setzen. Neben einer Reaktivpanzerung sollen automatisierte Abwehrsysteme zum Einsatz kommen, die den Panzer von allen Seiten von anfliegenden Projektilen schützen. Möglicherweise könnte hierfür das israelische Trophy-System, bzw. eine Lizenzfertigung davon, genutzt werden.

Ein aktives Schutzsystem gegen Angriffe von oben, sei es durch Drohnen oder Panzerabwehrraketen, steht ebenfalls ganz oben auf der Wunschliste der US-Armee. Hier wird die US Army noch ausloten, ob eine Kurzdistanzabwehr wie das Trophy reicht, oder ob mehr Reichweite bei der Abwehr von Drohnen gewünscht ist. Denkbar sei etwa die Integration von kompakten Luftabwehrraketen oder, was realistischer ist, ein automatisch gesteuertes Maschinengewehr – quasi eine Kleinversion eines Phalanx CIWS.

Eine Laserwaffe zur Abwehr von Bedrohungen dürfte aktuell kein Thema sein. Dafür aber ein neuer Antrieb. Gewünscht ist ein Hybrid-Antrieb. Der soll für einen geringeren Treibstoffverbrauch sorgen und einen „Schleichgang“ ermöglichen. Die leisere elektrische Fahrt soll das Aufspüren des M1E3 durch den Feind verhindern. Außerdem würden dabei keine heißen Abgase entstehen, was das Erkennen des Panzers durch Wärmebildkameras erschwert.

Wann kommt der neue M1E3?

Die US Army wünscht sich, dass der M1E3 gleichzeitig mit dem M30 einsatzbereit sein wird. Der M30 ist ein Schützenpanzer, der den M2 Bradley ablösen soll.

Derzeit sind Rheinmetall und GDLS beauftragt, einen XM30 zu bauen. Die Entscheidung, welches Design den Zuschlag erhält, soll Ende des Fiskaljahrs 2027 gefällt werden. Im Idealfall würden dann 2029 die ersten M30 an die Truppen geliefert werden. 

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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