Hydrofoil: Warum sind Tragflügelboote jetzt wieder im Kommen?
Wer sich in den vergangenen Jahren Bilder von der Segelregatta America's Cup angesehen hat, wird sicherlich bemerkt haben, dass die Schiffe immer mehr Flugzeugen ähneln, die über dem Wasser dahin flitzen. Ihre Tragflügel funktionieren ähnlich wie Flugzeugflügel und drücken ab einer gewissen Geschwindigkeit den kompletten Bootskörper aus dem Wasser. Dadurch sinkt der Wasserwiderstand, die Boote können noch schneller fahren.
Was bei Segelbooten gut funktioniert, soll künftig auch elektrisch angetriebenen Schiffen helfen. Sie können sich durch Tragflügel - auf Englisch "Foils" genannt - energieeffizienter fortbewegen und so die geringere Energiedichte von Batterien gegenüber Diesel wettmachen.
Anfänge im 19. Jahrhundert
Das Tragflügelprinzip ist nicht neu, es wurde schon vor dem Jahr 1900 ausprobiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten Tragflügelboote erstmals einen Boom. "Das waren Zeiten, wo man hauptsächlich schneller vorankommen wollte. Energieverbrauch und Emissionen haben damals keine Rolle gespielt", sagt Benjamin Friedhoff vom DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik in Duisburg. Durch steigendes Bewusstsein für Treibstoffverbrauch und Umweltschäden seien Tragflügelboote wieder ein wenig vom Radar verschwunden.
Stabilisierung heute viel einfacher
In der Zwischenzeit hat es aber einige technische Fortschritte gegeben. Früher waren Tragflügel etwa aus Metall, wodurch die Schiffe schwerer wurden. Heute werden sie aus Kohlefaser gemacht, sind dadurch leichter und haben mehr Flexibilität. Früher waren Wasserfahrzeuge mit widerstandsarmen Tragflügelanordnungen schwierig zu kontrollieren. "Man brauchte speziell geschulte Piloten", sagt Friedhoff. Neue Entwicklungen wie computergesteuerte Regler machen die Stabilisierung heute viel einfacher, etwa indem sie die Flügelstellung unter Wasser während der Fahrt bis zu 100 Mal in der Sekunde nachjustieren.
Gut für Passagiere
Eine Reihe von Unternehmen arbeitet derzeit daran, die Kombination Tragflügel und Elektroantriebe für eine klimafreundliche Mobilität am Wasser voranzubringen. "Batterien machen E-Antriebe schwerer, aber dafür können die Motoren sehr kompakt ausgeführt werden", sagt Friedhoff.
Wie kompakt, das beweisen elektrische Foilboards für den Privatgebrauch. Das sind quasi Surfbretter mit eingebautem Motor, die durch Flügel aus dem Wasser gehoben werden und über 50 km/h schnell fahren.
Foilboards aus Wien
Foilboards mit Elektroantrieb werden u.a. vom Wiener Unternehmen Peakfoil hergestellt. Seit 2017 fertigt es Antriebe und Boards selbst und hat mit seinem Produkt bereits einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt: 62 km/h. Der Schlüssel dazu seien kleine Flügel, wie CEO Gerhard Pirker der futurezone erzählt: "Wenn du die Geschwindigkeit verdoppelst, vervierfachst du die Auftriebskraft. Mit größeren Flügeln wäre es zuviel."
Foilboards sind im Allgemeinen nicht günstig. Preise ab 10.000 Euro seien aber notwendig, wenn man hochwertige Materialien verwende. Pirker: "Auf E-Foilboards wirken große Belastungen, etwa durch Feuchte, Temperatur oder Stürze. Da zahlt sich hohe Qualität aus."
Teil des Öffi-Netzes
Durch ihre Eigenschaft, sofort das volle Drehmoment abrufen zu können, können Elektromotoren Boote und Schiffe auch schnell auf die notwendige Geschwindigkeit für die "Flugphase" bringen. Diese günstigen Eigenschaften haben u.a. den schwedischen Schiffsbauer Candela dazu gebracht, eine kleine Tragflügelfähre für bis zu 30 Passagiere zu entwickeln, die 2024 Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes von Stockholm werden soll.
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Die Passagierschifffahrt eigne sich besonders auf mittleren Strecken in geschützten Gewässern mit wenig Wellengang, meint Friedhoff. Es komme aber sehr auf die lokalen Bedingungen an. In seichtem Wasser seien Boote mit langen Tragflügeln etwa ungeeignet.
Fakten
Komfort
Weil die Tragflügel unter der Wasseroberfläche dahingleiten, hüpfen Schiffe bei geringer Wellenhöhe nicht auf und ab. Passagieren wird seltener übel.
Wasserstoff
Strom für E-Antriebe kann von Batterien oder Brennstoffzellen kommen. Die US-Firma Boundary Layer Technologies entwickelt etwa das Tragflügelboot Argo, das mit flüssigem Wasserstoff betankt wird und zehn Container, alternativ zu Luftfracht, transportieren soll.
80 Prozent
weniger Treibstoffverbrauch und -Emissionen sind laut Studie der schwedischen Universität Chalmers mit Tragflügeln möglich.
Tiefgang und andere Probleme
Ihre Bauform kann auch andere Nachteile mit sich bringen. Dünne "Foils" sind etwa eine Schwachstelle, wenn das Schiff auf Treibgut stößt. Wenn die Flügel unter Wasser mit irgendeinem Gegenstand kollidieren und brechen, kracht das Schiff mit hoher Geschwindigkeit auf die Wasseroberfläche und bremst abrupt ab. Bei derartigen Unfällen sind bereits Menschen ums Leben gekommen. Um möglichst gut durch das Wasser zu gleiten, müssen die Flügel auch sauber gehalten werden, was einen hohen Wartungsaufwand bedeutet.
Für viele Probleme haben Schiffsentwickler aber bereits Antworten parat, etwa in Form von einziehbaren oder aus dem Wasser schwenkbaren Flügeln. Beim America's Cup kommen die auch zum Einsatz.
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