So bereitet die Ukraine ihre Soldaten auf Drohnenagriffe vor
In Telegram ist ein interessantes Video aufgetaucht. Dies zeigt, wie eine Drohne eine Granate auf eine Gruppe Soldaten abwirft. Statt einer verheerenden Explosion gibt es aber nur Rauch zu sehen. Die Soldaten scheinen es außerdem nicht eilig zu haben, danach in Deckung zu gehen.
Was hier zu sehen ist, ist eine Übung der ukrainischen Truppen. Auch die Drohne wurde von der ukrainischen Armee gesteuert. Wie The Drive berichtet, wurde statt einer echten Handgranate eine URG-N abgeworfen. Dabei handelt es sich um eine Übungsgranate, die die russische RGD-5 Handgranate in Sachen Gewicht und Handling imitiert.
Übungsgranate macht nur Rauch und Lärm
Die URG-N ist wiederverwendbar, der Körper explodiert nicht. Die Zündladung macht lediglich Lärm und Rauch. Auf den Kopf bekommen möchte man die gut 300 Gramm schwere Granate aber nicht und auch bei der Explosion direkt danebenzustehen ist vermutlich nicht gerade angenehm.
Wie es der Soldat überstanden hat, den die URG-N fast direkt getroffen hat, ist nicht bekannt. Für die umliegenden Truppen scheint es jedenfalls nicht schlimm gewesen zu sein. Der Ausbilder, den man unten im Bild hinter der Truppenlinie hergehen sieht, zuckt nicht mal bei der Explosion der Übungsgranate.
Handelsüblichen Drohnen werden zu Bombern
Der Grund dieser Übung ist, dass beide Seiten in diesem Krieg so stark auf Drohnen setzen, wie in noch keinem anderen Konflikt zuvor. Neben für nur diese Zwecke gebaute Aufklärungs- und Kamikazedrohnen, werden häufig kommerzielle Quad- und Multicopter verwendet, wie man sie für wenige Hundert Euro bei Amazon und Aliexpress bestellen kann.
An diese werden Unterseite Abwurfeinrichtungen befästigt. Diese gibt es in verschiedenen Ausführungen, hier ist eine besonders simple Variante zu sehen:
Häufig kommen mittlerweile Plastikröhren zum Einsatz, weil damit besser gezielt werden kann. Der Sicherungsstift der Granate wird gezogen und die Granate in die Röhre gegeben. Die Röhre ist eng genug, dass der unter Federdruck stehende Hebel der Granate nicht wegspringen kann. Dadurch ist die Granate zwar scharf, die Zündung aber noch nicht eingeleitet.
Die Röhre wird jetzt unten mit einem Deckel geschlossen oder die Granate oben an einem simplen Mechanismus eingehängt. Ist die Drohne über dem Ziel, wird der Deckel per Fernsteuerung mit einem simplen Mechanismus geöffnet, bzw. der Einhängmechanismus gelöst. Die Handgranate fällt aus der Röhre, der Hebel kann wegspringen und die Zeitzündung wird aktiv. Je nach Handgranate sind es dann 3 bis 5 Sekunden bis zur Explosion.
Bei der im Russland-Ukraine-Krieg häufig genutzten RGD-5 sind es 3,2 bis 4,2 Sekunden. Die RGD-5 hat einen tödlichen Radius von 3 Metern. Bei der Explosion werden 350 Fragmente erzeugt, die Menschen in einem Radius von 25 Metern verletzen können.
Drohnenpilot*innen können sehr präzise zielen
Wie in der Aufnahme der Übung und vielen anderen Videos zu sehen ist, sind die Drohnenpilot*innen mittlerweile erschreckend gut darin, mit diesen improvisierten Bombendrohnen zu zielen. In dem Trainingsvideo wurde ein bewegliches Ziel, in dem Fall der Soldat, nahezu perfekt getroffen.
Diese Übung war vermutlich deshalb als doppelte Übung angelegt. Die Truppen sollen lernen, bei einem Drohnenangriff richtig zu reagieren und die Drohnenpilot*in übt das gezielte Abwerfen der Granaten. Andere Videos zeigen, wie etwa die Granaten in offene Luken von Panzern geworfen werden.
Panzerknackende Drohnen
Dieses präzise Zielen ist nötig, da eine herkömmliche Handgranate kaum Schaden am Turm eines Panzers ausrichten würde. In einigen Fällen wurden Drohnen auch modifiziert, um panzerbrechende Geschosse abzuwerfen oder damit das Ziel zu rammen. Diese sind aber oft deutlich schwerer als Handgranaten, weshalb auch eine größere und teurere Drohne benötigt wird, die auch lauter wäre und leichter zu sehen ist.
In letzter Zeit tauchen viele Videos auf, in denen die Ukraine 40mm-Granaten von Drohnen abwirft, die normalerweise mit Granatwerfern abgefeuert werden. Diese können zwar auch panzerbrechende Wirkung haben, sind aber meistens zu schwach, um einen Kampfpanzer tatsächlich zu zerstören. In einigen Fällen reicht es aber schon, damit die Kette oder andere Komponenten zu beschädigen, um ihn bewegungsunfähig zu machen. Manchmal gelingen auch Glückstreffer
Eine übliche Quadcopter-Drohne hingegen ist in einer gewissen Flughöhe nur schwer zu erkennen, besonders wenn sie genau über einem ist, wenn man nicht gerade aktiv danach Ausschau hält. Die Übung aus dem Video soll vermutlich den Truppen deshalb auch vermitteln, aktiver nach Drohnen Ausschau zu halten, bzw. das Fluggeräusch einer Drohne über ihnen zu erkennen und als Hinweis auf eine drohende Gefahr wahrzunehmen.