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Warum nutzt man Gasleitungen nicht für Wasserstoff?

Die Netzkosten in Österreich steigen im nächsten Jahr und betroffen sind vor allem Gaskunden. Im Schnitt zahlen diese dann um 18,2 Prozent mehr Netzgebühren. Kärnten ist mit einem Anstieg von 35 Prozent am stärksten betroffen. In Oberösterreich ist der Anstieg der Netzkosten für Gas mit 6,5 Prozent am niedrigsten. 

Um die Kosten zu senken, schlägt die Regulierungsbehörde E-Control vor, Teile des Gasnetzes stillzulegen. Aber könnte man die bestehende Infrastruktur nicht nutzen, um grünen, umweltfreundlicheren Wasserstoff darin zu transportieren?

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Warum die Netzgebühren für Gas steigen?

Der Hauptgrund für den Anstieg der Netzgebühren ist die weniger werdende Menge an Gas, sagt Energie-Experte Walter Boltz im Interview mit der ZIB 2. Es wird also weniger Gas in den Leitungen transportiert. Das liegt zum einen daran, dass die vergangenen beiden Winter wärmer waren als gedacht und somit weniger Gas benötigt wurde. 

Außerdem fließt weniger Gas durch die Leitungen, weil Russland Lieferungen gestoppt hat. In der Vergangenheit haben Pipeline-Betreiber Geld für den Transport von Gas nach Italien oder Deutschland erhalten. Diese Einnahmequelle fällt nun aber durch die geringeren Gasmengen weg. 

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Warum ein Teil der Gasnetze stillgelegt werden soll

Insgesamt ist das österreichische Erdgasnetz rund 46.000 Kilometer lang. Auch wenn weniger Gas durch Österreich fließt, müssen die Leitungen dennoch gewartet werden und das kostet Geld. Die Netzkosten müssen also auf weniger Kilowattstunden Gas aufgeteilt werden, wodurch es zur Erhöhung der Netzgebühren für die Konsumentinnen und Konsumenten kommt. Werden Gasleitungen nicht mehr benötigt, sollen sie stillgelegt werden. 

“Denn so kann man die Kosten senken. Am Anfang geht es dabei vor allem um kurze Stücke der Gasleitungen. Die Wiener Netze haben beispielsweise im Sommer einen Kilometer Gasleitung stillgelegt”, sagt Kerstin Wernig von der E-Control. 

Übersicht des Erdgasnetzes in Österreich 

Wie man Gasnetze für Wasserstoff umrüstet

Wie der Kurier im vergangenen Jahr berichtet hat, sollen in einer von 3 Gasleitungen in Zukunft Wasserstoff fließen, heißt es von der Österreichischen Vereinigung für Gas- und Wasserfach (ÖVGW). Dazu braucht es aber Anpassungen. “Beim Umbau von Gas- zu Wasserstoffleitungen geht es zum Beispiel darum, ob das Rohrleitungsmaterial technisch tauglich für den Transport von Wasserstoff ist. Wasserstoff ist chemisch gesehen nicht das gleiche wie Erdgas und ist flüchtiger”, so Wernig. Es muss also sichergestellt werden, dass Wasserstoff nicht entweicht. "Das ist eine Sicherheitsfrage", betont Wernig. 

Zudem müssen die Gasleitungen von Erdgasrückständen gereinigt werden. Auch Ventile oder Armaturen müssen ausgetauscht und Verdichterstationen über der Erde erneuert werden. “Laut den Netzbetreibern dauert dieser Umbau 4 bis viereinhalb Jahre. Soweit sind wir aber noch nicht, da es noch Investitionsentscheidungen und gesetzliche Rahmenbedingungen braucht. Das Gesetz dazu ist bereits in der Pipeline, also in Ausarbeitung”, erklärt Wernig. 

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Das Warten auf Wasserstoff

Grundsätzlich ist es jetzt schon erlaubt, Wasserstoff in den Erdgasleitungen zu transportieren. Das soll zur Erreichung der Klimaziele beitragen und uns unabhängiger von Ländern wie Russland machen. Bis zu 10 Prozent Wasserstoff können dem Erdgas beigemischt werden. “Derzeit wird auch schon ein bisschen eingespeist, von großen Mengen kann man aber nicht sprechen”, schildert Wernig. 

Ein weiteres Problem ist, “dass es bei weitem nicht genug Wasserstoff gibt. Weder von dem grünen, noch von anderen Arten des Wasserstoffs”, betont Wernig. Zusätzlich ist die Produktion von Wasserstoff teuer. “Das Ziel ist aber nicht, Wasserstoff überall dort zu nutzen, wo derzeit Erdgas verwendet wird. Stattdessen sieht die österreichische Wasserstoffstrategie vor, dass man sich auf jene Leitungen fokussiert, die für die Industrie benötigt werden", betont die Energie-Expertin. Der Fokus sollte auf jenen Bereichen liegen, die schwer zu elektrifizieren sind. Das ist zum Beispiel die Stahl- oder chemische Industrie.

Die Farben des Wasserstoffs

Je nachdem, woher die Energie zur Herstellung des Wasserstoffs herkommt, erhält er im Sprachgebrauch eine andere "Farbe". Das sind die wichtigsten:

  • "Weiß" bedeutet, dass Wasserstoff natürlich vorkommt und nicht produziert werden muss
  • "Grün" bedeutet, dass der Wasserstoff aus erneuerbaren, sauberen Energien, wie Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft, durch Elektrolyse produziert wird
  • Als "Grau" gilt jener, der aus Erdgas (Methan) hergestellt wird. CO2 ist ein Nebenprodukt dieses Vorgangs
  • Eine Abstufung ist der "blaue" Wasserstoff. Hier wird das CO2 nicht in die Atmosphäre abgegeben, sondern mittels Carbon Capture and Storage-Technik (CCS) gespeichert und unterirdisch gelagert
  • "Türkiser" Wasserstoff entsteht bei der sogenannten Methanpyrolyse. Ausgangsstoff ist ebenso Methan, bei der Herstellung entsteht aber fester Kohlenstoff (Kohle), der gelagert oder weiterverarbeitet werden kann
  • "Schwarzer" Wasserstoff wird aus Kohlekraft gewonnen, "pinker" Wasserstoff aus Atomkraft und „gelber“ aus dem Strommix des öffentlichen Netzes

"Aktuell muss abschließend geklärt werden, welche Gasleitungen für den Umbau infrage kommen”, fügt Wernig hinzu. Noch warten wir also auf den Wasserstoff. Bis es so weit ist, müssen die Kosten für Energie aber sinken. “Aus unserer Perspektive geht es vor allem um die Kosteneffizienz beim Transport von Gas wie auch Wasserstoff. Diese ist nötig, damit eine leistbare Energieversorgung möglich ist”, betont Wernig.

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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