Wiener bauen Waschmaschine, die hundert Jahre hält
Jeder hat wohl einen Verwandten oder Bekannten, der eine Waschmaschine besitzt, die scheinbar unzerstörbar ist. Sei es nun Eudora, Miele oder ein beliebiger anderer Hersteller - „damals“ schienen die Waschmaschinen besser und zuverlässiger zu sein.
Was wie eine Verschwörungstheorie anmutet, wurde mittlerweile von zahlreichen unabhängigen Konsumentenschützern bestätigt. Waschmaschinen wurden früher deutlich robuster und langlebiger gebaut, waren aber auch deutlich kostspieliger. Der Trend geht immer stärker zu Wegwerfgeräten. Die durchschnittliche Lebensdauer einer modernen Waschmaschine beträgt in Großbritannien sieben Jahre - vor wenigen Jahren waren es noch zehn Jahre.
"Warum wehrt man sich dagegen, Dinge so extrem langhaltig zu machen", fragte sich der Wiener Produktdesigner Peter Knobloch. "Ich möchte grundsätzlich einmal etwas kaufen und möglichst lange haben." Eine Diskussion zum Thema "geplante Obsoleszenz" habe ihn dann auf die Idee gebracht, selbst eine langlebige Waschmaschine zu konstruieren. An der Universität für angewandte Kunst, an der er selbst als Lehrender tätig ist, fand er rasch Gleichgesinnte, die ihn mittlerweile bei der Entwicklung unterstützen.
Alles selbst herstellbar
Das selbst gesteckte Ziel von 100 Jahren Lebensdauer hält er für realistisch. "100 Jahre sind eine gut kommunizierbare Zeit. Hätten wir von 1000 Jahren gesprochen, wäre das wahrscheinlich komisch gewesen." Insgesamt habe das Team zehn verschiedene Faktoren identifiziert, die die Lebensdauer eines Geräts beeinflussen. "Allein drei davon betreffen die Wartungsintervalle, der Rest die Reparierbarkeit", erklärt Knobloch. Insbesondere günstige Verschleißteile, beispielsweise günstige Kondensatoren, sorgen hier oftmals für Ärger.
Aber auch elektronische Bauteile könnten unter den richtigen Voraussetzungen bis zu 100 Jahre halten, meint Knobloch. Dass diese von seinem Team ausgewählt werden, nicht aber von großen Herstellern, habe vor allem Kostengründe. "Wir achten nicht auf Kosten, nur auf Qualität und Verfügbarkeit." So müsse beim ehrgeizigen Projekt gewährleistet bleiben, dass die gewählten Bauteile auch in 99 Jahren noch ersetzt werden können. "Deswegen wollen wir jedes Teil möglichst selbst fertigbar machen", sagt Knobloch. Wer keinen Zugang zu einer Werkstatt habe, könne die Bauteile auch von einem Auftragshersteller fertigen lassen. Auch Leiterplatten können mittlerweile von Privatpersonen in kleinen Stückzahlen über Dienste wie PCB Pool bestellt werden.
Frühe Phase
Bislang hat das Team erst Prototypen gebaut, mit denen einzelne Komponenten der Waschmaschine getestet werden sollen. "Wir wollten beispielsweise ausprobieren, wie sehr sich das Waschverhalten durch eine andere Trommelform ändert", sagt Knobloch. Vom klassischen Frontlader-Design habe man sich verabschiedet, stattdessen soll die Waschmaschine über einen Klapp-Mechanismus von oben mit Wäsche gefüllt werden.
"Wir befinden uns gerade zwischen Recherche- und Entwurfsphase", erklärt Knobloch. Das sei ein Prozess, bei dem sich die Konstruktion laufend verändere. Obwohl von den insgesamt fünf Team-Mitgliedern niemand ein technisches Studium absolviert hat, eint sie die Leidenschaft für das Entwickeln. "Wir Konstruieren zu gerne und Buchhalten zu wenig", sagt Knobloch. Das Projekt ist privat finanziert, man versucht mit einem kleinen Budget auszukommen. Bis zum März 2019 wolle man mit einer ersten Version der Waschmaschine fertig sein.
"Es muss noch nicht schön sein, aber es wird technisch alle Funktionen erfüllen." In welcher Form die Baupläne veröffentlicht werden, ist noch unklar, die Erkenntnisse sollen aber mit der Öffentlichkeit geteilt werden. Mit diesem "waschenden Ding", wie es Knobloch beschreibt, wolle man einen Beitrag zum EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft liefern. Dabei wird über verschiedene Maßnahmen diskutiert, mit denen man die Wegwerfkultur eindämmen und Recycling stärken will. So wird unter anderem über eine Verlängerung von Produkt- und Liefergarantien für Ersatzteile diskutiert. Insbesondere letzteres sieht Knobloch als eine effiziente Maßnahme an, die Lebensdauer von Geräten zu verlängern.
Mehr Verständnis für Technik
Dass das von ihnen entwickelte Design auch von großen Herstellern adaptiert wird, glaubt Knobloch nicht. "Bei einer industriellen Anwendung macht es leider wenig Sinn, alle Funktionen einzeln und reparierbar zu machen." Er wolle aber auch nicht in Konkurrenz zu den Herstellern treten, sondern vielmehr einen "Beitrag zur Langlebigkeit" leisten. "Es muss nicht jeder eine Waschmaschine reparieren können. Ich wäre schon zufrieden, wenn dann zehn Leute Waschmaschinen bauen, die sie selbst reparieren können."
Trotz seiner Leidenschaft für langlebige Produkte betrachtet er die aktuelle Diskussion um geplante Obsoleszenz kritisch. "Es zieht die Diskussion in eine Richtung, die nicht produktiv ist", erklärt Knobloch. "Jeder, der eine an den Knien zerschnittene Jeans kauft und über geplante Obsoleszenz spricht, sollte noch einmal kurz nachdenken." Er glaubt eher, dass der Kostendruck die als Sollbruchstellen kritisierten Mängel verursacht. "Wenn man etwas kostenoptimiert baut, sind die Problemstellen deckungsgleich damit, was man bei geplanter Obsoleszenz unterstellt." Statt über diese Mängel zu diskutieren, sollten Hersteller sicherstellen, dass Geräte reparierbar bleiben. "Früher war im Inneren jedes alten Radios ein Schaltplan zu finden, damit man diese reparieren konnte, heute ist das weitgehend verschwunden."
Auch andere Geräte geplant
Ein beliebtes Argument der Hersteller sei ebenfalls langsam hinfällig: Die Effizienz. Hersteller betonten stets, auch langlebige Geräte müssten ausgetauscht werden, weil neue Geräte bei gleicher Waschleistung weniger Energie verbrauchen und somit eine bessere Ökobilanz aufweisen würden. Diese Werte stagnieren jedoch seit Jahren, auch weil mittlerweile die Grenzen des Machbaren erreicht scheinen. Verbesserungen der Waschprogramme könnten auch per Online-Update nachgeliefert werden. Wenn man nicht "grundlegend andere Prozesse" entwickle, führe für Knobloch kein Weg an langlebigen Geräten vorbei.
Das Team um Knobloch will seine Arbeit auch fortsetzen, nachdem man das Projekt abgeschlossen hat. Längerfristig soll ein gemeinnütziger Verein gegründet werden, der sich auch anderen Produktgruppen annimmt. "Es wird nicht nur bei der Waschmaschine bleiben", versichert er.
Peter Knobloch und sein Team sind auch auf der diesjährigen Maker Faire Vienna vertreten, wo sie zwei Prototypen der 100-jährigen Waschmaschine ausstellen und mehr zu ihrem Projekt erzählen werden.