Digital Life

Wozu vernetzte Autos mit 5G in Zukunft fähig sind

Der neue Mobilfunkstandard 5G soll nicht nur Smartphonenutzern gigantische Bandbreiten liefern, sondern auch im Straßenverkehr zum Einsatz kommen. Fahrzeuge sollen mit anderen Fahrzeugen sowie mit der Infrastruktur kommunizieren, etwa um sich frühzeitig über drohende Gefahren auszutauschen.

Ein möglicher Weg, wie diese V2X (vehicle to everything) genannte Kommunikation künftig ablaufen könnte, ist das Mobilfunknetz. Genau diesen Weg (Cellular V2X bzw. C-V2X) propagiert die 5G Automotive Association (5GAA). In Turin hat sie Journalisten gezeigt, was durch 5G und seine besonders kurze Latenzzeit (Verzögerung zwischen Sender und Empfänger) in Zukunft möglich wird.

Maserati auf Kollisionskurs

Mit einer Reihe von Demonstrationen, einige davon im realen Mittagsverkehr in Turin, wurden dabei ganz konkrete Anwendungsfälle gezeigt. Jedes Szenario wurde von einem anderen Mitglied der 5GAA entwickelt. Autohersteller FCA und Harman Samsung zeigten etwa vor, wie kommunizierende Fahrzeuge Zusammenstöße an uneinsichtigen Stellen vermeiden können.

Ein Maserati Levante wurde dabei auf Kollisionskurs mit einem Maserati Quattroporte geschickt. Die Fahrzeuge näherten sich in rechtem Winkel, sehen konnten die Fahrer einander nicht. Anhand beidseitig per C-V2X übermittelten Positionsdaten erhielt der Fahrer kurz vor dem fiktiven Zusammenprall visuelle und akustische Warnmeldungen.

30 km/h in bestimmten Bereichen

Eine weitere Demonstration, entwickelt vom italienischen Mobilfunker TIM gemeinsam mit Links Foundation und Luxoft, zeigte, wie Autofahrer auf ungeschützte Verkehrsteilnehmer in ihrer unmittelbaren Umgebung aufmerksam gemacht werden können. Am Armaturenbrett erschienen dabei Warnungen, wenn sich das Auto - in dem Fall "bloß" ein BMW, kein Maserati - einem Radfahrer (Connected Bike) oder die Straße querenden Fußgängern (mit 5G-Smartphone) näherte.

Die Stadt Turin zeigte mit fünf Projektpartnern, wie Fahrzeuge georeferenzierte Hinweise auf eine von 50 auf 30 km/h reduzierte erlaubte Höchstgeschwindigkeit erhalten können, etwa wenn vor ihnen auf der Straße eine Baustelle eröffnet wurde.

Transparente Lieferwagen

Zwei besonders komplexe Szenarien durften die Teilnehmer der Veranstaltung auf der historischen Lingotto-Teststrecke am Dach einer alten Fiat-Fabrik erleben. Vodafone, FCA, Marelli und Altran präsentierten dort ihr Konzept namens "See Through". Dabei wurden zwei vernetzte Jeep Renegade eingesetzt, die auf der Strecke, getrennt durch einen Lieferwagen fuhren.

Signalisierte der Fahrer des hinteren Fahrzeugs per Blinker die Absicht zu überholen, wurde auf einem Display die Sicht der Frontkamera des vorderen Fahrzeugs gezeigt. Dadurch konnte der Fahrer des hinteren Jeeps quasi durch beide Fahrzeuge vor ihm hindurchblicken und erlangte dadurch einen besseren Blick auf die Fahrbahn voraus, um sicher überholen zu können.

Warnhinweise an "Smombies"

Audi, Ericsson, Qualcomm und fünf weitere Partner kombinierten in ihrer Demonstration vernetzte Fahrzeuge, "Cyber Tyres" von Pirelli und eine Spezialbrille für den Fahrer, welche die genaue Blickrichtung erkennt. Anhand der sensorbestückten Reifen konnte ein vorausfahrender Audi A8 einen Audi Q8 dahinter vor drohendem Aquaplaning warnen. Blickte der Fahrer des Q8 anschließend auf ein ihm - und dem Onboard-Speicher - unbekanntes Verkehrszeichen, so wurde dessen Bedeutung sofort per 5G aus der Cloud abgefragt.

Die Warnung vor einem Fußgänger mit 5G-Handy konnte man auch als Passagier im Audi beobachten. Zusätzlich könnten Smartphone-Nutzer künftig ihrerseits auf dem Display davor gewarnt werden, in den Pfad eines heranbrausenden Autos zu marschieren - quasi eine Überlebenshilfe für "Smombies" (Smartphone-Zombies), die ständig aufs Handy sehen.

Bei einer Notbremsung des A8 wurde im Q8 dahinter außerdem sofort eine Videoaufzeichnung in Gang gesetzt. Die Idee ist, solche Videos künftig sofort Infrastrukturbetreibern zu übermitteln. Diese wissen dann sofort Bescheid, wenn es Hindernisse auf der Strecke gibt.

Die solcherart präsentierte schöne neue Welt der Connected Cars soll laut der 5GAA mit Hilfe der Auto- und Telekomindustrie in wenigen Jahren umgesetzt werden. 130 Mitglieder hat die Vereinigung - dessen einziger österreichischer Vertreter A1 ist - bereits versammeln können, um die C-V2X-Technologie voranzutreiben.

Konkurrent ITS-G5

Es gibt allerdings ein großes Konkurrenzmodell, das sich ITS-G5 nennt. Dabei handelt es sich um einen WLAN-Standard, der genau auf die Bedürfnisse von V2X zugeschnitten ist. Genau wie 5G mit der 5GAA versucht eine Vereinigung von Unternehmen diese Technologie zu bewerben. Zum so genannten Car2Car Communication Consortium (C2C CC) zählen Autohersteller, Zulieferunternehmen und Forschungsinstitutionen. Aus heimischer Sicht besonders relevante Mitglieder: KTM, Kapsch, Infineon und Siemens. Manche Unternehmen, wie etwa Chiphersteller Qualcomm, sind übrigens sowohl bei 5GAA als auch C2C CC dabei.

Die Befürworter von ITS-G5 können darauf verweisen, bereits einen fertigen Standard vorweisen zu können, der jahrelang erprobt wurde. Die Technologie beansprucht den Vorteil für sich, unabhängig von kommerziellen Interessen von Mobilfunkanbietern zu sein. Die notwendige Infrastruktur für die Kommunikation per ITS-G5 soll einerseits durch Fahrzeughersteller in ihren Produkten, andererseits durch Infrastrukturbetreiber bereitgestellt werden. Die österreichische ASFINAG testet die Technologie großflächig, u.a. im Projekt European Cooperative ITS Corridor.

Koexistenz oder Auslöschung

In gewissem Sinn erinnert der Wettkampf zwischen 5G und ITS-G5 an Technologie-Duelle aus der Geschichte, wie VHS gegen Betamax oder Bluray gegen HD DVD. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass beide Technologien künftig im Bereich V2X ihren Platz finden werden. Möglicherweise setzt sich jedoch einer der V2X-Ansätze durch. Der zeitliche Vorsprung spielt ITS-G5 in die Hände. In der neuen, achten Generation des VW Golf ist die WLAN-Variante etwa schon verbaut.

Mit dem weltweiten Aufbau von 5G-Netzen und dem großen wirtschaftlichen Potenzial, das dem neuen Mobilfunkstandard zugerechnet wird, schwimmt C-V2X andererseits auf einer Hype-Welle mit. Die US-Telekombehörde FCC hat zuletzt die Absicht bekundet, einen Teil des Frequenzbandes 5,9 GHz, das international für V2X reserviert ist, für C-V2X freizugeben. Das heimische Verkehrsministerium (BMVIT) hat sich unterdessen zum Ziel gesetzt, Österreich zum 5G-Pionierland in Europa zu machen. Bis 2023 sollen 5G-Dienste auf allen Hauptverkehrsverbindungen nutzbar sein.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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