Black Ops 6 Einzelspieler im Test: Bestes Call of Duty seit Jahren
Wer wagt, gewinnt: Das ist nicht nur das Motto der britischen Spezialeinheit SAS, sondern wohl auch des Entwicklerstudios Treyarch. Das steckt hinter der Solo-Kampagne von Call of Duty: Black Ops 6 (PS5, PS4, Xbox Series, PC).
Im Vorjahr hat der Einzelspieler-Modus der Modern-Warfare-Reihe mit Modern Warfare III einen Tiefpunkt erreicht, für den Sledgehammer Games verantwortlich war. Die Black-Ops-Serie wurde aber mit jedem Teil besser, auch dank vieler mutiger Ideen, die Treyarch umgesetzt hat. Und mit Black Ops 6 ist jetzt ein neuer Höhepunkt erreicht.
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Warum ich nur den Einzelspieler-Modus getestet habe
Seit CoD: Modern Warfare 2007 erschienen ist, ist der Mehrspieler-Modus ein fixer Bestandteil der Serie. Mit den jährlichen Releases hat sich dieser für mich stark abgenutzt und seit Publisher Activision so viel Fokus auf den kostenlosen Battle-Royale-Modus Warzone legt, gehen die Innovationen zurück.
Außerdem wird der Mehrspieler-Modus laufend gepatcht, gebalanced und generft, während sich bei der Kampagne meist nichts mehr tut nach dem Release. Umso wichtiger ist (für mich), dass diese gut gemacht ist, um ein 70 Euro teures Spiel zu rechtfertigen.
Streamlined und trotzdem abwechslungsreich
Der letzte Titel der Serie war Black Ops Cold War, aus dem Jahr 2020. Auch dessen Einzelspieler-Modus war sehr gut und erfrischend frech, verglichen mit dem Modern-Warfare-Einheitsbrei. Er kam aber nicht bei allen Spielern so gut an: Anscheinend waren für einige die Zeitsprünge, Puzzles, Wirren und Wendungen zu viel des Guten.
Treyarch hat auf die Kritik gehört. Man erkennt in Black Ops 6 viele Ideen aus Cold War wieder, aber die Kampagne ist streamlined. Es gibt keine ausufernden Zeitsprünge, weniger Rätsel und diese sind noch dazu optional. Auch die Mini-Games, die man tatsächlich zum Weiterkommen in den einzelnen Missionen benötigt, sind reduziert.
Gleichzeitig bietet Black Ops 6 unglaublich viel Abwechslung. Es gibt die klassischen, beinahe atemlosen Actionsequenzen, für die Call of Duty berüchtigt ist. Es gibt aber auch Schleichsequenzen und solche, bei denen man in Verkleidung unterwegs ist.
Dann kommt auf einmal eine große Open-World-Mission, die um so viel besser gemacht ist als die bei Modern Warfare III. Eine weitere Mission ist ein Casino-Heist – quasi die Black-Ops-Variante von Ocean's Eleven. Wenn man es nicht selbst spielt, dann ist es schwer zu glauben, wie gut das alles zusammen funktioniert, ohne dass man das Gefühl hat, hier wurden wild irgendwelche Ideen zusammengewürfelt. Es ist wirklich lange her, dass mir ein Call-of-Duty-Spiel so sehr gefallen hat und bei dem ich nicht nachher das Gefühlt hatte, dass man, bis auf ein oder 2 Missionen, eigentlich alles kübeln kann.
Achtung: Leichte Spoiler in den nächsten 2 Absätzen
Eine tolle Idee ist, ein Zombie-Level zu integrieren. Hier wurde sogar eine gruselige Stimmung umgesetzt, besser, als es so manche aktuellen Survival-Horror-Spiele schaffen. Leider ist diese Mission aber zu lang. Es wirkt, als wollte Treyarch eine Art Best-Of an Horrorgame-Hommagen abliefern, was aber passagenweise in Repetitivität ausartet. Wäre die Mission um 1/3 kürzer, hätte ich am Einzelspieler-Modus so gut wie gar nichts auszusetzen gehabt.
Eine Warnung: Es gibt auch wieder eine Psychosen-Mission. Aber die ist, in Gegensatz zu Cold War, spannender, abwechslungsreicher und nicht an einem Stück, sondern in mehrere Abschnitte aufgeteilt. Dadurch ist sie leichter bekömmlich und hoffentlich auch für die Gamer akzeptabel, die Cold War nicht besonders mochten.
Quatschen im Safe House
Zwischen den Missionen hängt man im Safe House mit den Mitstreitern ab. Hier wurde bei der englischen Sprachausgabe viel Wert darauf gelegt, ihnen Leben einzuhauchen. Auch das trägt dazu bei, dass das Spiel Film-Flair bekommt. Man spürt die Vibes aus klassischen Streifen wie „The Dirty Dozen“, ohne, dass es zu aufgesetzt und peinlich wird. Anstatt den Charakteren einfach nur ein Klischee aufzudrücken, wurde dafür gesorgt, dass sie im Laufe der Handlung Facetten zeigen.
Damit man das mitkriegt, sollte man sich im Safe House immer zu Leuten dazustellen, die gerade reden, bzw. sie direkt ansprechen. Ansonsten gibt es im Haus noch ein Rätsel in mehreren Schritten zu lösen (optional) und Geld zum Ausgeben. Geld, das man in den Missionen sammelt, kann gegen Vorteile getauscht werden, wie z.B. schnelleres Zielen oder mehr Panzerplatten für die Schutzweste, um die eigenen Überlebenschancen zu steigern.
Spielzeit und Wiederspielwert
Insgesamt habe ich knapp über 8,5 Stunden an der Kampagne gespielt, mit dem Versuch, alle Rätsel und möglichen Nebenaufgaben zu lösen. Weil es keine alternativen Enden oder Storyverläufe gibt, ist die Wiederspielbarkeit eingeschränkt.
Immerhin gibt es ein paar wenige Missionen, die unterschiedliche Wege bieten, um ans Ziel zu kommen. Will man das ganze Game gesehen haben, kann man also zumindest diese noch spielen. Außerdem gibt es für jede Mission Herausforderungen, wie etwa eine bestimmte Szene nur mit Pistolen zu meistern.
Kleine Kritik
Treyarch hat sich bemüht, bei den zur Verfügung stehenden Waffen authentisch zu sein, was Großteils gelungen ist. Bei Ausrüstungsgegenständen und dem Zubehör für die Waffen war das nicht mehr der Fall. So gibt es etwa wieder moderne Selbstschusstürme, zielsuchende explodierende Wurfmesser und Visiere, die 1991 noch nicht verfügbar waren. Dazu gehört etwa ein Eotech (gab es erst 1996) und ein L85-Sturmgewehr mit ACOG – diese Kombination gab es erst ab 2007.
Während das unter „authentisch, nicht realistisch“ fällt und verkraftbar ist, ärgere ich mich viel mehr über das Ungetüm, das Call of Duty geworden ist. Das war auch schon in den vergangenen Jahren so, ist aber trotzdem immer noch nervig. Auf der Konsole (ich habe die PS5-Version getestet) kann man nicht einfach Black Ops 6 starten.
Wählt man das Icon an, kommt man in den Call-of-Duty-Launcher, der dann mal gleich neu startet wegen Updates, die einen eh nicht betreffen, weil man nicht Warzone spielen und auch nicht Zusatzpacks dafür kaufen will. Dann muss man nochmal Black Ops 6 Singleplayer anwählen und nochmal warten, bis es geladen ist, bevor man dann das Game fortsetzen, bzw. die Mission wählen kann – die dann wieder geladen wird. Warum der ganze unnötige Aufwand liebes Activision? Lasst mich doch einfach Black Ops 6 spielen, ohne mir Warzone aufdrängen zu wollen.
Fazit
Gewagt und gewonnen: Black Ops 6 zeigt, dass der Singleplayer der Call-of-Duty-Reihe nicht todgeweiht ist, trotz des Vorjahres-Debakels mit Modern Warfare III. Hier stimmt fast alles: Story, abwechslungsreiches Gameplay, ikonische Momente aus 1991 und trotzdem immer wieder die filmreife atemlose Action, die man aus Call of Duty kennt.
Vielleicht ist das, wie sich Call of Duty weiterentwickeln könnte: Modern Warfare soll sich auf die linearen Levels mit Action in Kriegs- und Special-Forces-Szenarien beschränken, während Black Ops sich das beste davon herauspickt und mit Spy-, Stealth- und Spooky-Elementen auffrischt.
Wer einfach nur geführt ballern will, wird mit Black Ops 6 vielleicht nur mäßig glücklich. Wer mutig und offen ist, zu sehen, was man aus Call of Duty noch so alles rausholen kann, ist hier aber goldrichtig. Und wer sich nicht sicher ist: Black Ops 6 ist im PC Game Pass und Game Pass Ultimate enthalten. Für 12 Euro (PC) bzw. 18 Euro (Ultimate) kann man also einen Monat Black Ops 6 spielen – das sollte genug Zeit sein, um den Singleplayer-Modus ausführlich zu genießen.