Horizon Zero Dawn im Test: So schön kann Apokalypse sein
Was passiert, wenn die Zivilisation zugrunde geht? Mit dieser Frage beschäftigen sich bereits seit Jahrzehnten Bücher, Filme und Videospiele. Doch in den vergangenen Jahren hat das Genre der „Postapokalypse“ an Popularität kräftig zugelegt - auch in Videospielen. Sei es nun die „Fallout“-Reihe, „The Last of Us“, „S.T.A.L.K.E.R.“, „Metro 2033“ oder das kommende „Days Gone“: Selten war die Nachfrage für Spiele, in denen die Menschheit am Rande der Ausrottung steht, so groß.
Was die Gründe dafür sein mögen, kann man diskutieren (oder sogar wissenschaftlich untersuchen). Doch das Ergebnis langweilt mittlerweile: Gamer werden von einer Zombie-Apokalypse zur nächsten gejagt, ein radioaktiver Unfall fällt bereits unter die Kategorie „abwechslungsreich“. Doch das ändert sich 2017 endlich. Guerilla Games, bisher vorwiegend bekannt für die Shooter-Reihe „Killzone“, liefert mit „Horizon Zero Dawn“ nicht nur frische Ideen für das Genre, sondern auch das wohl schönste Spiel, das die PlayStation 4 derzeit zu bieten hat.
Suche nach Antworten
Wer bereits von „Horizon“ gehört hat, denkt hier wohl zunächst nicht an Postapokalypse, sondern an Roboter-Dinosaurier. Doch von Anfang an: Die Welt von „Horizon“, die irgendwann weit in der Zukunft spielt, wird von Menschen, Tieren und Robotern bevölkert. Woher die Tier-ähnlichen Roboter stammen, weiß niemand. Die Menschen haben aber scheinbar nicht nur ihre Vergangenheit vergessen, sondern bei der Zivilisation wieder von vorne begonnen. So liegen die Völker offenbar irgendwo im frühen Mittelalter, machen aber von den gefundenen Technologien hin und wieder Gebrauch.
In diese Welt wird Aloy geboren, die von ihrem Stamm verstoßen wurde. Sie hat ihre Eltern nie kennengelernt, ein ebenfalls verbannter Krieger zieht sie auf. Um herauszufinden, wer ihre Eltern sind und warum sie verbannt wurde, beginnt sie von kleinauf für „The Proving“ zu trainieren. Wer diesen Wettbewerb gewinnt, darf einen Wunsch äußern, der erfüllt wird. Aloy hofft dort auf Antworten.
Gute Steuerung, vorgetäuschte Freiheit
Mit „Horizon“ wechselt Guerilla Games von der bekannten First- zur Third-Person-Perspektive. Das Ergebnis ist hervorragend: Aloy lässt sich nach dem langen, aber hilfreichen Tutorial perfekt kontrollieren. Der Spieler kann auf Knopfdruck rollen oder Hechtsprünge machen und wieselflink auf Bergen herumklettern. Die Steuerung ist ähnlich gut und präzise wie in den „Uncharted“-Titeln.
Ohnedies verlangt der Kampf in „Horizon“ viel Taktik. Der Spieler muss bereits vor dem ersten Angriff überlegen, wie er vorgehen wird. Wie „Assassin’s Creed“ verspricht „Horizon“ in den Missionen viel Freiheit bei der Wahl der Methoden - vom lautlosen Killer bis hin zum Rambo sei alles möglich. Doch im Gegensatz zu „Assassin’s Creed“ ist diese Freiheit nur vorgetäuscht. Oftmals gibt es nur einen Lösungsweg, der dem Spieler regelrecht aufgezwungen wird.
Faszinierende Welt
Der Frust darüber wird aber rasch vergessen, wenn man einen Schritt in die freie Welt von „Horizon“ setzt und diese erkundet. Dabei löst es bei mir ein ähnliches Gefühl wie „No Man’s Sky“ aus. Es bereitet unheimliche Freude, die Welt zu erkunden und neue Gegner zu entdecken. Insbesondere das Suchen nach Schwachstellen und der perfekten Taktik hat mich immer wieder für einige Stunden zu viel gefesselt. Lediglich die Städte haben mich etwas enttäuscht. Sie wirken, trotz oftmals hübscher Gestaltung, relativ leer und leblos. Meist findet man dort lediglich eine Handvoll NPCs mit Quests und den Händler.
Hacken statt zerstören
Für den Kampf ist das Werkzeug aber unerlässlich. Es verrät, welche Komponenten eines Gegners auf welche Angriffe besonders empfindlich reagieren und erlaubt das Hervorheben von bewachten Routen. So kann Aloy entspannt ihren Angriff planen und beispielsweise Fallen entlang der Route platzieren. Und auch ein Seilwerfer, mit dem Gegner am Boden fixiert werden können, erweist sich oftmals als recht praktisch.
Die taktischen Optionen wachsen mit jedem Levelaufstieg. So erhält sie dafür Fertigkeitspunkte, die man in einen Fähigkeitenbaum investieren darf. Neben verschiedenen Stealth-Kill-Attacken (Angriff von oben) kann sie so beispielsweise auch ihre „Bullet Time“-ähnliche Fähigkeit verbessern, durch die alles beim Anvisieren verlangsamt wird.
Speichern ist nur an recht großzügig verteilten Lagerfeuern möglich, die auch als Schnellreisepunkte dienen. Dafür muss allerdings ein Item verwendet werden, wodurch man es sich zwei Mal überlegt, ob man die Schnellreise-Funktion verwendet.
Grafische Schönheit
Grafisch gehört „Horizon“ neben „Uncharted 4“ zum Schönsten, was die PlayStation 4 bisher zu bieten hat. Hochauflösende Texturen, beeindruckende Landschaften mit hoher Weitsicht und geradezu kitschiges Blooming haben mich immer wieder mal dazu gebracht, die Grafik still zu bewundern. Dabei hilft auch der integrierte Foto-Modus, bei dem der Spieler Screenshots in Szene setzen kann.
Ärgerlich war jedoch, dass gelegentlich die hochauflösenden Modelle von NPCs nicht schnell genug geladen werden konnten. So sahen diese aus wie wandelnde Voodoo-Puppen - ein etwas verstörender Anblick beim ersten Mal. Sony verspricht jedoch für den Release einen Patch am ersten Tag, der die Grafikleistung deutlich verbessern soll.
Obwohl bereits die „Killzone“-Reihe sehr gut war, hat Guerilla Games mit „Horizon“ wohl sein Meisterwerk abgeliefert. Das Action-RPG ist eines der besten und schönsten Spiele, die ich je auf der PlayStation 4 spielen durfte. Die knapp 40 Stunden lange Kampagne bietet gute Unterhaltung und Abwechslung zum Zombie-Einheitsbrei im Postapokalypse-Genre.
Besonders das taktische, aber dennoch simple Kampfsystem sowie die einfache Steuerung sorgten dafür, dass man sich trotz oft wiederholender Elemente kaum mehr vom Bildschirm lösen kann. Action-RPG-Fans mit PlayStation 4 sollten daher unbedingt zugreifen - allein schon, um einmal auf einen Roboter-Dino zu klettern.