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The Division 2 im Test: Jagen und Sammeln in Perfektion

Der erste Teil von Tom Clancy’s The Division (2016) hatte die üblichen Schwächen eines Loot-Shooters. Nach der Story gab es nichts mehr zu tun und selbst die Story war banal. Die Beschwerden der Spieler dürften das schwedische Entwicklerstudio Massive Entertainment angespornt haben, frei nach dem Motto: „Hej Kompis, das können wir besser. ALLIHOPPA!“

Und ja, sie konnten es viel, viel besser. The Division 2 (PS4, Xbox One, PC) ist nicht bloß “not another Loot-Shooter”, sondern DER Loot-Shooter. Er zeigt, dass man von Beginn an ein gutes Spiel machen kann, ohne, dass man zwei Jahre lang Updates und kostenpflichtige DLCs hinterherschießen muss (looking at you Destiny 2).

Was’n Loot-Shooter?

Falls euch der Begriff Loot-Shooter bisher noch nicht so oft untergekommen ist, müsst ihr nicht euer Gaming-Wissen anzweifeln – solange gibt es ihn nämlich noch nicht. Populär wurde der Begriff, bzw. das Genre, mit Destiny 1. In einem Loot-Shooter wird geballert, mit dem Ziel, möglichst gute Ausrüstung und Waffen zu finden, um das Level des eigenen Charakters zu erhöhen. Kurz gesagt: jagen und sammeln.

Loot-Shooter haben meist noch eine leichte Rollenspiel-Komponente dabei. Der eigene Charakter steigt im Erfahrungs-Level und es werden neue Fähigkeiten freigeschaltet. Meistens gibt es auch verschiedene Klassen, die unterschiedliche Fähigkeiten haben. Neben Division 2 gehören aktuell Destiny 2 und Anthem diesem Genre an.

Was mache ich hier eigentlich?

Eine traurige Eigenschaft, die die oben genannten Loot-Shooter eint: die banale Story. Das ist auch der einzige Punkt, in dem Division 2 tatsächlich schlechter ist als Division 1. Im ersten Teil wurde der Virus erklärt und warum wir nach Manhattan gehen sollen. Zudem war die nette Vorgesetzte mit nur einem Auge zumindest wiederzuerkennen, in den Zwischensequenzen.

Bei Divison 2 werde ich mitten in einer verzweifelten Verteidigungsaktion nach Washington DC geschickt, à la „Hey, wir brauchen zwar jeden Mann/Frau hier, aber du kannst ruhig gehen. Wir packen das hier schon.“ In DC angekommen, habe ich eigentlich nur mitgekriegt, dass ich jetzt „der Sherriff“ bin. Die restlichen Charaktere und die Handlung sind so nichtssagend, dass ich nach ein paar Stunden spielen mit Freude jede Zwischensequenz übersprungen habe – ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen.

Das Wichtigste erfährt man ohnehin zu Beginn. Der Virus, der in Division 1 New York City heimgesucht hat, hat es auch nach Washington DC geschafft. Bewaffnete Gangs und ein paar gut organisierte, paramilitärische Einheiten, machen den Überlebenden zu schaffen, die versuchen, eine neue Zivilisation aufzubauen. Euer Job: Zivilisten helfen (indem man Bösewichte eliminiert), Gebiete zurückzuerobern (indem man Bösewichte eliminiert), das Kommunikationsnetz instand setzen (indem man Bösewichte eliminiert) und ähnliche Aufgaben, die das Eliminieren von Bösewichten involvieren.

Sightseeing

Klingt unglaublich monoton, ist es aber nicht. Einer der Gründe dafür ist Washington DC. Zugegeben: Ich finde die Post-Zivilisation faszinierend, genauso wie viele andere Menschen auch. Wenn sich die Natur die Städte zurückholt, wie etwa beim Spiel „The Last of Us“ oder dem Film „I Am Legend“ (der total unterbewertet ist), entsteht ein ganz spezielles Flair.

Das nutzt Division 2 auf großartige Weise aus. Während der erste Teil im Winter spielt, ist es jetzt Sommer. Die Straßenzüge sind noch vom Chaos der Virus-Krise gezeichnet. Überall liegen Trümmer und verlassene Gepäcksstücke. Am Rand sind verlassene Sanitätstationen. Häuser sind verbarrikadiert, Autos verlassen oder zerstört. Dazwischen blüht die Natur auf. Gras bricht durch den Beton, kleine Teiche haben sich gebildet. Rehe, Marder und anderes Wildgetier tummelt sich gelegentlich zwischen den Zivilisationsresten.

Dazu kommt eine unglaubliche Detailverliebtheit. Auch wenn es jetzt Sommer ist, ist der Virus, wie in New York, zur Weihnachtszeit ausgebrochen. Deshalb sieht man noch verstreute Weihnachtsdekoration, auch ein Christkindlmarkt kann besucht werden. Es wirkt alles sehr organisch und nicht, als hätte ein fauler Level-Designer mit dem Copy-Paste-Tool Deko-Objekte in die Welt gepappt. Selbst nach 40 Stunden Spielzeit hat man das Gefühl, immer wieder neue Details zu entdecken.

Ein weiteres Highlight ist das Sightseeing. Viele der touristischen Hotspots von DC sind nicht nur von außen, sondern auch innen bestaunbar. Massive Entertainment nutzt die Sehenswürdigkeiten für Szenenwechsel. So gibt es etwa Missionen in bekannten Museen. Durch die Ausstellungsbereiche schießt man sich plötzlich durch einen 60er Jahre Straßenzug oder den Dschungel von Vietnam. Dann gibt es etwa das Ingame-Gegenstück des NASA-Hauptquartiers, Theater, Einkaufszentren, Missionen die sich über mehrere Häuserdächer erstrecken und so viel mehr. Es ist vorbildlich, wieviel Mühe Massive Entertainment in die Spielewelt gesteckt und so dafür gesorgt hat, dass Division 2 alles andere als eintönig ist.

Auf die Spieler gehört

Was ist noch besser als eine faszinierende Spielewelt? Wenn der Spielentwickler auf die Spieler hört. Massive Entertainment hat so ziemlich alles bei Division 2 geändert, was beim Vorgänger nervig war. Die Drohnen-Such- und Zeitlimit-Such-Missionen sind Geschichte. Das nervige Sammeln und Suchen von drei verschiedenen Ressourcen, um die Basis aufzurüsten: gestrichen. Die Schnitzeljagden um die toten Agenten zu finden: weg.

Stattdessen gibt es zufällige Ereignisse und sinnvoll platzierte reguläre Mini-Aufträge, wie etwa das Erobern von Vorposten. Ressourcen werden zwar auch wieder gesammelt, allerdings ist das jetzt eher Nebensache. Das Freischalten von neuen Fähigkeiten funktioniert nämlich über das Spielen der Story.

Überhaupt hat man als Spieler eines Loot-Shooters überraschend viele Freiheiten. Man wird nicht zu irgendwelchen Missionen, Public Events und Sammelaufträgen gezwungen (Looking at you Anthem). Ich habe beim Spielen immer das Gefühl das zu machen, auf das ich Lust habe. Wenn es mich auf eine Tätigkeit gerade nicht gustert, lasse ich sie aus und habe dadurch keinen nennenswerten Nachteil. Das gilt auch für die „Dark Zone“ und PVP-Modi: Während Destiny 2 Spieler dazu zwingt die Versus-Modi zu spielen, um bestimmte Sachen freizuschalten, ist es in Division 2 rein optional.

Alle Mann in Deckung!

Am Basis-Gameplay wurde zwar nichts verändert, aber optimiert. Division 2 ist immer noch ein Deckungs-Shooter, was es von anderen Loot-Shootern unterscheidet. Während man bei Teil 1 in vielen Situationen noch relativ sicher war in der Deckung, ist das im Nachfolger nicht mehr der Fall. Die Feinde verwenden viel häufiger Granaten. Die Missionen sind zudem so gestaltet, dass man nicht nur den Feind umgehen, sondern der Feind auch einen selbst umgehen kann.

Und ist man nicht in Deckung, wird im Nahkampf überrumpelt oder von einem Molotov-Cocktail getroffen, ist die Energie überraschend schnell verbraucht. Zudem wurden die Offensiv-Fähigkeiten abgeschwächt. Dadurch hat man nicht mehr das Gefühl ein übermäßiger Super-Agent zu sein. Stichwort Fähigkeiten: Hier gibt es mehr Auswahl als beim Vorgänger und interessante neue Varianten. Das lädt mehr zum Experimentieren ein, bzw. zu Teamwork, indem die Fähigkeiten auf die der Mitspieler abgestimmt werden.

Zum Ärger von Fans klassischer Shooter wurde das Schadenssystem von Division 1 beibehalten. Die Feinde haben sehr viel Energie, speziell wenn es gepanzerte Gegner oder Bosse sind. Dass die Feinde nicht mit ein paar wenigen Schüssen umfallen, wie es in den meisten First-Person-Shootern üblich ist, gehört hier einfach zum Gameplay. Ich habe mich damit abgefunden. Es ist Teil des grundlegenden Gameplays von Division und gut genug ausbalanciert. Wer auf Realismus pocht, soll sich ein anderes Spiel suchen.

Zusammen ins Chaos

Im Idealfall spielt man Division 2 kooperativ. Wie die meisten Loot-Shooter ist es ein reines Online-Game. Aber wer will kann auch in Ruhe alleine spielen. Der Schwierigkeitsgrad ist so skaliert, dass man auch als einsamer Wolf die meisten Missionen schafft. Und sollte man dennoch Hilfe benötigen, kann man jederzeit nach Hilfe rufen.

In Europa ist das allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt. In Gesprächen mit US-Kollegen hat sich herausgestellt, dass diese meist innerhalb einer Minute Hilfe von anderen Spielern bekommen haben. Bei mir habe ich oft innerhalb von einer Stunde keine Hilfe bekommen. Nur wenn ich eine Hauptmission gestartet habe, hat das automatische Matchmaking relativ zügig andere Spieler in meinen Squad geholt.

In die andere Richtung war es aber nie ein Problem. Das Matchmaking kann jederzeit für mehrere Aktivitäten gestartet werden – oder man nimmt eben einen Hilferuf eines anderen Spielers an. Es dauert nur wenige Sekunden, bis ich nach Start des Matchmakings in einer Gruppe bin. Allerdings ist dabei zu beachten, dass man dann in einer Sitzung des anderen Spielers ist. Hilft man etwa dem Spieler „Joe95GeR“ bei einer Hauptmission, die man selbst noch nicht gemacht hat, muss man sie im eigenen Spielstand später nochmal machen.

Wenig überraschend, macht Division 2 am meisten Spaß, wenn die Gruppe voll ist. Bis zu vier Spieler können gleichzeitig die Welt erkunden oder Aufgaben erfüllen. Spannend dabei ist, dass der Schwierigkeitsgrad zu viert sehr viel höher ist. Dadurch kommt es schneller zu chaotischen Situationen und mehr Nervenkitzel bei Feuergefechten, als wenn man alleine spielt.

Loot, Loot, glorious Loot

Und wofür macht man das alles: Loot und noch mehr Loot. Auch hier brilliert Division 2. Die Ausrüstung sieht verschieden aus und es gibt reichlich optische Upgrades zum Freischalten. Die Waffen, auch wenn sie in derselben Kategorie sind, unterscheiden sich doch immer deutlich. Die Waffeneigenschaften für Präzision, Stabilität sowie die Feuerrate sind nicht irgendwelche Fantasiewerte, sondern wirken sich sehr stark auf den Spielstil aus.

Das Mod-System für die Waffen wurde ebenfalls überarbeitet. Es ist übersichtlicher und einfacher zu verwenden als beim Vorgänger. Und es gibt jetzt nur noch Mods, die tatsächlich Auswirkungen auf die Waffe haben und nicht so wirken, als würden sie nichts bringen. Aufgrund der verschiedenen Eigenschaften macht es durchaus Sinn, sich mehrere Loadouts, mit einer Kombination aus bestimmten Waffen und Fähigkeiten einzustellen. Denn es gibt etwa Fähigkeiten und Waffen, die für das Solospielen gut funktionieren, aber nicht geeignet sind, wenn man zu viert spielt.

Das Spiel nach dem Spiel

Wenn man als Spieler das Wort „Endgame“ hört, bedeutet das meistens nichts Gutes. Zumindest nicht bei Loot-Shootern. Destiny 2 und Anthem haben beide das typische Endgame-Problem: Ist die Story aus, gibt es zu wenig für den Spieler zu tun.

Division 2 ist anders. Ist die Story aus, scheint nahezu ein anderes Game zu beginnen. Eine neue Gegner-Fraktion kommt hinzu, die deutlich herausfordernder ist. Es werden drei Klassen freigeschaltet, mit eigenen Skill-Trees. Es ist ein Geniestreich von Massive Entertainment, dass dies erst beim Endgame passiert und nicht von Anfang so ist. So hat man plötzlich eine neue Komponente im Game, mit der man eigentlich nicht gerechnet hat.

Es kommen neue Schwierigkeitsgrade für die Hauptmission hinzu, die diese ordentlich verändern. Es gibt neue Aufgaben und Stronghold-Missionen zu meistern. Dann gibt es noch zusätzliche Challenges, zeitlich beschränkte Aufgaben, Sonderziele, die Dark Zone und natürlich reichlich Loot. Selbst wenn man das derzeitige Level-Limit erreicht, hat man immer noch Lust weiterzuspielen und seine Ausrüstung zu optimieren. Und dann ist da natürlich das Versprechen, dass Massive das Game laufend erweitern wird. Auch wird es wieder Events geben, wie schon bei Division 1, die neue Gameplay-Elemente hinzufügen.

Fazit

Was das Geheimnis einen richtig guten Loot-Shooters? Wenn man seit 40 Stunden immer dasselbe macht und sich auf die nächsten 40 Stunden freut. Und warum schreibe ich eigentlich so ein langes Review, anstatt vor der PS4 zu sitzen und Divison 2 weiterzuspielen?

Wer Division 1 mochte, wird Division 2 lieben. Und wer wütend ist, wie Anthem in den Sand gesetzt wurde, ist in meinem Squad von Division 2 jederzeit willkommen. Ich bin der Typ mit einem M60 Maschinengewehr, der hinter Hunden hinterhersprintet und sich beschwert, dass man sie nicht streicheln kann.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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