Games

"Virtual Reality wäre für die Psyche eine tolle Unterstützung"

Johanna Pirker sammelt als Informatikerin und Zukunftsforscherin Ideen, wie E-Learning in 5 bis 10 Jahren aussehen könnte. Mit ihrem Team an der TU Graz entwickelt sie unter anderem Virtual-Reality-Formate für Schulen, die das Unterrichtsmaterial auf moderne und spannende Weise vertiefen. Dafür lässt sie die Projekte vor Ort von motivierten und interessierten Schüler*innen testen, um sie zu verbessern und weiterzuentwickeln. Dann kam die Corona-Krise und die Schulen blieben zu.

„Eines unserer Hauptforschungsgebiete fiel von einem auf den anderen Tag weg. Am Anfang waren wir da alle ohnmächtig, aber ich bin eine Wissenschaftlerin und wollte in der Situation auch helfen“, beschreibt Pirker ihre Situation im Gespräch mit der futurezone. Als Forscherin, die auf E-Learning spezialisiert ist, hätte niemand so gut auf die Krise vorbereitet sein sollen wie sie, erklärt sie. Doch es hätten sich viele Probleme gezeigt, die ihr zuvor nicht bewusst waren.

Hinterherhinkende Gegenwart

Ihre Arbeit für die Zukunft des Lernens musste daher erst einmal ruhen. „Wir sind nach wie vor Zukunftsforscher, aber wir sind der Realität sehr nahegekommen. Und das war wichtig, denn wir wurden mit einer Gegenwart konfrontiert, die sogar noch einige Jahre hinterherhinkt“, erklärt sie.

Statt komplexen VR-Umgebungen, zu denen Schüler*innen aufgrund mangelnder Hardware keinen Zugang haben, wurden die Projekte so niederschwellig wie möglich umgesetzt. Häufig sei nur ein Computer für alle Kinder in der Familie verfügbar und dieses Gerät ist nicht unbedingt leistungsstark. Daher reduzierten sie ihre Projekte so weit, dass diese auch im Webbrowser aufrufbar sind. 

E-Learning - auch für Verweigerer

„Das hat uns auf den Boden gebracht. Eine Schule ist eine Umgebung, wo viele Generationen aufeinandertreffen. Als Entwickler mussten wir uns jetzt fragen, welche Bedürfnisse jene haben, die sich eigentlich nicht für diese Technologie interessieren oder sich sogar dagegen gewehrt haben“, so Pirker. Das sei aber eine positive Situation, denn die E-Learning-Tools müssen für alle Menschen leicht zugänglich werden.

Das bedeutet nicht, dass VR aus dem Alltag der Forscherin verschwunden ist. Sie arbeitet derzeit an einem Projekt, in dem das Potenzial spiele-ähnlicher Umgebungen für das Miteinander erforscht werden.

Auch Menschen ohne Affinität zu Games sollen in einem virtuellen Stadtzentrum zusammenkommen können, um etwa mit den Enkelkindern einen Spaziergang durch den – virtuellen – Park zu machen. „Mir hat es leidgetan, dass wir VR zur aktuellen Zeit noch nicht zur Verfügung haben. Es wäre fürs Lernen, fürs Arbeiten und für die Psyche eine tolle Unterstützung“, beschreibt Pirker die Technologie.

Visuelle Barrieren 

Man könne zwar Videokonferenzen machen, doch man sehe immer, dass man sich nicht am gleichen Ort befindet. „Das ist eine visuelle Barriere. Aber in einem Spiel oder in VR verbringen wir gemeinsam Zeit an einem Ort, in VR ist man mit dem ganzen Körper. Da werden noch mal ganz andere Emotionen angesprochen“, erklärt Pirker die Vorteile von virtuellen Räumen.

Die haben in den vergangenen Monaten einen neuen Stellenwert bekommen. E-Sports fand plötzlich Einzug in die konventionelle Sportberichterstattung, vor allem aus Mangel an Alternativen, während Mannschaftssport Corona-bedingt ausfiel. "Das hat dem Gaming Aufmerksamkeit und auch eine gewisse Seriosität gegeben. Gaming wird oft noch belächelt, während der Krise hat die Industrie aber zugelegt".

Mit einer Studie zeigte ihr Team erst kürzlich, dass vor allem für Spieler interessante Plattformen wie Twitch nun auch von Künstlern und Musikern genutzt werden, die derzeit keine Möglichkeit haben, zu performen. Auch Pirker selbst nutzt die Plattform, um ihre Vorlesungen zu streamen.

Millionen-Dollar-Labor für alle

Auch wenn es jetzt schwieriger ist, gibt Pirker ihre Leidenschaft für VR natürlich nicht auf. Die Intention für Projekte wie das virtuelle Physiklabor maroon schöpft sie dabei aus eigenen Erfahrungen. Während ihres Studiums am MIT sah sie deren Millionen Dolllar teures Labor, in dem Studierende im ersten Semester Experimente machen dürfen und für das Fach begeistert werden.

Das motiviert sie für ihre heutigen Projekte: „Nicht alle haben einen spannenden Physik-Unterricht mit Experimenten und einem passionierten Lehrer. Aber Unis und Schulen können sich solche komplexen Labore nicht leisten. Experimente, die zu teuer sind oder zu gefährlich sind, lassen sich aber auch in VR durchführen. So kann man sie in jeden Klassenraum und in jedes zu Hause bringen. Wenn der Eigenwille da ist, können Schüler sogar zu Hause die Sachen erforschen. Das ist die Vision meiner Arbeit“.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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