Meinung

Europa schlafwandelt durch die KI-Revolution

Mit dem Hype um ChatGPT wurde eine regelrechte Lawine in Sachen künstlicher Intelligenz losgetreten. Und obwohl die Technologie an sich nicht neu ist, werden erstmals die Ausmaße dieser technologischen Revolution auch für Durchschnittsnutzer*innen greif- und vorstellbar. Das Thema hat die öffentliche Debatte erreicht. Das stellt uns als Gesellschaft vor eine Vielzahl an Fragen - ethische wie solche den Arbeitsmarkt betreffend - und die Politik vor die Herausforderung Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine sinnvolle Nutzung nicht blockieren und gleichzeitig vor Missbrauch und Täuschung schützen.

Große Player aus den USA (Google, Microsoft, etc.) und China - laut Stanford University befinden sich dort neun der zehn besten Forschungseinrichtungen zum Thema - dominieren wieder einmal das Spielfeld. Und Europa? Hier geschieht zwar tatsächlich sehr viel Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz - doch wenig deutet darauf hin, dass diese Forschungsarbeit auch in europäische Angebote und Produkte münden wird. Genau wie es keine konkurrenzfähige Suchmaschine und kein konkurrenzfähiges Social-Media-Angebot aus Europa gibt, könnte es in Sachen KI in naher Zukunft  ähnlich aussehen.

Führende Wissenschaftler wie der KI-Pionier Sepp Hochreiter kritisieren bereits, dass in unseren Breiten eine Art Dornröschenschlaf herrscht, wenn es darum geht, bei Innovationen vorne mitzuspielen. Österreich gibt beispielsweise aktuell nur sieben Millionen Euro für KI-Forschung aus, das ist das Niveau von Uganda.

Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass in Sachen Regulierung auf EU-Ebene eine Husch-Pfusch-Aktion passieren könnte, die alles rund um KI zum Hochrisiko erklärt und Innovationen im Keim erstickt. Ohne Zweifel brauchen wir Spielregeln und Transparenz beim Einsatz der Technologie, Bürgerrechte müssen gewahrt bleiben. Im AI Act, der auf EU-Ebene ausgehandelt wird, war ChatGPT zuerst aber gar kein Thema und es scheint als würde man nun vor allem auf Gefahren und weniger auf Chancen fokussieren. Ein Verbot, wie etwa in Italien geschehen, kann jedenfalls kein Vorbild sein.

Man kann davon ausgehen, dass sich nach der ersten Welle des Hype noch Staub legen wird und wir erst dann wissen, welche Anwendungen und Auswirkungen unterm Strich übrig bleiben. Doch niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass das Thema einfach wieder verschwindet. Dass wir uns in einem massiven Umbruch befinden, steht fest. Europa, und auch Österreich, täten gut daran, sich aus dem Schlafwandeln zu befreien und Bedingungen zu schaffen, die es sowohl Unternehmen als auch der Gesellschaft ermöglichen positiv und sinnvoll mit dem technologischen Fortschritt umzugehen, daraus zu profitieren und nicht wieder neidvoll auf andere Kontinente blicken zu müssen.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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