Niemand soll sich im Internet ausweisen müssen
In der Debatte um Hass im Netz ist die Diskussion um Klarnamen ein Dauerbrenner. Doch die Forderungen nach einer Ausweispflicht im Internet sind überholt und wenig zielführend. Mittlerweile ist in diversen Studien belegt, dass Klarnamen allein noch kein Garant dafür sind, Hass und Hetze vorzubeugen. Im Gegenteil. Schon im Jahr 2016 zeigte etwa eine Untersuchung der Universität Zürich, dass unter Klarnamen sogar mehr aggressive Kommentare abgegeben wurden. Auch ein gelegentlicher Blick auf Facebook-Seiten diverser Politiker*innen bestätigt, wie unverblümt und gedankenlos dort rassistisch, sexistisch und zutiefst beleidigend unter realen Namen gepostet wird.
Gleichzeitig ist Anonymität im Netz ein hohes Gut, das es zu schützen gilt, um die freie Meinungsäußerung für alle Menschen zu wahren. Sich unter Klarnamen in sozialen Netzwerken und Zeitungsforen zu bewegen ist auch als Privileg zu sehen. Nicht jede und jeder kann sich das erlauben. Da muss man noch gar nicht von Ländern sprechen, in denen die Meinungsfreiheit grundsätzlich eingeschränkt ist.
Viele Menschen, die sich politisch engagieren, können dies oft nicht einfach so unter Angabe ihrer vollen Identität. Andere wiederum müssen Diskriminierung fürchten und für manche könnte schon der Arbeitgeber ausreichen, um in unangenehme Situationen zu geraten, weil persönliche Meinungen womöglich in der Chefetage nicht gefällig sind.
Anhand von anonymer Kommunikation, oder zumindest unter dem Auftritt eines Pseudonyms, ist für alle Menschen sichergestellt, dass sie am öffentlichen Diskurs teilnehmen können. Auch auf der Straße laufen wir nicht mit einem Namensschild auf der Stirn umher, genauso wenig auf Demonstrationen. Zur Verfolgung strafrechtlich relevanter Ergüsse stehen auch jetzt Mittel zur Verfügung. Das Internet ist also keineswegs ein rechtsfreier Raum.