Klimawende: Künstliche Intelligenz ist pessimistisch
Die Erde wird wahrscheinlich die international vereinbarte 1,5-Grad-Schwelle in etwa einem Jahrzehnt überschreiten und sich weiter erwärmen, um etwa Mitte des Jahrhunderts die nächste Erwärmungsgrenze zu durchbrechen – selbst bei starker Emissionsreduktion. So lautet zumindest die Prognose einer neuen Studie, die auf künstlicher Intelligenz basiert. Mithilfe künstlicher neuronaler Netze, die auf Klimamodellausgaben trainiert wurden, untersuchten Wissenschaftler*innen die Zeitspanne, bis der kritische Schwellenwert erreicht ist. Das Ergebnis ist pessimistischer als andere bisherige Modelle.
1,5-Grad noch realistisch?
Konkret sagt die KI voraus, dass die Erde bereits zwischen 2033 und 2035 die 1,5-Grad-Marke überschreiten werde. Das entfacht erneut eine Debatte darüber, ob es überhaupt noch möglich ist, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Aktueller wissenschaftlicher Konsens ist weitgehend, dass der Planet sich seit der vorindustriellen Zeit oder Mitte des 19. Jahrhunderts bereits jetzt um bis zu 1,2 Grad erwärmt hat.
Die Studie hält fest, dass die Welt in jedem realistischen Szenario zur Emissionsreduzierung kurz vor der 1,5-Grad-Marke stehe. Selbst bei drastischen Emissionskürzungen sieht die künstliche Intelligenz eher schwarz: Den Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsius zu halten, sei unwahrscheinlich. Hier unterscheide sich die KI laut Studienautor*innen von Klimawissenschaftler*innen, die ihre Vorhersagen bisher mit Computermodellen basierend auf bisherigen Beobachtungen machten.
Selbsterfüllende Prophezeiung
In einem Szenario mit hoher Luftverschmutzung, berechnete die KI, würde die Welt um 2050 die 2-Grad-Marke erreichen. Eine geringere Umweltverschmutzung könnte dies bis 2054 aufhalten, berechnete das maschinelle Lernen. Zum Vergleich: Der IPCC-Bericht von 2021 geht davon aus, dass dasselbe Szenario mit geringerer Umweltverschmutzung dazu führen würde, dass die Welt irgendwann in den 2090er-Jahren über 2 Grad steigen würde.
Andere Wissenschaftler*innen sind in der Debatte weiterhin überzeugt: Wenn die Welt ihre Kohlenstoffemissionen bis 2030 halbiert, dann kann die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden. Sie warnen davor, dass die Prognose der KI zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden könnte: Wenn wir nicht mehr an die Erreichbarkeit des 1,5 Grad-Ziels glauben, werden die ohnehin nicht ausreichenden Ambitionen, es zu erreichen, noch weiter sinken.
Ansporn statt Aufgeben
Am Ende besteht die Herausforderung darin, die globale Erwärmung schleunigst so weit wie möglich zu begrenzen. Dass uns dafür jedenfalls kaum mehr Zeit bleibt, halten uns die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise in immer stärkerem Ausmaß vor Augen. Pessimistische Prognosen wie jene der KI dürfen nicht zum Anlass genommen werden, die Klimaziele noch weniger ernst zu nehmen als bisher, sondern müssen Ansporn sein, die Anstrengungen drastisch zu verstärken. Aufgeben ist keine Option.