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© APA/AFP/JOSH EDELSON / JOSH EDELSON

Gastkommentar

2023 wird heiß!

2022 wüteten verheerende Waldbrände auf der ganzen Welt. 2023 wird wohl nicht besser werden.

Wären die Klima-Prognosen für das Jahr 2023 ein Horoskop in einem Lifestylemagazin für Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft, es würde sich womöglich so lesen: „Es erwartet Sie ein heißes Jahr mit stürmischen Begegnungen! Jemand wird in ihrem Leben eine zentrale Rolle einnehmen, Ihren Alltag erwärmen, Sie regelrecht ins Schwitzen und um Sie herum alles zum Schmelzen bringen. Spätestens wenn Ihnen das Wasser schließlich bis zum Hals steht, sollten Sie erkennen: Diese Beziehung zur menschgemachten Klimakrise ist toxisch. Beenden Sie sie!“

1,2 Grad wärmer

Aber Spaß beiseite, denn leider ist die Lage ernst und Klimapolitik kein Lifestylethema. Das nächste Jahr wird voraussichtlich eines der heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen sein, prognostiziert das UK Met Office. Die globalen Durchschnittstemperaturen werden voraussichtlich etwa 1,2 Grad Celsius über jenem Wert liegen, bevor der Mensch begann, den Klimawandel voranzutreiben. Wenn die Prognosen zutreffen, wird 2023 das 10te Jahr in Folge sein, in dem die globalen Durchschnittstemperaturen mindestens 1 Grad Celsius über dem Wert in vorindustriellen Zeiten liegen, gemessen als Zeitraum von 1850 bis 1900.

Das Met Office erklärt die globale Temperaturprognose mit einem erwarteten Ende einer verlängerten La Niña, einem Wetterereignis, dass häufig im Anschluss eines El-Niño Phänomens auftritt. La Niña hat einen vorübergehenden kühlenden Effekt auf die globale Durchschnittstemperatur. Für das nächste Jahr deuten Klimamodelle auf ein Ende der drei aufeinanderfolgenden Jahre La Niña hin, mit einer Rückkehr zu relativ wärmeren Bedingungen in Teilen des tropischen Pazifiks. Das Ergebnis: 2023 wird weltweit voraussichtlich wärmer sein als 2022.

Jahresrückblick

Einige Länder in Europa erlebten schon jetzt das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, vielfach erreichten die Temperaturen deutlich über 40 Grad. Die Hitze führte nicht nur zu vollkommen ausgetrockneten Flüssen und Seen oder Waldbränden mit enormen CO2-Ausstößen, sie kostete auch mehrere tausend Menschenleben allein in Europa.

Während wir Europäer*innen mit den extremen Temperaturen dieses Jahres vielleicht erstmals die Auswirkungen der hausgemachten Klimakrise vor der eigenen Haustüre bewusst wahrnahmen, sind sie in anderen Regionen der Welt bereits länger und verheerender spürbar. 2022 machte die zunehmenden humanitären Auswirkungen deutlich: Schwerer Hunger und hungerähnliche Zustände etwa in Teilen Somalias und am Horn von Afrika; historische Überschwemmungen in Pakistan; Hitzetote auf der ganzen Welt. Trotz dieser spürbaren Folgen der menschgemachten Klimakrise hat die Menschheit auch heuer wieder 40,5 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen, die Treibhausgasemissionen sind gestiegen.

Über den Zustand des Klimas

Die WMO veröffentlichte am Vorabend der – einmal mehr enttäuschenden – Klimaverhandlungen in Sharm-El Sheikh den vorläufigen Bericht über den Zustand des globalen Klimas im Jahr 2022.

Extreme Hitzewellen, Dürren und verheerende Überschwemmungen haben demnach in diesem Jahr weltweit Millionen Menschen betroffen und Milliarden gekostet. Laut Bericht sind die vergangenen 8 Jahre die 8 wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen, angetrieben von ständig steigenden Treibhausgaskonzentrationen und angesammelter Hitze.

Auswirkungen werden dramatischer

Die Auswirkungen des Klimawandels werden dabei immer dramatischer. Die Rate des Meeresspiegelanstiegs hat sich seit 1993 verdoppelt und ist auf ein neues Rekordhoch in diesem Jahr gestiegen. Allein die vergangenen 2,5 Jahre sind für 10 Prozent des gesamten Meeresspiegelanstiegs seit Beginn der Satellitenmessungen vor fast 30 Jahren verantwortlich.

Das Jahr 2022 forderte einen außergewöhnlich hohen Tribut von den Gletschern in den europäischen Alpen, mit ersten Anzeichen einer rekordverdächtigen Schmelze. Der grönländische Eisschild verlor im 26. Jahr in Folge an Masse, und im September fiel dort zum ersten Mal Regen statt Schnee. Die Meereswärme erreichte schon im Vorjahr ein Rekordniveau, wobei die Erwärmungsrate in den vergangenen 20 Jahren besonders hoch war. Die Bewertung der Meereswärme 2022 steht noch aus, aber die Anzeichen sprechen leider nicht für eine Trendumkehr.

Jahreswechsel bei bis zu 19 Grad

Die Bilanz des Jahres 2022 und der Ausblick auf das nächste Jahr muss ein Weckruf sein. Spätestens wenn ein Schigebiet in Niederösterreich zu Silvester die Sommerrodelbahn öffnet, sollten die Alarmglocken schrillen. Angesichts der drastischen, immer schneller an Fahrt aufnehmenden ökologischen Auswirkungen der Klimakrise und den damit einhergehenden steigenden humanitären Krisen können wir uns Stillstand und beruhigungstaktische Kosmetikmaßnahmen schlichtweg nicht mehr erlauben.

2023 muss das Jahr der großen Schritte im Kampf gegen die Klimakrise sein. Das sollte der Neujahrsvorsatz unserer Entscheidungsträger*innen sein, wenn sie zum Jahreswechsel bei Tagestemperaturen bis zu 19 Grad Celsius die Sektkorken knallen lassen und um Mitternacht bei lauen 5-10 Grad ins neue Jahr tanzen.

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Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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