FILE PHOTO: Pump jacks operate in front of a drilling rig in an oil field in Midland
© REUTERS / Nick Oxford

Gastkommentar

Wie Big Oil mit Big Tech Klima-Desinformation streut

Die Klimabotschaften der Fossilindustrie mögen sich an das neue Jahrhundert angepasst haben, aber ihr Ziel ist das gleiche wie seit Jahrzehnten: Die Klimawende hinauszuzögern und dadurch die eigenen Gewinne so lange wie möglich zu schützen.

Die Climate Action Against Desinformation (CAAD), ein Zusammenschluss von über 50 weltweiten Klima- und Anti-Desinformationsorganisationen, veröffentlichte kürzlich ihren Bericht über gezielte Klima-Desinformation im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh (COP27). 18 Organisationen analysierten über 850 Werbetreibende, die zwischen dem 1. September und dem 23. November 2022 auf Social Media Werbung geschaltet haben. Dabei spürten sie zahlreiche Falschinformationen und irreführende Narrative auf.

Trending: #ClimateScam

Eine Stichprobe ergab, dass Unternehmen, die mit der Branche für fossile Brennstoffe verbunden sind, während der COP27 für die Verbreitung irreführender Behauptungen über die Klimakrise, Netto-Null-Ziele und die Notwendigkeit des fossilen Ausstiegs etwa 4 Millionen US-Dollar in bezahlte Werbung auf Facebook und Instagram investierten. Konkret konnten 3781 Anzeigen identifiziert werden, die meisten davon wurden von „Energy Citizens“ geschaltet, einer PR-Gruppe des American Petroleum Institute. Die US-amerikanische Kunststoffindustrie gab über 1 Million Dollar aus.

Auf Twitter trendete seit Juli 2022 der Hashtag #ClimateScam in einer laut Studienautor*innen „überraschenden“ Weise und erreichte bis Dezember 362.000 Erwähnungen. Die Anlayst*innen stellten auch eine sprunghafte Zunahme von Inhalten fest, die offen die Klimakrise beziehungsweise den Anteil von fossilen Brennstoffen daran leugneten.

Mit verschiedenen Narrativen wurden gezielt Zweifel an der Zuverlässigkeit grüner Technologien gestreut, bis hin zu Bedrohungsszenarien nationaler Sicherheit und Versorgungskatastrophen, welche der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen angeblich mit sich bringe. Nach den Metriken der CAAD ist Elon Musk’s Twitter unter den großen Plattformen die am wenigsten transparente.

Öl-Manager leitet Klimakonferenz

Der Bericht erscheint wenige Tage, nachdem bekannt wurde, dass mit Sultan al-Dschabir als neuem Präsidenten der COP28 ein Ölkonzern-Chef die nächste UN-Klimakonferenz leiten wird. Nachdem die COP27 in Ägypten eine rekordverdächtige Teilnahme von Fossil-Lobbyist*innen verzeichnete, kommt diese Entscheidung zwar nicht sehr überraschend, ist jedoch nicht minder skandalös. Diese Entwicklungen lassen erwarten, dass mit einer noch größeren Verbreitung von gezielter Desinformation bei der nächsten Klimakonferenz und anderen entscheidenden klimapolitischen Momenten zu rechnen ist.

Das CAAD fordert daher in seinem Bericht die Regierungen, das IPCC und Big-Tech-Firmen auf, die reale Bedrohung durch Klimadesinformation anzuerkennen und umgehend dagegen vorzugehen. Konkret schlagen sie vor, Transparenz und Datenzugang zu verbessern, Desinformationstrends zu quantifizieren, der irreführenden Propaganda für fossile Brennstoffe in bezahlten Werbungen auf Social Media Einhalt zu gebieten und eine standardisierte und umfassende Definition von Klimadesinformation zu verabschieden.

Neue Technologien, alte Strategien

Eine andere Studie bekräftigt zur gleichen Zeit, dass Exxon, einer der größten Ölkonzerne der Welt, bereits in den 1970er Jahren mit sehr präzisen Prognosen den eigenen Beitrag zur Klimakrise vorhersagen konnte, während sie zugleich schamlos jahrzehntelang den Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung und fossilen Brennstoffen geleugnet und eine nachhaltige Wende mit allen Mitteln gezielt blockiert haben.

Die Desinformation gegen wirksamen Klimaschutz, auf die Big Oil schon seit den 70ern setzt, ist nicht verschwunden. Im Gegenteil: Sie hat mit Big Tech nun mächtige Verbündete bekommen - zumindest solange die ihnen unregulierte Plattformen bietet. Die Klimabotschaften der Fossilindustrie mögen sich an das neue Jahrhundert angepasst haben, aber ihr Ziel ist das gleiche wie seit Jahrzehnten: Die Klimawende hinauszuzögern und dadurch die eigenen Gewinne so lange wie möglich zu schützen. Politik und Social Media-Konzerne sollten darauf rasch eine wirksame Antwort liefern.

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Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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