Wissenschaftlicher Blödsinn
Sie müssen das jetzt einfach glauben: Belebtes Quantenwasser hilft gegen Krebs. In Bielefeld lebt eine Frau, die mit der Wünschelrute Blutdruck messen kann. Und in Australien hat jemand eine Maschine gebaut, die aus dem Nichts Energie erzeugt. Ganz ehrlich, das stimmt, das steht so im Internet.
Manchmal fliegen einem solche Unsinnsbehauptungen um die Ohren bis das Kronenchakra wackelt, wenn man als wissenschaftlich denkender Mensch versehentlich zwischen erbitterte Esoteriker geraten ist. Dann atmet man erst mal tief durch und fragt: Gibt es dazu wissenschaftliche Studien? Wurde das in einem anerkannten Fachjournal publiziert?
Beweise, bitte!
Es genügt nicht, wenn Tante Erna überzeugt ist, dass ihr Hausmittel wirkt, oder wenn ein Hobbybastler fest verspricht, dass er die Naturgesetze gebrochen hat. Die Behauptung muss in einem passenden Experiment sorgfältig getestet werden. Die Ergebnisse reicht man bei einem wissenschaftlichen Journal ein, das die Arbeit von Fachkollegen prüfen lässt. Eine These, die an diesen Anforderungen scheitert, hat es nicht verdient, wissenschaftlich ernst genommen zu werden.
Das Problem dabei ist nur: Der Umkehrschluss gilt nicht. Nur weil jemand die akademischen Regeln einhält, ein paar prüfende Fachkollegen überzeugt und in einem wissenschaftlichen Magazin publizieren darf, hat er noch lange nicht Recht.
Leider gibt es unzählige wissenschaftliche Arbeiten, die falsch liegen. 2010 wurden Indizien dafür veröffentlicht, dass Menschen in die Zukunft blicken können. Bestätigt wurde das nicht. 2015 wurden psychologische Studien aus angesehenen Fachjournalen ausgewählt und wiederholt, in vielen Fällen konnte man die ursprünglichen Ergebnisse nicht reproduzieren. Es gibt einzelne Studien, die für eine Wirksamkeit der Homöopathie sprechen – aber es gibt deutlich verlässlichere Studien, die das Gegenteil behaupten.
Eine Studie ist noch kein Gesamtbefund
In manchen Fachbereichen gibt es ein großes Reservoir an schlechten Studien, aus denen man sich nach Lust und Laune bedienen kann um unterschiedlichste Meinungen zu belegen. Wenn jemand stolz verkündet „das habe ich aus einer Studie!“, dann heißt das noch lange nicht, dass in dieser Studie auch die Wahrheit steht.
Doch all das bedeutet keinesfalls, dass man der Wissenschaft insgesamt nicht glauben darf. Wir müssen nur unterscheiden zwischen dem verlässlichen, gut abgesicherten Kern der Wissenschaft, und neuen, noch ungeprüften Thesen. Verlässlich werden Ergebnisse erst im Lauf der Zeit, wenn ein ganzes Geflecht an Ergebnissen entsteht, die sich zusammenfügen und einander stützen. Wissenschaftliche Einzelergebnisse sind wackelig – ein wissenschaftlicher Konsens hingegen ist das Verlässlichste, was es gibt.
Dass die Erde ungefähr kugelförmig ist, wissen wir nicht bloß aus einer einzelnen NASA-Publikation, sondern alles, was wir über unseren Planeten wissen, passt zu dieser Annahme. Dass Impfungen Leben retten, ist nicht bloß das Ergebnis irgendeiner zweitklassigen Diplomarbeit, sondern ein verlässliches Faktum, gestützt auf unzählige Beobachtungen.
Mit wissenschaftlichen Theorien ist es wie mit Bäumen: Wir sollten uns nicht wundern, wenn sie am Anfang noch nicht besonders tragfähig sind. Aber mit den Jahren werden sie größer und belastbarer. Dann können wir an ihnen nach oben klettern und in die Ferne blicken.
Zur Person
Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.