Meinung

Zocken fürs Klima?

Die Vereinten Nationen versuchen seit einigen Jahren durch die Zusammenarbeit mit der Spieleindustrie ein breiteres Publikum für Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen. Das geht von Videospielen zum Thema Klima und Umwelt bis hin zu Sonderfunktionen, Pop-ups und Baumpflanzungen in der wirklichen Welt, die auch in beliebte Klassiker wie PAC-MAN oder Minecraft eingebettet sind.

Ingame abstimmen für Klimaschutzmaßnahmen

So ging das UN-Entwicklungsprogramm Anfang 2020 mit einem eigenen mobilen Spiel namens „Mission 1.5“ online. Auf spielerische Weise klärt das Spiel über die Klimakrise auf und fordert die Nutzer*innen heraus, die richtigen Entscheidungen zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad zu treffen. Die wichtigste Funktion dabei ist jedoch, dass die Spieler*innen nicht nur auf individueller Ebene informiert und aktiviert werden, sondern über das Game gleichzeitig mit Regierungen über Lösungen kommunizieren können.

Das Spiel fordert die User*innen auf, darüber abzustimmen, welche Strategien ihrer Meinung nach erfolgreicher wären, um die Krise zu bewältigen. Diese Antworten wurden zur Quelle für die „People's Climate Vote“, die größte je durchgeführte Umfrage über die öffentliche Meinung zur Klimakrise. Diese Informationen wurden im vergangenen Jahr mit Parlamentarier*innen auf der ganzen Welt geteilt und bei großen internationalen Treffen wie dem G20-Gipfel und der UN-Klimakonferenz COP26 und diskutiert. Die Ergebnisse flossen auch in die jüngste Berichtsserie des Weltklimarats (IPCC) ein. 2022 soll eine Reihe neuer Fragen in Mission 1.5 aufgenommen werden.

Allianz „Playing for the Planet“

Die „Playing for the Planet Alliance“ wurde während des UN-Klimagipfels 2019 ins Leben gerufen. Seitdem beteiligen sich über 40 Studios, darunter große Namen der Spielebranche wie Microsoft, Sony und Ubisoft. Playing for the Planet veranstaltet auch einen jährlichen „Green Game Jam“. Dabei integrieren die Unternehmen grüne Aktivierungen in ihre beliebten Spiele, nehmen umweltbezogene Funktionen und Botschaften zur Aufklärung über die Klimakrise auf und laden die User*innen ein, zu spenden oder an UN-Erhaltungs- und Restaurierungskampagnen teilzunehmen.

Studios mit einer Gesamtreichweite von einer Milliarde Spieler*innen nahmen am Jam 2021 teil und konnten laut Angaben der Vereinten Nationen 130 Millionen Spieler auf der ganzen Welt mit etwa 60.000 unterzeichneten Zusagen für die UN-Kampagnen und Spenden in Höhe von 800.000 US-Dollar an verschiedene Umweltschutzorganisationen gewinnen. PAC-MAN-Spieler*innen konnten einen „Abenteuermodus“ zum Thema Wald spielen und wurden für den Abschluss mit einer besonderen Skin belohnt, Minecraft fügte den Spielerkarten einen zusätzlichen Plan zum Thema „Radikales Recycling“ hinzu, Angry Birds-Fans konnten ein spezielles Mariner Hat Set für die Teilnahme an einem Sea Adventure sammeln. Der Green Jam 2022 läuft seit April, unter anderem mit Elektro-Autos in beliebten Rennspielen.

Der Stromhunger der Gamingbranche

Die Videospielbranche ist wahrscheinlich das stärkste Medium der Welt in Bezug auf Reichweite und Engagement und es macht Sinn, die bestehende Aufmerksamkeit der User*innen im Kampf gegen die Klimakrise zu nutzen. Zugleich geht mit der Herstellung und Nutzung von Videospielen ein enormer Ressourcen- und Stromverbrauch einher.

Dass hier noch eindeutig zu wenig passiert, sieht man daran, dass die neuen Konsolengenerationen (PlayStation 5, Xbox Series X) nicht weniger Strom fressen als die Vorgängerversionen, wie klimaaktiv.at mit einer angenommenen Spieldauer von 2 Stunden am Tag vorrechnet. Auch neue Games werden weiterhin rechner- und damit energieintensiv entwickelt. Elden Ring hat laut Guardian in den ersten 6 Verkaufswochen zwischen 385 Gigawattstunden (GWh) und 770 GWh Strom verbraucht, und das nur auf der PC-Version. Zum Vergleich: Hornsea One, der größte Offshore-Windpark der Welt, kann im gleichen Zeitraum 1.200 GWh Strom erzeugen – vorausgesetzt, der Wind weht die ganze Zeit über günstig.

Nicht verzocken

Wenn die Branche also nicht zugleich ernsthaft daran arbeitet, den eigenen CO2-Fußabdruck drastisch zu verringern, bleibt jeder gepflanzte Baum und gespendete Dollar bloß ein verlogenes Feigenblättchen. Angesichts der realen Auswirkungen der Klimakrise ist aber klar: Wir haben unsere Zukunft schon jetzt beinahe verzockt. Lange können wir uns nicht mehr spielen.

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Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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