Netzpolitik

Ist Bargeld wirklich anonym? So funktioniert Geldschein-Tracking

Nur Bares ist Wahres – dieses Motto gilt hierzulande mehr als in anderen Ländern. Österreich liegt nach wie vor an Europas Spitze, wenn es um das Zahlen mit Bargeld geht. Ein Grund, der häufig für diese Bargeldtreue angeführt wird, ist, dass es als sicherer und anonymer gilt als Zahlvorgänge per Karte oder via Smartphone-Dienst.

Die Spur des Geldes verliert sich nach dem Abheben am Bankomaten, denken viele: Schließlich sieht die Bank dann nicht, wie viele Flaschen Wein man davon im Supermarkt kauft oder in zwielichtigen Nachtlokalen ausgibt. Dass dieser Anonymitätsglaube täuscht, illustriert ein aktueller Bericht von netzpolitik.org. Demnach ist jeder einzelne Geldschein mit einer ausgeklügelten Tracking-Technologie ausgestattet, die bei jedem Mal Scannen seinen Standort aufzeichnet.

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Verräterische Seriennummer

Jeder Geldschein hat nämlich im rechten oberen Eck eine Seriennummer, die im Laufe der vielen Jahre, die ein Geldschein im Wirtschaftskreislauf zirkuliert, immer wieder erfasst wird.

Etwa, wenn man die Banknote in einen Zigaretten- oder Parkautomaten steckt oder in den Geldzähl- und Sortiermaschinen von Geschäften und Geldtransportunternehmen. Laut netzpolitik.org können alle Geräte mit modernen Banknotenverarbeitungs-Modulen Seriennummern registrieren.

Polizei spürt damit Kriminelle auf

Weil die Seriennummer eines Geldscheins so oft registriert wird, kann man dessen Reise genau zurückverfolgen. Das nutzen Strafverfolgungsbehörden für Ermittlungen, etwa bei Entführungen, Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung.

Es gibt auch Bestrebungen, alle Bargelddaten zusammenzuführen und zu speichern. Besonders innovative Technologien im Bereich der Bargeldverfolgung versprechen, dass Banken und Geldtransportunternehmen sogar automatisch nach Geldseriennummern suchen können, die im Zusammenhang mit Kriminalität stehen. Es gibt sogar eine Software, die Alarm schlägt, wenn ein auf einer kriminellen Liste geführter Schein irgendwo gescannt wird.

Weltweite Praxis

In Ländern wie China und den USA trackt man Bargeld schon detailliert. In China wird etwa jede Seriennummer direkt dem Konto der Person zugeordnet, die sie vom Bankomaten holt – teilweise zusammen mit einem Gesichtsscan durch die Kamera im Bankomaten.

In den USA werden teilweise Fotos und Seriennummern von Geldscheinen in einer Spezialdatenbank gesammelt. Damit hat man etwa bereits einen Drogengroßhändler aufspüren können, indem die Polizei Geld von dessen Kunden trackte.

Auch die deutsche Polizei hat eine Bargeld-Datenbank, in der einzelne „belastete“ Geldscheine mit bestimmten Personen verknüpft werden. Sogar eine europaweite Suche ist möglich. Vielleicht hat man so eine Banknote sogar gerade im Börserl stecken.

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Start-up verfolgt Geldscheine für Behörden

Neu sind diese Sachverhalte grundsätzlich nicht. Netzpolitik.org hat aber herausgefunden, dass eine Firma namens Elephant & Castle IP GmbH nun eine automatisierte Tracking-Technologie für Behörden anbietet. Elephant & Castle IP bekommt Banknoten-Seriennummern mit Ort- und Zeitstempeln von deutschen Geldtransportunternehmen. „Unsere Technologie ermöglicht es, auf Knopfdruck die Historie von Banknoten nachzuvollziehen“, so der Geschäftsführer Gerrit Strehle.

„Wir nutzen die Datenanalyse, um ein tiefes Verständnis für die Bewegungen von Bargeld zu entwickeln und Zahlungsströme zu identifizieren, die potenziell verdächtige Muster aufweisen. Wir ,lauschen’ quasi dem Bargeld“, sagte Strehle. Diese Erkenntnisse verkauft die Firma deutschen Strafverfolgungsbehörden.

Aktivisten sind alarmiert

Datenschützer warnen schon seit längerem, dass ein solches Vorhaben zu einer Art Massenüberwachung führen könnte. Sie sehen die Privatsphäre der Menschen durch das zunehmende Bargeldtracking via Seriennummern in Gefahr. Die flächendeckende Überwachung würde tiefe Einblicke in das Privatleben von Menschen ermöglichen, sogar Details wie das bevozugte Essen oder Süchte ließen sich daraus ablesen.

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