Netzpolitik

Neues Parlament: Gesichter von Abgeordneten werden gescannt

Wenn das neue Parlament kommende Woche eröffnet wird, gibt es auch ein neues Sicherheitskonzept für das Betreten des Gebäudes für dauerzutrittsberechtige Personen wie parlamentarische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Abgeordnete. Für den Zutritt zum Parlament über den Haupteingang wurde ein eigenes „Fast-Lane“-Konzept entwickelt. Dieses besteht aus einer Sicherheitsschleuse, die mit Sensoren und einer biometrischen Lösung ausgestattet wurde. Das bestätigt die Parlamentdirektion der futurezone.

Gesichtserkennung statt Kartenscan

Zum Einsatz kommt dabei ein neues Gesichtserkennungssystem, das Dauerberechtigte für den schnelleren Durchgang auf freiwilliger Basis benutzen können. „Für alle, die das nicht möchten, ist weiterhin der Zutritt mit Karte möglich“, heißt es seitens des Parlaments. Parlamentarierinnen und Parlamentarier können damit durch die „Fast-Lane“-Sicherheitsschleuse gehen, ohne stehen bleiben zu müssen. Sie müssen dabei lediglich zum Terminal, das wie ein kleines iPad aussieht, blicken.

„Damit schaffen wir den doppelten Personendurchsatz, was vor allem zu Stoßzeiten in der Früh und Mittagspause interessant ist“, erklärt Thomas Tauscher von der Sicherheitstechnik im Parlament gegenüber der futurezone. Damit das funktioniert, muss das System jedoch zuerst „trainiert“ werden. „Man sieht in die Kamera des Terminals, dreht seinen Kopf nach links und rechts, wie beim Einrichten von Gesichtserkennung am Smartphone“, erklärt Tauscher. Im Anschluss wird das Profil mit dem Kartenverwaltungssystem und der jeweiligen Zutrittskarte verknüpft und man wird freigeschaltet. „Ab da kann man im normalen Gehtempo durchgehen“, so Tauscher.

Zusätzlich gibt es in der Sicherheitsschleuse noch Sensoren an der Decke, die kontrollieren, ob wirklich nur eine Person drinnen steht. So kann verhindert werden, dass sich heimlich jemand mit hineinschleicht.  Laut Tauscher soll das System zur Eröffnung des neuen Parlaments offiziell zur Verfügung stehen. Derzeit würden noch die letzten Parametrierungsarbeiten laufen, heißt es.

So sieht der neue Gesichtserkennungsscanner im Parlament aus, der in der Sicherheitsschleuse beim Eingang angebracht ist 

Handvenen als Zusatz-Absicherung

An den vier Seiteneingängen des Parlaments wird der Zutritt zudem künftig nur noch mittels Zutrittskarte und Handvenenscanner möglich sein. An diesen Eingängen wird es künftig kein Personal mehr geben, das den Zutritt kontrolliert. Beim Handvenenscan muss man einfach seine Hand vor das Gerät halten, der Zugriff funktioniert kontaktlos. “Für den Probebetrieb wurden Freiwillige rekrutiert, dabei hat das System reibungslos funktioniert“, heißt es seitens der Parlamentsdirektion. Wer dies nicht möchte, muss alternativ den Haupteingang benutzen. 

„Die Technik ist an und für sich nichts Außergewöhnliches“, erklärt Tauscher. Bei den eingesetzten Geräten handelt es sich um ein ausgereiftes „Standardprodukt“. Den Hersteller möchte man aus Sicherheitsgründen jedoch nicht nennen, ebenso wenig wie die anfallenden Kosten im Detail. Das neue Gesichtserkennungssystem des Parlaments sei außerdem im Jahr 2021 in einem Probebetrieb getestet worden, heißt es. Es sei dabei auf „hohe Akzeptanz“ gestoßen und habe sogar mit Maske funktioniert, so Tauscher. 

Probebetrieb teilweise mit Fehlern

Aus Kreisen von Parlamentariern war jedoch zu vernehmen, dass es anfängliche Probleme gab. Etwa, dass Männer, die sich ihren Bart abrasiert hatten, plötzlich nicht mehr erkannt worden sein sollen, oder aber wenn Haare einmal offen und einmal geschlossen getragen wurden. „Das sollte natürlich nicht passieren“, so Tauscher. Die Rückmeldungen seien "ausschließlich positiv" gewesen. Beim Test war die Fehlerquote des Systems nicht erfasst worden. Das sei jetzt aber im Echtzeitbetrieb geplant, heißt es.

Die generell meist hohe Fehlerquote von Gesichtserkennungssystemen ist immer wieder Thema. Da viele Gesichtserkennungsdatenbanken hauptsächlich mit Bildern von weißen Menschen trainiert worden sind, funktionieren sie bei Menschen mit anderen Hautfarben (People of Color) oft schlechter und machen mehr Fehler.

"Biometrische Daten sind besonders schützenswert, da sie personenbezogen, einzigartig und unabänderbar sind. Eingangskontrollen mit solch heiklen Daten schneller zu machen, tauscht Sicherheit gegen eine angebliche Vereinfachung und denkt mögliche Folgen nicht mit."

epicenter.works

Daten werden nur lokal gespeichert

Die Verwendung von biometrischen Daten zur Zugangskontrolle birgt außerdem noch ein Risiko: Werden die Daten gestohlen oder missbraucht, können sie nicht einfach verändert werden, denn Gesichter und Handvenen sind einzigartig. Immer wieder gab es Fälle, bei denen Datenbanken mit biometrischen Merkmalen gestohlen wurden, wie etwa die Fingerabdrücke und Iris-Scans von 130 Millionen Indern (im Jahr 2017), sowie die Fingerabdrücke von fünf Millionen Regierungsmitarbeiterinnen und Regierungsmitarbeitern in den USA (im Jahr 2015).

Die futurezone hat also nachgefragt, wo die mit den Zutrittskarten verknüpften biometrischen Daten gespeichert werden. „Diese werden in unserem eigenen, gesicherten Rechenzentrum lokal vor Ort aufbewahrt. Die Daten verlassen aus Sicherheitsgründen das Haus nicht, es gibt auch keine Cloud-Verbindung oder sonstige Verbindung nach außen“, erklärt Tauscher. Will man die sensiblen Daten der Parlamentsmitarbeiter entwenden, müsste man in den gesicherten Bereich eindringen sowie die Verschlüsselung des Rechners knacken. Das neue System sei außerdem von der parlamentarischen Datenschutzbeauftragten abgesegnet worden. 

Freiwilligkeit wird mehrfach betont

"Biometrische Daten sind besonders schützenswert, da sie personenbezogen, einzigartig und unabänderbar sind. Eingangskontrollen mit solch heiklen Daten schneller zu machen, tauscht Sicherheit gegen eine angebliche Vereinfachung und denkt mögliche Folgen nicht mit. Aufgrund des Risikos durch biometrische Identifikation ist jedenfalls zu begrüßen, dass diese zumindest am Haupteingang freiwillig sein wird", kritisiert die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works auf futurezone-Anfrage.

Es ist außerdem nicht das erste Mal, dass Gesichtserkennung im Parlament zum Einsatz kommt. An den Seiteneingängen war bereits einmal ein ähnliches System installiert, doch dieses stieß auf keine "hohe Akzeptanz" und sei nicht vergleichbar mit der geplanten "Fast-Lane". Die Parlamentsdirektion betonte mehrfach, dass "gegen Vorlage eines Ausweises beim Sicherheitspersonal" ein Zutritt zum Gebäude ebenfalls möglich sei. "Von Personen die das System nicht nutzen, werden keine Daten erhoben oder gelesen", fügt man hinzu.

Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier scheinen die neuen Maßnahmen weitgehend zu begrüßen

Das sagen die Parlamentsparteien dazu

Doch was halten eigentlich die Parlamentsparteien selbst vom neuen Sicherheitssystem des Parlaments? Der ÖVP Parlamentsklub verwies auf die Parlamentsdirektion und wollte keine Stellungnahme abgeben. Süleyman Zorba, Netzpolitik-Sprecher der Grünen, hebt die „Erleichterung des Zutritts für Abgeordnete und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ positiv hervor. „Sie ersparen sich das Hervorkramen der Zutrittskarte.“ Betont wird auch, dass keine fremden Personen gescannt werden, sondern lediglich „ohnehin bekannte, hausinterne Personen“.

„Jeder soll es so halten, wie er möchte. Aber im Supermarkt oder an der Tankstelle werde ich auch gefilmt“, erklärte ein Pressesprecher der FPÖ auf futurezone-Anfrage. „Die Abgeordneten haben ein freies Mandat, ob sie diese freiwillige Möglichkeit nutzen, liegt ganz in ihrem Ermessen“, heißt es seitens eines Pressesprechers der SPÖ.

Die NEOS stehen dem neuen System sehr positiv gegenüber, vor allem, weil das System auf Freiwilligkeit beruht und keiner zur „Fast-Lane“ gezwungen wird. „Generell begrüßen wir jede Anstrengung und Initiative, die darauf abzielt, den Parlamentsalltag zu verbessern und die Digitalisierung im Hohen Haus weiter voranzutreiben“, heißt es seitens der NEOS.Anders sehen wir NEOS die Einführung von Massenüberwachung im öffentlichen Raum, ohne dass den Menschen dabei eine Wahl bleibt. Diesen Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung lehnen wir entschieden ab.“ Ob die Zeitersparnis am Ende wirklich so groß sein wird, wie man sich seitens des Parlaments erhofft, „werde man sehen“.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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