Netzpolitik

Urheberrecht: EU-Parlamentarier stimmen für Upload-Filter und Leistungsschutzrecht

Das EU-Parlament hat am Mittwoch den umstrittenen „Artikel 13“, der Upload-Filter vorsieht,  mehrheitlich beschlossen. Online-Plattformen, auf denen sich nutzergenerierte Inhalte finden, sollen demnach „effiziente und proportionale Maßnahmen ergreifen“, um mögliche Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Es soll lediglich Ausnahmen für Kleinunternehmen geben, filtern müssen nur Plattformen, die „große Mengen“ an nutzergenerierten Inhalten veröffentlichen und die diese auch bewerben.

Der Vorschlag dazu kam von Axel (CDU), der am Dienstagabend in Straßburg noch dafür mit den Worten warb: „Ich finde, wir sollten anfangen, uns auf die Seite der Künstler zu stellen.“

Nur das Wording leicht verändert

Voss hatte, nachdem sein Vorschlag im Juli keine Mehrheit fand, nochmal an Formulierungen gefeilt und einen Kompromiss vorgelegt. Er betonte, dass sein aktueller Vorschlag auf die breite Einführung von Upload-Filtern verzichten würde. Nur Plattformen, die Inhalte bewerben, sollten demnach künftig von dem umstrittenen Artikel 13 betroffen sein. Für die EU-Abgeordnete Julia Reda, ist dies allerdings eine Farce: "Upload-Filter mit Ausnahmen für einige wenige bleiben Upload-Filter."

Angesichts der Fülle an Material, die Nutzer heutzutage im Internet hochladen, läuft diese Regelung auf eine breite automatisierte Kontrolle von nutzergenerierten Inhalten hinaus. Upload-Filter sollen Bilder, Videos und Musik scannen, bevor sie online publiziert werden.

Auch das umstrittene Leistungsschutzrecht fand eine Mehrheit im EU-Parlament. Die Linksteuer sieht vor, dass Aggregatoren wie etwa Google News sogenannte Snippets, beispielsweise Titel und Anreißer, nicht mehr kostenlos anzeigen dürfen. Der Änderungsantrag von Voss erlaubt nun, dass "einzelne Wörter" von der Regelung nicht betroffen sind und zitiert werden dürfen.

Trilogverhandlungen

Der Weg zu einem neuen EU-Urheberrechtsgesetz ist damit allerdings noch nicht zu Ende. Mit der Entscheidung des EU-Parlaments werden dann die Trilogverhandlungen mit Ministerrat und Kommission beginnen. Das finale Verhandlungsergebnis muss dann noch einmal vom Parlament bestätigt werden.

Erste Reaktionen

Beide Punkte, sowohl Upload-Filter als auch die sogenannte "Linksteuer", waren im Vorfeld stark kritisiert worden. Vor Upload-Filtern und dem Leistungsschutzrecht warnten zahlreiche europäische und internationale Bürgerrechtsorganisationen, die dadurch das freie Internet in Gefahr sehen, und zuletzt auch Wikipedia. Auch der WWW-Erfinder Tim Berners-Lee setzte sich für eine Ablehnung einer derartigen Regelung ein, weil sie das gesamte Netz komplett verändern würde.

"Grundlagen des Internets zerstören"

"Aus Sicht der Grundrechts-Organisation epicenter.works ist das Resultat ist eine Katastrophe", so die erste Reaktion der österreichischen Datenschutz-NGO, die sich im Vorfeld gegen Upload-Filter stark gemacht hat. Aus der Sicht der Organisation sei es sehr wohl möglich, einerseits eine angemessene Entlohnung für künstlerische Arbeit sicherstellen, andererseits das Internet als offene Plattform zu erhalten und damit mit den Grund- und Menschenrechten vereinbar zu lassen.

"Das ist mit dem heutigen Abstimmungsergebnis misslungen", so Thomas Lohninger, Geschäftsführer der NGO. "Es ist beschämend, wie Politikerinnen und Politiker, die dauernd über Digitalisierung reden, gleichzeitig die Grundlagen des Internets zerstören. Uploadfilter und Leistungsschutzrecht sind nicht nur Angriffe auf die Meinungsfreiheit, sie erschweren auch die Situation für junge Unternehmen der europäischen Digitalwirtschaft", betont Thomas Lohninger von epicenter.works.

„Das Urheberrecht muss an die modernen Ansprüche der digitalen Welt angepasst werden. Das Ergebnis der heutigen Abstimmung richtet sich jedoch nach veralteten Strukturen und bremst somit den digitalen Fortschritt“, kritisiert Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA. Durch die Annahme des Vorschlags von Berichterstatter Voss sieht die ISPA erhebliche Wettbewerbsnachteile für den Innovationsstandort Europa und letztlich für alle Userinnen und User. Auch wenn das Wort Upload-Filter aus dem Entwurf gestrichen wurde, wird es dennoch auf diese hinauslaufen. Filter können aber nicht entscheiden, ob ein Werk zitiert oder parodiert wird, und werden daher im Zweifelsfall immer mehr blockieren als notwendig“, gibt Schubert zu bedenken.

"Der Versuch, soziale Probleme durch technische Umsetzungen auf juristischer Ebende zu erzwingen, wird mittel- und langfristig sowohl für die Kreativwirtschaft als auch die Zivilgesellschaft weitreichende und bisher noch nicht absehbare Konsequenzen haben", heißt es seitens des Chaos Computer Club Wien (C3W) zum EU-Beschluss. "Obendrein kommt die Gefahr, die eine einmal installierte Technik mit sich bringt, nämlich die Ausweitung von deren Nutzung für andere als die ursprünglich bestimmten Zwecke - so wie wir es in der Nutzung von verschiedenen Überwachungstechniken durch den Polizeiapparat auch heute bereits sehen. Wenn wir eine dedizierte Zensurmaschinerie aufbauen, die darauf trainiert wird, gelistete Inhalte vor deren Veröffentlichung bereits aus dem Verkehr zu ziehen, müssen wir uns auch nicht wundern, wenn sie in absehbarer Zeit dazu genutzt wird, mehr als nur Copyrightverletzungen zu filtern."

Reaktionen aus den EU-Parlamentsfraktionen

„Das Abstimmungsergebnis zur Copyright-Reform ist sehr bedauerlich. Die Europäische Volkspartei hat Upload-Filter und damit ihre illiberale Politik durchgesetzt“, kommentiert NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar

Die SPÖ lobt den heutigen Beschluss als "Verbesserungen für Kreative". „In den vergangenen Wochen konnten wir in zähen Verhandlungen einige Kompromisse erzielen und Abänderungsanträge durchbringen, die den ursprünglichen Bericht des CDU-Abgeordneten Voss entschärft haben. Es darf nicht sein, dass Algorithmen entscheiden, was wir sehen und was nicht. Wir SPÖ-Abgeordnete bedauern allerdings, dass eine Mehrheit für Uploadfilter gestimmt hat. Die Freiheit des Internets muss gewahrt bleiben“, so Josef Weidenholzer, Vizepräsident der SozialdemokratInnen und zuständig für Digitales.

"Verstehen nicht, wie das Internet funktioniert"

"Die Konservativen, Teile der Sozialdemokraten und Liberalen verstehen nicht nur nicht, wie das Internet funktioniert. Sie stellen sich trotz massiver Bedenken der Bevölkerung aufseiten der großen Konzerne. So könnten in Zukunft Fotos und Videos von Sportveranstaltungen verboten sein. Kosmetische Änderungen ändern nichts daran. Am heutigen Tag gehen Künstler, europäische Plattformen, kleine Start-ups und auch wir Bürger leer aus", so Michel Reimon, EU-Parlamentarier der Grünen.

„Für Rezensionen, Parodie und Illustrierung muss es Ausnahmen geben - das betrifft auch die Frage von Memes. Der Verleih von E-Books muss öffentlichen Büchereien erlaubt sein. Bei dem Abstimmungsergebnis handelt es sich nicht um ein Endergebnis sondern die Startposition für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten. Mit denen möchten wir jetzt eine entideologisierte und sachliche Debatte führen“, sagt Heinz Becker, EU-Parlamentarier der ÖVP. „Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen kann.“

Julia Reda, Europaabgeordnete der Piratenpartei und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion Grüne/EFA, kommentiert die Abstimmung: „Die heutige Entscheidung ist ein herber Rückschlag für das freie und offene Internet. Das Europaparlament befürwortet die Einführung neuer rechtlicher und technischer Schranken für die Meinungsfreiheit im Netz. Zugunsten von Konzernprofiten werden Prinzipien über den Haufen geworfen, ohne die das Internet nie seine heutige Bedeutung erlangt hätte.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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