Netzpolitik

Warum die EU Internet aus dem All will

Er möchte die Chipproduktion in Europa ankurbeln und die Produktion von Impfstoffen in die EU holen. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton will Europa souveräner machen. Nicht nur am Boden, sondern auch im Weltraum. „In 5 bis 7 Jahren könnten wir eine europäische Satelliten-Infrastruktur haben, die Glasfasernetze und 5G ergänzt“, zeigte sich Breton in einer Rede 2020 überzeugt.

Nun macht der Franzose ernst. Die „Secure Connectivity Initiative“, die von der EU-Kommission unter seiner Leitung am Dienstag angekündigt wurde, soll Europa mit lückenlosem, sicherem Internet versorgen. Bereits 2024 sollen erste Dienste in Betrieb gehen, 3 Jahre später folgt der Vollausbau. Der Kostenpunkt liegt bei insgesamt 6 Milliarden Euro. Ein Großteil, 3,6 Milliarden Euro, soll von privaten Investor*innen finanziert werden.

Das Steckenpferd von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton ist die Souveränität Europas im Weltraum

Europäische Souveränität bewahren

Aber was genau bringt ein solch hauseigenes und teures Satelliten-Internet Europa überhaupt? Immerhin gibt es bereits zahlreiche Anbieter, die an einem weltweiten Satellitennetzwerk arbeiten, darunter etwa Starlink, das Unternehmen des Tesla-Gründers Elon Musk oder Kupier, das Amazon-Chef Jeff Bezos gehört. Die EU könnte einfach Kapazitäten bei den Satelliten dieser Konzerne buchen.

„Aber soll sich Europa wirklich von amerikanischen Investoren abhängig machen? In der Telekommunikation ist es für Europa wichtig, sich strategische Unabhängigkeit zu bewahren“, sagt Branchenanalyst Karim Taga von Arthur D. Little im Gespräch mit der futurezone. Souveränität ist auch ein zentrales Argument der Kommission. Sie will kritische Systeme selbst am Laufen halten. Ohne das Zutun anderer Länder. Beim GPS und der Erdbeobachtung hat sich Europa mit den Satellitensystemen Galileo und Kopernikus bereits selbstständig gemacht. Das geplante Kommunikationssatelliten-Programm würde es europäischen Regierungen ermöglichen, verschlüsselt und abhörsicher über diese Satelliten zu kommunizieren, „ohne, dass andere Länder dazwischenfunken“, so Taga.

„Weiße Flecken“ abdecken

Die Initiative der Kommission soll aber auch „weiße Flecken“ abdecken, sprich schnelles Internet in unterversorgte Regionen bringen. „Teile der europäischen Bevölkerung sind nicht mit Glasfaser oder terrestrischem Mobilfunk ausgestattet. Satelliten-Internet kann diese Lücke durchaus abdecken“, erklärt Analyst Taga. Dies seien auch die potenziellen Konsumenten des Satelliten-Internets. Denn mit terrestrischen Technologien könne es nicht konkurrieren. Diese böten mehr Sicherheit und seien bei Weitem billiger.

Auch andere private Anbieter würden von dem europäischen Programm nicht verdrängt, glaubt der Experte. Am Markt sei zwar nur Platz für etwa 2 kommerzielle Anbieter, eine öffentliche Initiative erfülle aber andere Zwecke.

Bereits 2027 soll Satelliten-Internet in ganz Europa Realität sein

Start-ups sind am Zug

Mit der Initiative will die EU-Kommission auch Arbeitsplätze schaffen. Profitieren sollen vor allem Start-ups. Diese zeigten sich in der Vergangenheit allerdings besorgt. Mehrere junge deutsche Raumfahrtunternehmen appellierten 2020 an Thierry Breton, da sie befürchteten, bei der Auftragsvergabe leer auszugehen.

Carsten Scharlemann von dem österreichischen Satelliten-Start-up „R-Space“ teilt diese Sorge nur bedingt: „Die EU ist sehr bemüht junge Unternehmen einzubinden“, sagt er. Bei derart großen Projekten sei die Hürde mitzumischen allerdings besonders hoch, da man viele Ressourcen bräuchte, die Start-ups üblicherweise nicht haben. Scharlemann sieht für Start-ups vor allem Potenzial bei kleineren Satellitenteilen, wie etwa Antennen.

EU fordert Verkehrtsregeln im All

Mehr Satelliten im All bedeuten nicht nur bessere Internetabdeckung, sondern auch mehr Schutt im Weltraum. Über 130 Millionen Trümmerteile treiben laut der European Space Agency (ESA) aktuell im All. Daher macht die EU-Kommission nun auch bei diesem Thema Tempo. Sie sieht Satelliten durch schwebende Trümmer im Orbit ernsthaft gefährdet und plädiert daher für mehr „Verkehrsregeln“ im Weltraum.

Es sollen, so heißt es in dem Verordnungsentwurf, konkrete Ansätze und Vorschriften entwickelt werden, um dem Problem des zunehmenden Weltraumschutts Herr zu werden. In Zukunft soll vermehrt an Raumfahrzeugen geforscht werden, die Müll im All identifizieren und schließlich beseitigen können.

Selbst kleinste Trümmerteile, die von Raketen oder Satelliten abfallen, können Objekten im All gefährlich werden. Grund dafür ist deren Geschwindigkeit. Mit Zehntausenden Kilometern pro Stunde werden winzige Partikel zu zerstörerischen Geschossen. Dem französischen Spionagesatelliten Cerise wurde 1996 zum Beispiel ein winziges Bruchstück einer 1985 explodierten Ariane-Rakete zum Verhängnis. Teile von Cerise wurde durch die Kollision zerstört.

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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