LG DFP9 im Test: Günstige In-Ears mit UV-Licht und Bonus-Verbindung
Wie gesättigt kann der Markt der True Wireless-In-Ear-Kopfhörer noch werden? Und wieso schaut die Hälfte der zig Produkte wie Apples AirPods aus, mit einem Zumpferl, das aus dem Ohr steht?
LG hat sich wohl gedacht: „Für uns ist auch noch Platz“ und „na gut, dann machen wir ein kleineres Zumpferl und drehen es“ – könnte man zumindest meinen. Denn statt einfach nur die x-te AirPod-Kopie abzuliefern, hat LG die Tone Free DFP9 mit sinnvollen Funktionen angereichert – was sie um den Preis von rund 120 Euro sehr interessant macht.
Unauffällig hübsch
Lasst euch von den Bildern nicht täuschen: Die DFP9 sehen auf den Produktfotos weit größer aus, als sie eigentlich sind. Der Teil vom Zumpferl, der aus dem Ohr rausragt, ist lediglich 11 mm lang. Außerdem werden die Ohrhörer nach dem Einsetzen leicht nach vorne gedreht, wodurch das Zumpferl nicht schlapp nach unten hängt.
Dadurch sieht es, im Gegensatz zu AirPods und vielen Klonen, nicht so aus, als hätte man Putzköpfe von elektrischen Zahnbürsten im Ohr. Durch die glänzende Oberfläche wirken die DFP9 in der Farbe Gold und Schwarz fast schon wie Schmuck – die Ausführung in Weiß ist etwas neutraler. Dazu passend ist das Charging Case rund und flach, was an ein Schminkspiegelchen erinnert.
Panik muss man deshalb als XY-ler nicht haben: Die Männlichkeit wird dadurch nicht gefährdet. Auch in Männerohren sehen die schwarzen DFP9 ansprechend aus und während der Testphase konnte kein Sinken des Testosteronspiegels beobachtet werden.
Also liebe Mitmänner, auch ihr könnt und dürft die Tone Free tragen. Lasst euch nicht von LG verwirren – auf der offiziellen Produkt-Website für die DFP9 sind 11 Bilder von Frauen und nur eines von einem Mann. Am Ende der Website sind immerhin noch 2 Influencer zu sehen (inklusive der einzigen dunkelhäutigen Person auf der gesamten Produkt-Website).
„Und was macht es?“ „Es leuchtet blau.“
Von einer Ansprache über fehlinterpretierte Männlichkeit direkt zu einem Rambo-Zitat: Danke LG, dass ihr mir diese Brücke gelegt habt. Zustande kommt das gewagte Textkonstrukt durch das UV-Licht im Ladecase.
Öffnet man das Ladecase, sieht man es kurz blau leuchten. Und was macht es? Es leuchtet tatsächlich nur blau. Das ist ein reiner Gag, um die UV-Funktion zu symbolisieren. Das eigentliche UV-Licht ist nicht sichtbar und nur aktiv, wenn das Ladecase geschlossen ist.
LG verspricht, dass durch 5 Minuten im Case 99,9 Prozent der Bakterien auf den Ohrhörern eliminiert werden. Und was bringt das Ganze? Laut LG könnten durch Bakterien „Ohrenentzündungen oder anderen Erkrankungen“ ausgelöst werden. Es ist also ein Vorsichtsmaßnahme.
LG sieht beim UV-Licht noch einen weiteren Vorteil: „Wenn Sie sich Sorgen um die Hygiene Ihrer Earbuds machen und sie mit Alkohol reinigen, könnten Sie sie beschädigen.“ Na bitte, Problem gelöst. Das UV-Licht kann allerdings nicht auf magische Weise Ohrenschmalz verpuffen lassen. Die abnehmbaren Silikonaufsätze muss man also nach wie vor händisch reinigen – dafür aber ohne Alkohol oder starke Desinfektionsmittel.
Sicherer Halt im Ohr
Im Gegensatz zu normalen AirPods liegen die Tone Free nicht nur im Ohr, sondern ragen auch hinein. Deshalb ist auch der oben genannte Silikonaufsatz nötig. Das Einsetzen der Kopfhörer ist simpler, als etwa bei Sonys exzellenten In-Ear-Modellen. Einfach gerade ansetzen, nach vorne drehen, fertig. Durch die Form flutschen die Ohrhörer in die korrekte Position.
Die Silikonaufsätze liegen in 3 Größen bei. Diese dienen hauptsächlich dazu, um den Gehörgang passiv abzudichten. Ich verwende die mittlere Größe, selbst mit der kleinen Größe sitzen die Tone Free aber sicher im Ohr.
Der Nach- und Vorteil des sicheren Sitzes: Man spürt sie. Wer kleine Ohren hat, könnte das mitunter als unangenehm empfinden. Wer schon mal schlecht sitzende In-Ears verloren hat oder wegen des lockeren Halts ständig das Gefühl hat, dass es jeden Moment soweit sein könnte, wird den fühlbaren Halt der DFP9 mögen.
Für Langträger*innen gibt es Entwarnung. Wenn die Tone Free nicht direkt nach dem Einsetzen unangenehm drücken, ändert auch stundenlanges Tragen nichts daran. Durch den stabilen Halt sind sie zudem für Sport geeignet. Da verrutscht nichts und auch bei energischen Burpees und Sprints rutscht nichts aus dem Ohr. Schweiß und ein paar Regentropfen sollten den DFP9 nichts anhaben, sie sind IPX4 zertifiziert. Unter der Dusche oder gar beim Schwimmen sollte man sie aber nicht tragen.
Klangqualität: Mag hier jemand Bass?
Die DFP9 haben einen unerwartet starken Bass. Im ersten Moment kommen schlechte Erinnerungen an frühe Beats-Kopfhörermodelle hoch: Einfach mal fett Bass rein um zu überdecken, dass die Klangqualität grottig und nicht dem Kaufpreis angemessen ist.
Beim näheren Hinhören ist der Bass aber nicht erdrückend, sondern klar und ausgeprägt. Er ist aber dennoch sehr dominant, weil die DFP9 bei Höhen und Mitten schwächeln – die klare Klangqualität der fast doppelt so teuren Sony WF-1000XM4 bleibt unerreicht.
Wer darauf wenig Wert legt, sondern hauptsächlich den Beat spüren will, wird mit den DFP9 sehr gut bedient und zum Mitschwingen verleitet, anstatt zum Sinnieren darüber, welche Nuancen man im Lieblingssong bisher noch nie gehört hat.
Klangmodi mit deutlichen Unterschieden
Die Funktionen der Kopfhörer werden in der Tone-Free-App gesteuert. Dort stehen auch die Equalizer-Einstellungen zur Verfügung. Es gibt 5 vorgefertigte Profile und die Möglichkeit, 2 eigenen Profile zu erstellen.
Standardmäßig ist Bass Boost aktiviert. Das macht aber den starken Bass eigentlich nicht stärker, sondern pointierter. Es werden auch die Höhen ungut verstärkt, was für Gesang nicht optimal ist. Electro, Techno und alles mit einer hohen bpm-Anzahl profitiert davon.
Normaler Pop und Rock klingt mit den Soundprofil Natural besser. Hier schwingt der Bass angenehm stark und ausdauernd mit. Gut zu hören ist das etwa bei Britneys „Toxic“ und „Circus“.
Auch die anderen Soundmodi, Immersive, Treble Boost und 3D Sound Stage, unterscheiden sich stark. Immersive zieht den Sound etwas auseinander und bringt die Instrumente in Songs näher zu den Ohren. Man könnte es als eine Over-Ear-Kopfhörer-Simulation beschreiben. Kann man mögen, muss man aber nicht.
Treble Boost ist prinzipiell eine gute Idee, da die DFP9 aber in den Höhen schwächeln, ist das Resultat oft nicht wie gewünscht. Für Podcasts, Serien mit vielen Dialogen und ähnlichen Content, empfehle ich bei Natural zu bleiben. 3D Sound Stage soll laut LG ein Live-Konzert simulieren und gut für Actionfilme sein. Der Sound wird in die Distanz gezogen, Bass und Hall verstärkt. Als Konzert-Simulation ist es ok, wenn man soetwas mag. Für Filme war es für mich unpassend, weil der zu starke Hall nicht zu den Szenen passt.
Meine Empfehlung: Natural nehmen und bei Bedarf eigene Profile mit dem Equalizer erstellen.
Aktive Geräuschunterdrückung
Die aktive Geräuschunterdrückung der DFP9 ist Standard und dem Preis angemessen. Wie bei den meisten Geräten dieser Klasse, entspricht sie dem alten Standard von aktiver Geräuschunterdrückung, der für die Flugzeugkabine gedacht ist. Das Flugzeuggeräusch wird von einem tiefen Brummen in ein leiseres, höheres Rauschen umgewandelt.
Zug- und Straßenbahngeräusche werden ebenfalls gedämpft. Bei menschlichen Stimmen und anderen Störgeräuschen ist die Dämpfung deutlich niedriger, bis kaum vorhanden. Im Großraumbüro oder geteilten Homeoffice kann man das Gequatsche der Mitanwesenden nicht effektiv ausblenden. Wer viel wert auf das legt, greift besser zu den Sony WF-1000XM4.
Lässt man kurz mit dem Finger den Kopfhörer gedrückt, wird auf Durchzug umgeschaltet – Außengeräusche werden bewusst eingespielt. So kann man Gespräche führen oder im Straßenverkehr sicher unterwegs sein, ohne die Kopfhörer aus dem Ohr nehmen zu müssen. In der App kann die Geräuschunterdrückung noch ganz deaktiviert oder auf niedrige Stufe geschaltet werden.
Sprachqualität
In Innenräumen funktioniert die Sprachübertragung und Hintergrundgeräuschreduktion bei Telefonie und Videochats gut. Man ist laut beim Gegenüber hörbar, manchmal klingt die Stimme aber etwas blechern.
Im Freien bei viel Umgebungslärm oder in den Öffis wird die Stimme schwerer verständlich, weil relativ viele Hintergrundgeräusche mitübertragen werden. Hier kann man als Alternative den Flüstermodus nutzen, der sich in der App aktivieren lässt. Dabei hält man den rechten Kopfhörer wie ein Mikrofon zum Mund und spricht leise hinein.
Laut LG ist das gedacht, um die Privatsphäre zu wahren. Alternativ könnte man auch einfach nicht in der U-Bahn telefonieren, wo alle zuhören können. Das würde auch weniger wundernde Blicke auslösen, als wenn man den Ohrstoppel aus dem Ohr nimmt, verstohlen zum Mund hält und vor sich hin flüstert. Um bei viel Wind oder lauter Umgebung besser verstanden zu werden, ist der Flüstermodus jedenfalls hilfreich.
Ladecase ist gleichzeitig Wireless-Adapter
Hier hat LG ein geniales Feature eingebaut. Das wird eigentlich für Reisen im Flugzeug beworben, ist aber auch ein Segen für Gamer*innen. Mit dem beiliegendem 3,5mm-Klinke-zu-USB-C-Kabel, wird das Ladecase zum Bluetooth-Transmitter.
Man kann das Case einfach an die Switch, dem PS5-Controller oder Xbox-Controller anschließen und hat Wireless-Kopfhörer. Allerdings wird so nur die Audioausgabe unterstützt und nicht die Eingabe. Das Klinke-zu-USB-C-Kabel ist nämlich nur ein 3-poliger Stereostecker, anstatt ein 4-poliger, der das Zusatzsignal für das Mikrofon unterstützt.
Durch den bassstarken Sound machen sich die DFP9 recht gut beim Spielen. Wenn bei den Konsolen der virtuelle Surround Sound für Kopfhörer aktiviert wurde, kann man gut unterscheiden, ob eine Geräuschquelle von vorne oder hinten kommt.
Spielemodus gegen Verzögerungen
Ein Manko ist die merkbare Verzögerung bei der Übertragung. Hier hilft es vorher in der App den Spielemodus zu aktivieren. Dieser eliminiert den Lag zwar nicht vollständig, senkt die Verzögerung aber auf ein erträgliches Maß. Wenn man später wieder die DFP9 am Smartphone nutzt, sollte man die Funktion deaktivieren. Ist sie aktiviert und man ist draußen unterwegs, gibt es Verbindungsabbrüche. Den Spielemodus kann man natürlich auch am Smartphone nutzen, falls man dort beim Gaming eine Verzögerung feststellt.
Verwendet man das Case als Wireless-Adapter, können die Kopfhörer nicht gleichzeitig mit dem Smartphone verbunden bleiben. Durch den Umschaltehebel am Case ist zumindest das Wechseln bequem. Es dauert in etwa 12 Sekunden bis die Kopfhörer die Verbindung gewechselt haben, nachdem man den Hebel betätigt hat.
Im Wireless-Adapter-Modus ein leichtes Grundrauschen zu hören, wenn gerade kein Ton wiedergegeben wird. Dies ist nur in dem Modus der Fall, bei der normalen Bluetooth-Nutzung ist es nicht zu hören.
Gut mitgedacht von LG ist, dass bei der Nutzung des Case als Wireless-Adapter, automatisch die Touchpad-Belegung der DFP9 geändert wird. Zweimal antippen nach links senkt die Lautstärke, zweimal antippen rechts erhöht sie. Das ist sinnvoll, falls die Lautstärke-Regelung im Flugzeug oder dem Gerät, an dem man das Ladecase angesteckt hat, nicht ausreicht.
Weitere Features und Akkulaufzeit
Die Tone Free haben eine Tragerkennung. Nimmt man einen der beiden Stoppel aus dem Ohr, wird der Song pausiert und später beim Hineingeben wieder gestartet. Die Touchpad-Belegung in der App kann für beide Kopfhörer getrennt geändert werden, für einmal, zweimal und dreimal berühren.
Wenn die Kopfhörer in Reichweite sind, kann man ein Geräusch per App ausgeben lassen, um sie wiederzufinden. Die Funktion Sprachalarm-Einstellungen liest Benachrichtigungen vor. Anfangs ist das ganz nett, wenn dann aber ständig die Emojis vorgelesen werden, wird es ein wenig bizarr: „haha, schon klar nichts böses tun Affe hand vor augen lachendes gesicht mit freundlichen augen.“ Die Funktion kann in der App natürlich deaktiviert werden.
LG gibt die Akkulaufzeit mit bis zu 10 Stunden für die Kopfhörer an. Im Etui ist Strom für weitere 14 Stunden. Die tatsächliche Laufzeit richtet sich nach den aktivierten Funktionen, Lautstärke, usw. Bei meinem Test waren 7 bis 8 Stunden bei gemischter Nutzung am Smartphone, mit aktiver Geräuschunterdrückung, möglich, bevor sie im Case wieder aufgeladen werden wollten.
Fazit
Die Tone Free DFP9 können viel mehr, als man ihnen auf den ersten Blick zutraut – was vielleicht auch daran liegt, dass man LG bisher nicht als Kopfhörerhersteller wahrgenommen hat. Mit aktiver Geräuschunterdrückung, UV-Licht im Case, kräftigen Bass, Trageerkennung und belegbarer Touchsteuerung sind sie jedenfalls gut ausgestattet. Dazu kommt das nützliche Extra, sie per Ladecase mit allen Geräte nutzen zu können, die eine 3,5mm-Buchse haben.
Dem Gegenüber steht, dass alle Funktionen ok bis gut sind, aber nicht herausstechen. Beim Sound fehlen die Höhen, die aktive Geräuschunterdrückung ist basic und bei der Nutzung des Ladecase als Wireless-Adapter kann das Mikrofon der Kopfhörer nicht verwendet werden.
Dafür sind sie im freien Handel und auf Amazon schon für unter 120 Euro zu haben. In dieser Preisklasse gibt es nur wenig gute Wireless-In-Ear-Headphones, die mit dieser Ausstattung mithalten können. Wer einen besseren Sound und eine bessere aktive Geräuschunterdrückung sucht, ist mit Sonys WF-1000XM4 gut beraten. Die sind mit 220 Euro aber deutlich teurer.
WARUM WIR PARTNERLINKS EINSETZEN
Unsere Artikel entstehen in redaktioneller Unabhängigkeit. Die futurezone kann aber eine Provision erhalten, wenn ihr über einen der verlinkten Shops etwas kauft. Was das bedeutet, erfahrt ihr hier.