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Nokia, BlackBerry und Co: Die überraschende Rückkehr der Alten

Nokias Handys hatten lange den Ruf, fast unzerstörbar zu sein. Das Gleiche gilt offenbar für die Marke selbst. Denn obwohl dem finnischen Konzern in den vergangenen zehn Jahren mehrere Male der baldige Untergang prophezeit wurde, schaffte man immer wieder die Rückkehr. So auch 2017, als man großen Konzernen wie Samsung und Huawei mit einer Neuauflage des Nokia 3310 das Rampenlicht stahl. Auch 2018 ist dem Unternehmen dieses Kunststück gelungen, dieses Mal mit der Neuauflage des 22 Jahre alten „Banana Phones“ Nokia 8110.

Anfangs als Retro-Spielzeug belächelt, verhalf das 3310er  HMD Global, dem neuen Hersteller der Nokia-Geräte, zu rasantem Wachstum. Allein im Vorjahr verkaufte HMD Global 70 Millionen Geräte, der Großteil davon klassische Handys wie das Nokia 3310. „Wir sind in 80 Ländern vertreten, verwendet werden sie in mehr als 170 Ländern“, erklärt Pekka Rantala, Marketing-Chef bei HMD Global und langjähriger Nokia-Manager.

Doch auch die Smartphone-Schiene wächst rasant: Im letzten Quartal 2017 verkaufte man mehr Geräte als etablierte Marken wie Google, Sony und HTC. Mit 4,4 Millionen verkauften Smartphones landete man aber dennoch nur auf Platz 11, Apple setzte im gleichen Zeitraum rund 77 Millionen Stück ab. Vergleichbares Wachstum findet man im mittlerweile schrumpfenden Smartphone-Markt selten.

Selbst vom Erfolg überrascht

Dabei bedient sich das Unternehmen einer ungewöhnlichen Strategie: Mit Neuauflagen bekannter Geräte - den sogenannten „Nokia Originals“ - erinnert man die Konsumenten daran, dass die Marke Nokia noch existiert und welche guten Erfahrungen diese damit gemacht haben.

Bei den Smartphones lockt man unterdessen mit einer hohen Bandbreite - vom Einsteigergerät um 100 Euro bis zum High-End-Modell für 749 Euro wird alles angeboten. Allein im ersten Jahr veröffentlichte man elf Geräte. Zudem lockt der Konzern dank Googles Android-One-Plattform mit regelmäßigen Updates und einer fast „puren“ Version des Betriebssystems Android

Nokia 3310 im Test: Gefangen im Jahr 1999

Nokia 3310 im Test: Gefangen im Jahr 1999

Der Plan geht offenbar auf. Bereits zwei Drittel der Kunden seien unter 35 Jahre alt. „Um ganz ehrlich zu sein, wir sind selbst etwas überrascht, dass wir so rasch junge Konsumenten überzeugen konnten“, sagt . „Wir wollen diesen Schwung nutzen, um dieses Jahr noch stärker zu wachsen“, sagt Florian Seiche, CEO von HMD Global und früherer Vertriebschef bei Nokia und Microsoft Mobile.

BlackBerry und Alcatel schwächeln

Nokia ist nicht der einzige Hersteller, der auf den Retro-Faktor setzt. Auch der chinesische Elektronik-Hersteller TCL produziert Smartphones zweier bekannter Marken: Alcatel und BlackBerry. Alcatel-Geräte werden bereits seit 2004 von TCL gefertigt, für BlackBerry baut man seit 2016 Smartphones. TCL besitzt zudem die Rechte. an der Marke Palm - einst bekannt für seine PDAs - hat diese aber bislang noch für kein Produkt genutzt.

Im Gegensatz zu HMD Global fällt die Bilanz für TCL aber bislang eher nüchtern aus. Laut Marktforscher Counterpoint war Alcatel trotz 20,7 Millionen verkaufter Geräte einer der größten Verlierer des Vorjahres. Denn die Verkaufszahlen gingen um satte 39 Prozent zurück. Und auch die neuen BlackBerry-Geräte mit Hardware-Tastatur verkaufen sich trotz zahlreicher Fans nur mäßig. Im vierten Quartal 2017 wurden nur 170.000 Geräte verkauft. Ambitionierte Ziele hat man sich dennoch gesetzt, in den nächsten Jahren sollen drei bis fünf Prozent Marktanteil erreicht werden. Dafür müssten sich die Verkaufszahlen aber mehr als verzehnfachen.

Kritik am Retro-Trend

Auch das zeigt, dass Retro kein Allheilmittel für die zunehmend kriselnde Smartphone-Branche sein kann. Bereits im Vorjahr kritisierten Analysten, dass die Neuauflagen vielmehr ein Symptom der Innovationslosigkeit der Branche seien. „Es ist ein ziemlich vernichtendes Zeichen für den Zustand der Smartphone-Branche, wenn die Welt so begeistert und besessen von einem Retro-Handy ist, das vor 17 Jahren erstmals auf den Markt gekommen ist“, sagte Ben Wood von CCS Insight. 

Wer steckt hinter Nokia heute?

Nokia ist nicht gleich Nokia. Der finnische Konzern dominierte in den Neunzigerjahren und zum Anfang des neuen Jahrtausends den Handy-Markt fast nach Belieben. Doch das Unternehmen reagierte zu spät  auf den Hype rund um Smartphones und verschloss sich gegenüber den dominierenden Plattformen von Apple und Google. Das Handy- und Smartphone-Geschäft wurde 2013 für 3,79 Milliarden Euro an Microsoft verkauft, Nokia blieb Netzwerkausstatter.

Für weitere 1,65 Milliarden Euro erwarb Microsoft zudem das Recht, zumindest zehn Jahre lang Smartphones und Handys unter der Marke „Nokia“ zu verkaufen. Microsofts Smartphone-Pläne scheiterten jedoch, die eigene Plattform Windows Phone konnte sich nicht gegen Apples iOS und Googles Android durchsetzen. Unter dem neuen CEO Satya Nadella stellte Microsoft die Produktion von Smartphones ein. 

Mehrere frühere Nokia-Manager witterten daraufhin ihre Chance und gründeten mit der Hilfe des Apple-Zulieferers Foxconn das Unternehmen HMD Global. Dieses erwarb 2016 Teile von Microsofts Smartphone-Sparte und die Rechte an der Marke Nokia im Handy- und Smartphone-Segment. Wie das „alte Nokia“ hat HMD Global seinen Sitz im   finnischen Espoo, wo auch ein Großteil der Forschung und Entwicklung angesiedelt wurde. Die Produktion wird von der Foxconn-Tochter FIH übernommen, unter anderem in einer ehemaligen Nokia-Fabrik in Vietnam.

Statt auf Windows Phone setzt Nokia nun auf das Betriebssystem Android. Dazu hat man eine strategische Partnerschaft mit Google abgeschlossen. So setzt man bei fast allen Modellen auf Android One, eine von Google standardisierte Version des Betriebssystems, die regelmäßige Updates sicherstellen soll. Zudem arbeitet man mit deutschen Optik-Hersteller Zeiss zusammen, der die Linsen für die Smartphone-Kameras bereitstellt. 

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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