
Mehrweg-Utensilien sind eine Möglichkeit, OPs ressourcenschonender zu machen (Symbolbild).
Wie österreichische OPs klimafreundlicher werden
Krankenhäuser verursachen direkt und indirekt viele Treibhausgasemissionen: direkt durch die Nutzung von klimaschädlichen Narkosegasen, indirekt durch hohen Stromverbrauch oder große Abfallmengen. Welche Möglichkeiten es gibt, Prozesse speziell im Operationssaal klimafreundlicher zu machen, haben Studierende des Studiengangs „Sustainable Solutions“ der FH Oberösterreich in Wels in den vergangenen Monaten untersucht.
Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem Kepler Universitätsklinikum in Linz. „Das Thema Nachhaltigkeit wird im Krankenhaus immer größer und wichtiger und andere Länder sind uns da schon voraus, z. B. die Schweiz“, sagt Florian Wimmer, der dort das OP-Management leitet.
„Im technischen Bereich – also Wärme, Kühlung, Stromverbrauch – ist schon viel passiert. Im klinischen Bereich haben wir gesehen, dass wir einen Schwerpunkt legen müssen“, ergänzt er. Das gab den Anstoß für das Forschungsvorhaben.
Ein schwarzer Müllsack als Ausgangspunkt
„Ausgangspunkt war, dass Dr. Wimmer beobachtet hat, dass im OP jeder Abfall in einem einzigen schwarzen Müllsack landet“, berichtet Christine Rau, Professorin für Innovationsmanagement an der FH Oberösterreich. Ein großer Anteil davon sei hausmüllartig und müsste nicht unter hohen Sicherheitsstandards für medizinische Abfälle entsorgt werden.
Als Beispiel nennt sie Plastikverpackungen für OP-Sets. Diese würden schon in der Vorbereitung weggeschmissen, aber mangels adäquater Trennung nicht im Kunststoff-Recycling landen.
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Im Kepler Universitätsklinikum sei man mittlerweile kurz davor, eine Mülltrennung im OP einzuführen, berichtet Wimmer. Doch das allein reicht ihm und seinem Team nicht: „Wir wollen mehr Augenmerk auf ressourcenschonendes Arbeiten legen“, erklärt der Intensivmediziner.
Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum
„Unsere Aufgabe war dann, herauszufinden, welche Maßnahmen es schon gibt. Wir haben 27 Verantwortliche in Krankenhäusern im DACH-Raum interviewt. Primär waren das Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagerinnen, aber auch Abfallbeauftragte und Fachpersonal für OP und Anästhesie“, sagt Rau.

Die beteiligten Studierenden der FH OÖ im Kepler Universitätsklinikum Linz.
© FH OÖ
„Vorreiter in Deutschland sind zum Beispiel die Charité in Berlin, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf oder das Universitätsklinikum Tübingen“, sagt Rau. In der Charité sei man auf Mehrweg-Atemschläuche umgestiegen, die zentral sterilisiert werden, statt sie nach einmaligem Gebrauch zu entsorgen.
Corona sorgte für Einweg-Boom
„Die große Problematik ist, dass durch Corona Einweg-Materialien deutlich mehr geworden sind. Wir haben ausgerechnet, dass Einweg-Instrumente teilweise billiger sind, als wenn wir Mehrweg-Instrumente verwenden“, sagt Intensivmediziner Wimmer.
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Das hänge auch mit den Bestellprozessen der Krankenhäuser zusammen, meint Rau: „Je nachdem, welche Mengen sie abnehmen, wird es günstiger oder teurer.“ In der Beschaffung zähle am Ende der Preis, Nachhaltigkeit sei als Auswahlkriterium weniger wichtig.
In Deutschland habe sich das in den vergangenen Jahren etwas verändert, meint Rau. Denn dort unterliegen große Krankenhäuser seit Anfang 2023 dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Das verpflichtet Unternehmen, in globalen Lieferketten Mindeststandards bei Menschenrechten und Umweltschutz einzuhalten. Der Trend gehe dennoch auch in Österreich wieder Richtung Mehrweg, beobachtet die Professorin.
Klimakiller Narkosegas
„Was wahrscheinlich den mitunter größten Einfluss aufs Klima hat, sind Narkosegase, die sind extrem klimaaktiv. Die Charité hat einmal errechnet, dass eine 7-stündige OP vom Treibhausgas-Ausstoß einer Autofahrt von Berlin nach Ulaanbaatar (Mongolei) entspricht. Das ist 16 Mal die Strecke Innsbruck-Wien“, sagt Rau.
Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf habe man z. B. deshalb auf sogenannte total intravenöse Anästhesie umgestellt. Nachteile für Patientinnen und Patienten gebe es dabei keine, so Rau.
Auch in Linz hat man sich schon mit den Treibhauseffekten von Narkosegasen beschäftigt: „Wir haben Desfluran, ein ganz klimaschädliches Narkosegas, ausgemustert“, erklärt Wimmer. Narkosegasrecycling wäre eine weitere Möglichkeit, die schon in mehreren österreichischen Spitälern angewandt wird.
Elektroschrott verringern
Die Studierenden stießen in ihren Interviews auf weitere Einzel-Maßnahmen, die Krankenhäuser indirekt klimafreundlicher machen. Im orthopädischen Spital Speising in Wien würden metallische Abfälle für ein spezielles Recyclingverfahren an ein deutsches Unternehmen übergeben.
Die Sana-Kliniken in Deutschland lassen gebrauchte Ultraschallsonden von einer Tochterfirma aufbereiten. Dadurch fallen pro Tag 80 Kilogramm weniger Elektroschrott an als vorher, heißt es im Projektbericht.
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Nicht alle der Maßnahmen könnten in allen Spitälern direkt übernommen werden, allein schon wegen rechtlicher Unterschiede zwischen Österreich und seinen Nachbarländern. „Da geht es zum Beispiel um gesetzlich vorgeschriebene Kapazitäten für Notfälle, etwa die Frage, ob man einen OP in der Nacht herunterfahren darf, um Strom zu sparen“, erklärt Rau.
Institutionalisierung
Wichtig sei auch, Klimaschutz in der ganzen Organisation zu verankern. Ein Positivbeispiel dafür sei das Universitätsklinikum Tübingen, das eine „Stabsstelle Nachhaltigkeit“ eingerichtet habe, mit Beteiligten in allen Bereichen. „Leute an der Basis sind oft am geeignetsten, Ideen zu entwickeln, weil sie Probleme im Alltag sehen“, so die Professorin. Schon kleine, einfache Änderungen könnten einen Unterschied machen.
Am Kepler Universitätsklinikum wird nun Ähnliches versucht. Dort trifft sich alle 2 Monate ein „Green Team“ mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus OP, Pflege, Einkauf und anderen Abteilungen, um Umweltthemen voranzutreiben, sagt Wimmer.
Vernetzung statt Bewertung
Das Projekt habe die gesammelten Beispiele auch nicht bewertet, weil medizinische und rechtliche Aspekte außerhalb der Expertise des Nachhaltigkeits-Studiengangs liegen, sagt Rau. Stattdessen sollten sich die Beteiligten der verschiedenen Gesundheitseinrichtungen besser vernetzen und voneinander lernen.
Das scheint gut funktioniert zu haben: „Für uns war es sehr beeindruckend, zu sehen, welche Erfahrungen andere Krankenhäuser gemacht haben, was alles umgesetzt worden ist und was für uns machbar wäre“, meint Wimmer vom Kepler Universitätsklinikum.
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