Wiener Forscher sind auf der Suche nach der idealen Herzklappe
Ein bis 2 Prozent der Bevölkerung kommen mit einer sogenannten bikuspiden Aortenklappe auf die Welt – ein angeborener Herzfehler, bei dem die Aortenklappe des Herzens nur 2 anstelle der üblichen 3 Taschen besitzt.
„Das bedeutet nicht, dass alle davon eine Herzklappenoperation benötigen“, sagt Martin Andreas, Herzchirurg an der Medizinischen Universität Wien zur futurezone: „Aber je älter man wird, desto höher ist das Risiko, dass man deshalb einmal eine Operation braucht. Der Bedarf ist also groß.“
Andreas entwickelt daher am Christian Doppler Labor für Mikroinvasive Herzchirurgie - zusammen mit dem Industriepartner LSI Solutions aus den USA - neue Techniken und Werkzeuge, mit denen Herzklappenoperationen in Zukunft sicherer gestaltet werden können.
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Im Fokus der Forschung steht u. a. eine neuartige Klappenprothese, die sogenannte „World Valve“. „Seit der ersten Herzoperation wird nach dem idealen Herzklappenersatz gesucht“, sagt Andreas. Klappen aus tierischem Gewebe - bislang werden hauptsächlich Schweine- und Rinderklappen transplantiert - werden im Körper nämlich nicht regeneriert. Sie verkalken irgendwann und werden kaputt.
Das ist besonders für jüngere Patienten problematisch, da sich die Verkalkung aufgrund ihres schnelleren Stoffwechsels und besseren Immunsystems schneller aufbaut. Nach einigen Jahren müssen sich diese Patienten dann erneut einer Operation unterziehen, um das defekte Transplantat wieder auszutauschen.
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Eine Alternative wären Metallklappen. „Da hat sich seit den 80er-Jahren eigentlich nicht mehr viel getan, die sind mehr oder weniger technisch ausgereizt“, sagt der Chirurg. Der Nachteil bei solchen mechanischen Klappen ist laut Andreas, dass man das Blut verdünnen muss, damit sich keine Blutgerinnsel bilden – eine Abwehrreaktion des Körpers auf das Metall. „Das ist für viele Patienten ein großes Thema – zum Beispiel bei Kinderwunsch, Risikosportarten oder Berufen, wo Blutungen auftreten können“, so Andreas.
Klappe aus Körpergewebe
In Wien wird daher an einer Herzklappe aus körpereigenem Gewebe geforscht. „Wir versuchen aus der Herzhaut durch eine spezielle Technik eine Klappe zu etablieren. Während der Operation wird das eigene Gewebe, noch auf dem Operationstisch, zur Klappe gebaut“, sagt der Experte: „Da wir lebendes, körpereigenes Gewebe verwenden, gehen wir davon aus, dass das länger hält.“
Mit 2 speziell entwickelten Werkzeugen – eines vereinigt Nadelhalter und Faden, das zweite fixiert den Faden mit einem Clip und schneidet ihn dann ab – können schon jetzt Herzklappenoperationen über eine schmale Öffnung durchgeführt werden. Durch die Instrumente spart man wertvolle Zeit und hat bei jeder Operation ein einheitlich gutes Ergebnis.
Nur ein kleiner Schnitt
Die auch als Schlüsselloch-Operation bekannte OP wird durch einen etwa 4 Zentimeter langen Schnitt zwischen den Rippen durchgeführt. Mit einer Kamerasonde können die Chirurgen ihre Arbeit im Körper auf einem Bildschirm verfolgen. In Zukunft soll es auch möglich sein, dass Chirurgen eine Augmented-Reality-Brille tragen, die ihnen gewisse anatomische Daten direkt im Sichtfeld einblendet. Auch daran wird im Christian Doppler Labor gearbeitet.
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So eine mikroinvasive Operation hat mehrere Vorteile: Zunächst müssen keine Rippen und kein Brustbein durchtrennt werden, was der Heilung zugutekommt. Die Beweglichkeit nach der Operation ist nicht eingeschränkt und man kann schneller wieder nach Hause. Außerdem entstehen bei einem solchen Eingriff kleinere Narben. Künftig sollen auch Bypass-Operationen ohne Öffnung der Brust möglich sein - in Österreich hat sich diese Methode noch nicht als Standard durchgesetzt.
Für die Chirurgen ist diese Operation aber mit Aufwand verbunden. „Zum einen, weil man weniger sieht. Zum anderen benötigt man auch spezifische Geräte, damit es leichter wird“, sagt Andreas.
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Jahrelange Forschung
Bis die erste World Valve wirklich in einen Menschen eingesetzt werden kann, dauert es noch einige Jahre. „Typischerweise benötigt man mindestens 5 Jahre Forschung, bevor man die ersten klinischen Studien macht. Gerade bei Medizinprodukten ist es wirklich so, dass sehr viel Zeit im Labor investiert wird“, sagt Andreas. Deswegen ist auch das Christian Doppler Labor, in dem das Werkzeug und die Technik entwickelt werden, bis 2030 ausgelegt. „Die meisten erfolgreichen Medizinprodukte haben eine entsprechend lange Entwicklungsphase“, sagt Andreas. „Das ist auch wichtig, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.“
Für das Trockentraining stehen den Ärzten bis dahin Simulatoren mit Pumpen und Drucksensoren zur Verfügung. Und auch am anatomischen Institut der medizinischen Universität Wien ist das Labor vertreten. Dort können Spender ihren Körper nach dem Tod der Forschung überlassen.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit der Christian Doppler Forschungsgesellschaft (CDG).
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