Riesige vertikale PV-Anlage soll mehr Strom im Winter erzeugen
PV-Anlagen auf Flachdächern sind ein alter Hut - viele Industriebetriebe stellen damit einen Teil ihres verbrauchten Stroms her. Auch vertikale Anlagen kennt man bereits. Sie werden hauptsächlich auf Äckern eingesetzt. Der Vorteil ist, dass man zwischen den Photovoltaikmodulen den Acker auch noch landwirtschaftlich bearbeiten kann.
Agri-PV von Wien Energie in der Schafflerhofstraße.
© Wien Energie
Dass man diese 2 Arten von PV-Anlagen kombiniert, ist allerdings ungewöhnlich, zumindest in unseren Breiten. In Norwegen, dem Land der tief stehenden Sonne, sieht das anders aus. Dort wurde kürzlich die größte vertikale PV-Anlage auf einem Dach eröffnet.
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Bifaziale Solarmodule
6.400 PV-Module mit einer Leistung von insgesamt 320 kWp wurden im norwegischen Tromsø auf dem Logistikterminal Tromsøterminalen installiert. Die 34 Zentimeter hohen Module wurden von 3 Personen in nur 4 Tagen aufgestellt. Die Module sind dabei nach Osten und Westen ausgerichtet. Die Module sind "bifazial", sie erzeugen also Energie, wenn die Sonne auf die Vorder- oder auf die Rückseite trifft.
Eine Leistung von 320 kWp mag sich für normale Häuslebauer nach viel anhören, private Anlagen liegen in der Regel zwischen 4 und 10 Kilowatt. Für Betriebe mit großen Flachdächern ist diese Zahl aber nichts Außergewöhnliches, im Gegenteil: Steyr hat an seinem Hauptsitz in Oberösterreich eine Anlage mit 17.000 Modulen und einer Leistung von 7,5 Megawatt (7.500 kW) installiert. Der Aluminiumhersteller AMAG hat auf seine Gebäude in Ranshofen (ebenfalls Oberösterreich) knapp 16.700 Module mit 6,9 Megawatt Leistung montiert.
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Vorteile von vertikalen PV-Modulen
Der Unterschied: Hierbei handelt es sich nicht um vertikale, also aufrecht stehende Module. Warum sollte man also auf vertikale Module setzen, und nicht auf nur gemäßigt geneigte? Insbesondere in nördlichen Breitengraden fällt die Sonne über große Teile des Jahres sehr flach auf die Dächer. PV-Anlagen sind am effizientesten, wenn die Sonne möglichst im 90-Grad-Winkel auf das Modul fällt. Daher sind PV-Anlagen in unseren Breiten auch in einem Winkel von etwa 30 Grad installiert.
Ein weiterer Vorteil von vertikalen PV-Anlagen ist, dass sie am Vormittag und am Nachmittag am meisten Strom produzieren, wo die Nachfrage am höchsten und das Angebot knapp ist. Herkömmlich installierte PV-Anlagen liefern am Mittag den meisten Strom. Diese Mittagsspitzen kann man entweder in eine Batterie, oder in das Netz einspeisen. In Ländern mit viel Photovoltaik ist mittags daher sehr viel günstiger Strom im Netz.
Der dritte Vorteil ist, dass vertikale Module kaum Fläche für Schneeablagerungen bieten. Somit können sie das ganze Jahr über Strom liefern. Eine Schneedecke ist sogar förderlich für die Module, da das Licht von der Schneedecke reflektiert wird und somit auch auf die Rückseite der Module trifft. In Tromsø ist das umso wichtiger, da dort von Ende November bis Mitte Jänner Polarnacht herrscht. Umso wichtiger ist es, so viel Licht wie möglich zu nutzen, wenn die Sonne dann auch wieder aufgeht.
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Vertikale Solarmodule im Schnee.
© Over Easy Solar
Energieausbeute
Die Anlage von Over Easy Solar kann pro Jahr rund 280.000 kWh Energie erzeugen. Das ist genug, um knapp 100 österreichische Haushalte (Stromverbrauch bei rund 3.000 kWh) zu versorgen. Der durchschnittliche Stromverbrauch in Norwegen ist allerdings deutlich höher als in Österreich.
Der bisherige Rekord von am Dach montierten vertikalen Photovoltaikmodulen stammt ebenfalls von Over Easy Solar. Diese wurden auf dem Fußballstadion von Tromsø montiert. Die Anlage ist etwa ein Drittel kleiner.
PV auf dem Fußballstadion.
© Over Easy Solar