Wiener Projekt zeigt, dass Agrar-Photovoltaik gut funktioniert
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Die Gegend rund um die Schafflerhofstraße am Rande des 22. Wiener Gemeindebezirks sieht sehr ländlich aus. Blühende Felder mit einzelnen Mohnblumen darin. Bäume und Hecken säumen die Straßen rund um Einfamilien- und Reihenhaussiedlungen östlich der Seestadt Aspern. Der Energieversorger Wien Energie testet hier, wie gut sich Agrar-Photovoltaik, kurz Agri-PV genannt, in der Praxis schlägt.
Lebensmittel- und Ökostromproduktion
Auf einem Acker stehen in 6 Reihen 400 vertikal montierte Solarmodule. Dazwischen ist jeweils 10 Meter Abstand - genug Platz, damit Traktoren und andere landwirtschaftliche Maschinen das Feld bewirtschaften können. Die Anlage wurde 2019 errichtet, seitdem wird der Betrieb von Wien Energie gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) erforscht. Am Dienstag zogen die Projektpartner eine Zwischenbilanz über bisherige Erkenntnisse.
"Es ist die perfekte Synergie zwischen Lebensmittel- und Ökostromproduktion", sagt Photovoltaikexpertin Julia Wenin von Wien Energie. "Durch die Ost-West-Ausrichtung der Solarmodulflächen werden die größten Strommengen am Morgen und am Abend erzeugt. Das trägt zu einem geglätteten Erzeugungsprofil bei."
Strom genau zu Spitzenzeiten
Der Großteil von PV-Anlagen auf freien Flächen weist geneigte und genau nach Süden ausgerichtete Module auf, um die Stromausbeute zu maximieren. Bifaziale, also bei Lichteinfall von vorne und hinten Strom erzeugende, vertikale Module seien eine ideale Ergänzung. Sie erzeugen genau dann viel Strom, wenn südlich ausgerichtete Module wenig Strom erzeugen - und das zu genau den Zeiten mit üblicherweise hohem Stromverbrauch in Privathaushalten.
➤ Mehr lesen: Was vertikale Solarmodule auf Äckern bringen
5 verschiedene Pflanzen
Wie sich die Solarstromproduktion auf Nutzpflanzen zwischen den Modulreihen auswirkte, das untersuchten u.a. Ernst Höckner von Wien Energie und Helmut Wagentristl von der BOKU. "Zuerst haben wir Luzerne angebaut und heute haben wir eine Fruchtfolge mit 5 verschiedenen Pflanzen", sagt Höckner. Neben Luzernen - das Kleegewächs reichert Böden mit Stickstoff an - werden Weizen, Dinkel, Gerste und Sojabohnen angebaut.
Jedes Jahr wird auf den Ackerstreifen zwischen den PV-Modulen eine andere Fruchtsorte gesetzt. Durch die Modulreihen verliere man rund 10 Prozent der Anbaufläche, erklärt Wagentristl. Der tatsächlich überbaute Bereich sei nur sehr schmal, aber der Streifen darunter, der alleine schon dem notwendigen Abstand zwischen Maschinen und Modulen bei der Bearbeitung geschuldet ist, ist etwa einen Meter breit.
Biologisch passt besser
Auf dem Brachstreifen müsse man laut Höckner und Wagentristl regelmäßig Unkraut entfernen, aber man habe auch mit Blumenpflanzungen experimentiert. Der Einfluss der teilweisen Beschattung auf die Nutzpflanzen habe sich als marginal erwiesen. Der Anbau erfolgt komplett biologisch. Auf künstliche Dünger werde komplett verzichtet - vor allem, um die Solarmodule nicht zu beschädigen, aber auch "weil das zu nachhaltiger Energieversorgung besser passt", so Wagentristl.
180.000 Kilowattstunden pro Jahr
Weil es kontraproduktiv für die Stromerzeugung wäre, hat sich Wien Energie zum Anbau von Feldfrüchten entschieden, die nur in etwa so hoch wie die Unterkante der Module wachsen. Laut Wenin erreichen alle vertikalen Module zusammen eine Spitzenleistung von 158 Kilowatt. Im Jahr erzeugen sie rund 180.000 Kilowattstunden. Damit könnte man rund 100 (kleine) Haushalte versorgen.
Eine stärkere Verbreitung von Agrar-Photovoltaik könnte sehr dabei helfen, dass Österreich seine Klimaziele erreicht und landwirtschaftliche Flächen doppelt genutzt werden. Wien Energie wolle in der Stadt vor allem Dachflächen für die Solarstromproduktion nutzen, aber sie alleine werden für die Versorgung mit erneuerbarem Strom in Zukunft nicht reichen. Vertikale PV-Module auf Äckern wären freilich nicht auf allen Anbauflächen eine gute Option, aber es gebe genügend vorhandenes Potenzial.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen Wien Energie und der futurezone.
Kommentare