Tesla Roadster im Test: Auch nach 10 Jahren ein echter Renner
Vor 12 Jahren war die automobile Welt noch eine völlig andere. Tesla war ein kleines Start-up, als es 2008 den Roadster, sein erstes Produkt auf den Markt brachte. Elon Musk und seine Weggefährten mussten die Welt erst davon überzeugen, dass ein Elektroauto tatsächlich ein cooles Gefährt war, mit dem man 300 Kilometer am Stück fahren und an der Ampel jeden konventionellen Sportwagen abhängen konnte.
Der Roadster war ein Fuß in der Tür zu all jenen Menschen, die E-Autos aufgrund ihrer Umweltverträglichkeit interessant fanden, aber noch zu große Ängste vor ihrer Alltagstauglichkeit hatten. Er war ein Gradmesser und ein Wegbereiter für die Elektromobilität als Ganzes. Wir haben ausprobiert, wie sich der alte Roadster heute fährt. Der neue ist ja quasi schon im Anrollen - für Tesla-Verhältnisse, denn Verspätungen gehören beim heute an den Börsen wertvollsten Autohersteller der Welt zum Programm.
Britisches Erbe
Durch den Elektroautohändler G-Electric sind wir zu einer Testfahrt gekommen. Das Roadster-Exemplar für unsere Spritztour wurde kurz zuvor an die Wiener Fahrschule Avia verkauft. In seiner roten Lackierung sieht der Tesla Roadster wie ein zeitloser Klassiker aus. Das Design ist an den Lotus Elise angelehnt. 2500 "Glider" hatte Tesla bei Lotus bestellt, also quasi den kompletten Roadster ohne Antriebsstrang. Zum Elise gibt es doch einige grundlegende Unterschiede. Am Ende teilen sich die Fahrzeuge nur rund sechs Prozent gemeinsame Komponenten.
Mit nur rund 40.000 Kilometer auf dem Tacho zählt unser Testfahrzeug wohl zu den am besten erhaltenen der 2500 produzierten Roadster-Exemplare. Es wurde 2010 produziert, besitzt einen Motor mit 215 kW (288 PS), einen 53 kWh-Akku und kommt auf 1,237 Tonnen Masse. Mit seinen Beschleunigungswerten zwischen 3,7 und 4 Sekunden von 0 auf 100 konnte der Roadster seine Passagiere schon lange vor Teslas "Ludicrous Mode" in Verzückung versetzen.
Aerodynamik
Gregor Scheurecker, Geschäftsführer von G-Electric, ist vor allem begeistert darüber, wie sparsam der Roadster selbst nach zehn Jahren Betrieb ist. Rund 20 kWh auf 100 Kilometer verbrauche das E-Auto im Schnitt. Als Mitgrund dafür vermutet man auf den ersten Blick die flache Bauweise des Roadster. Mit 1,127 Meter Höhe bietet er dem Wind wenig Angriffsfläche. Sieht man sich die Zahlen an, wird deutlich, welche Fortschritte die Aerodynamik von E-Autos in den vergangenen Jahrzehnt gemacht hat: Der Roadster kommt auf einen Strömungswiderstandskoeffizienten (Cw-Wert) von 0,36, das Tesla Model 3 auf 0,24. Das Model 3 wiegt nur 400 bis 600 Kilogramm mehr.
Go-Kart-Feeling
Wodurch der Roadster freilich zusätzlichen Luftwiderstand erzeugt, ist seine Cabrio-Bauweise. Bei Regen kann man entweder ein Stoffdach oder ein Hardtop anbringen. Das dachlose Dasein während unserer Testfahrt verstärkte den Eindruck, dass man sich in einer Art Go-Kart befindet. Im Roadster sitzt man tief, der Wind pfeift und die Geschwindigkeit fühlt sich schneller an, als die Tachonadel anzeigt. Das Lenkrad ist winzig und Servolenkung gibt es keine. Während der Fahrt fällt das kaum ins Gewicht, sehr wohl aber beim Einparken oder Reversieren.
Kraft hat der Roadster jedenfalls genügend. Beschleunigen und Überholen sind ein Genuss. Durch den geringen Querschnitt spürt man so gut wie keine Druckwellen oder Sogwirkung durch andere Fahrzeuge. Die Geräuschkulisse ist ohne Dach klarerweise lauter.
Zwei Displays
Im Innenraum präsentiert sich der Roadster noch deutlich anders als seine Nachfahren. Statt eines großen Mittelkonsolendisplays, auf dem man sämtliche Fahrzeugeinstellungen vornehmen kann, gibt es ein 7 Zoll großes Autoradio-Display mittig oben am Armaturenbrett. Darin sieht man auch das Videobild der Rückfahrkamera.
Weiter unten, oberhalb der Automatik-Wahlknöpfe, sitzt es ein kleines, quadratisches Monochrom-Touchscreen. Darauf kann man zwar einige, wenige Fahrzeugeinstellungen vornehmen (z.B. Fahrmodi von ökonomisch bis sportlich), auf Spielereien wie variable Fahrwerkshöhen etc., die man aus Model S bis Y kennt, muss man aber verzichten. Auf dem kleinen unteren Display wird man beim Starten auch dazu aufgefordert, sich als echter Tesla-Schlüsselbesitzer auszuweisen. Dazu drückt man einen Knopf am Zündschlüssel.
Akku und Golftasche
Aufgeladen wird der Original-Roadster über einen herstellerspezifischen Anschluss, der sich hinter einem Tankdeckel auf der linken Seite des Autos befindet. Während unseres Ausflugs haben wir es zwar nicht getestet, aber angeblich kann der Akku mit maximaler Ladeleistung in vier Stunden aufgeladen werden. Von Teslas Supercharger-Netzwerk gab es damals noch keine Spur.
Ladekabel und Adapter für die heute gängigen Anschlüsse (Typ 2, CCS, Chademo) kann man im Kofferraum des Roadster verstauen. Weil in dem Raum hinter den Sitzen der gesamte Akku verbaut wurde, bleibt nur ein breiter, relativ schmaler Platz für Gepäck übrig. Laut Elon Musk ist dieser so dimensioniert, dass man immerhin eine Golftasche samt Schlägern darin unterbringen kann. Zwei kleine Taschen für einen Wochenendtrip würde man wohl auch rein bekommen. Witzig bei geöffnetem Kofferraum ist, dass man ein leises Plätschern hört - vom Batterie-Kühlsystem.
Würdiger Ausstieg
Geöffnet wird der Kofferraum mit einem Knopf am Armaturenbrett. Will man halbwegs würdevoll aus dem Roadster aussteigen, braucht man ein bisschen Übung. Die breiten Seitenschweller und die tiefe Ausgangslage machen den Vorgang nicht einfach. Erschwerend kommt die Sorge hinzu, bei Belastung diverser Carbon-Teile die Karosserie zu beschädigen - so ein Original-Roadster ist schließlich nicht ganz billig. Vor Kurzem wurde das letzte produzierte Exemplar (2012) um 1,3 Millionen Euro verkauft.
Fazit
Der originale Tesla Roadster ist auch ein Jahrzehnt nach seiner Produktion ein herausragendes Elektroauto. Es sieht fantastisch aus, ist agil, hat einen rasanten Antritt und kann doch sehr sparsam unterwegs sein. Vor zehn Jahren war es wahrscheinlich noch sehr viel faszinierender als heute, dass ein Elektroauto so viel Fahrspaß vermitteln und mögliche Reichweitenängste vertreiben kann.
Obwohl das Interieur des Roadster noch wesentlich mehr als seine Nachfolger den Eindruck vermittelt, in einem "normalen" Auto zu sitzen, sind doch schon Ansätze jenes spielerischen Zugangs zum Autofahren erkennbar, der Teslas weitere Modelle auszeichnete. Was als kleines, quadratisches Monochrom-Touchscreen begann, wuchs sich später bekanntermaßen zu PC-Monitor-großen Farbbildschirmen aus.
Der Tesla Roadster war von Anfang an darauf ausgelegt, Menschen zu beeindrucken und für die Elektromobilität zu begeistern. Die Strategie ist aufgegangen. Der Roadster ebnete den Weg für das Model S. Gemeinsam mit dem Model X reüssierte Tesla dadurch im Luxussegment. Mit dem Model 3 und Model Y wird nun die Mittelklasse in Angriff genommen.
Trotz alledem ist noch Kapazität für Extremprojekte, wie den Cybertruck oder den neuen Roadster, übrig. Letzterer wurde 2017 im Zuge der Präsentation des E-Lastwagens Semi enthüllt. Er soll seinen Urahn in allen Belangen in den Schatten stellen - bis die ersten Exemplare aus der Produktion rollen, wird es aber wohl mindestens bis 2021 dauern.