Wie US-Atomkraftwerke ihr Russland-Problem lösen wollen
Atomkraftwerke benötigen “Treibstoff” im Sinne von angereichertem Uran. Welche Art genau hängt nicht zuletzt vom Typ bzw. dem Alter des Kraftwerks ab.
Während heutige Reaktoren Uran mit einem 3- bis 5-prozentigen Anteil des Isotops U-235 nutzen (LEU; Low-Enriched Uranium), ist für die meisten fortgeschrittenen Reaktoren eigentlich ein Wert von 5 bis 20 Prozent notwendig. Dadurch können die Reaktoren kleiner gebaut werden und mehr Leistung pro Treibstoffvolumen liefern. Bislang war das einzige Unternehmen, das derartiges HALEU (High-Assay Low-Enriched Uranium) anreicherte, Tenex in Russland.
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Kommerzielle Produktion in den USA
Das ändert sich nun. In den USA hat die Firma Centrus Energy in Bethesda im Bundesstaat Maryland damit begonnen, HALEU kommerziell in den USA zu produzieren. Davon berichtet IEEE Spectrum. Es ist das erste Mal seit 70 Jahren, dass das in den USA vorkommt.
Bis Ende des Jahres soll das Unternehmen rund 20 Kilogramm herstellen können. Im kommenden Jahr 2024 sollen es dann schon 900 Kilogramm sein, wie es heißt.
Es ist ein radikaler Kurswechsel. Bis zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hatte kein US-Unternehmen Interesse daran, den Brennstoff herzustellen.
Es wurde angezweifelt, dass es genügend Abnehmer gibt. Außerdem ist die Herstellung mit gewissen Risiken verbunden. Mittlerweile hat sich die Situation geändert, nachdem man in Energiefragen unabhängig von Russland werden will.
Vorteile von HALEU
HALEU bleibt unter der Grenze von 20 Prozent U-235, die für hochangereichertes Uran (HEU) gilt, das für Nuklearwaffen verwendet werden könnte. Das heißt, es gelten die Sicherheitsstandards und -regulierungen für niedrig angereichertes Uran.
Konzepte für kleine modulare Reaktoren (Small Modular Reactors - SMRs) und Forschungsreaktoren sind für den Einsatz von HALEU ausgelegt. Sie profitieren auch von der höheren Dichte, der längeren Lebensdauer sowie vom Umstand, dass damit weniger radioaktiver Abfall anfällt. In den USA wurde zuletzt ein Projekt rund um einen SMR jedoch abgewürgt. In Europa sind weiterhin SMRs geplant. So soll im Atompark Temelín der erste SMR Europas entstehen.
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HALEU-Produktion in Europa
Laut Informationen der Internationalen Atomenergieagentur IAEA aus dem September wird in Europa aber aktuell kein HALEU hergestellt. Jedoch würden die großen Brennstoffproduzenten bereits jetzt bis zu 6-prozentiges Uran anreichern. Laut einem Bericht der Euratom-Versorgungsagentur könnten diese Produzenten dieselbe Technologie verwenden, um HALEU ohne größere technische Herausforderungen zu produzieren.
Ein entsprechendes Werk steht in Frankreich. Dennoch würde es aufgrund von Vorschriften und Regulierungen rund 5 Jahre dauern, bis der Brennstoff in Europa hergestellt werden könnte.