China baut "künstliche Sonne" mit revolutionärem Superstahl
Um Kernfusion zu ermöglichen, braucht es starke Magnetfelder, die das heiße 100 Millionen Grad Plasma in der Schwebe halten. Würde das Plasma, in dem die Kernfusion abläuft, nämlich die Reaktorwände berühren, würde es diese zerstören.
Ein Tokamak, die gängigste Art von Fusionsreaktoren, nutzt dafür Elektromagnetismus. Eine Schlüsselkomponente eines Tokamaks ist daher der sogenannte Zentralsolenoid. Das ist ein riesiger Elektromagnet, der im Zentrum der Doughnut-förmigen Brennkammer steht. Beim Forschungsreaktor ITER, der momentan in Südfrankreich entsteht und erstmals mehr Energie liefern soll, als für die Entstehung des Plasmas benötigt wird, erreicht dieser Magnet eine Stärke von 13 Tesla. Das ist stark genug, um (theoretisch) einen Flugzeugträger anzuheben.
Der Zentralsolenoid ist in Grün dargestellt.
© EUROfusion
Dieser Zentralsolenoid muss von einem Material gehalten werden, das stark genug ist, um diese Magnetfelder auch auszuhalten. Bei ITER ist das der Spezial-Edelstahl JK2LB. Dieser muss nicht nur sehr hohe Magnetfelder aushalten, sondern auch sehr niedrige Temperaturen. Der supraleitende Magnet muss nämlich bis auf knapp über dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden - auf rund -269 Grad Celsius - um zu funktionieren. Normaler Stahl wäre bei diesen Temperaturen so spröde wie Glas.
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© Chinese Academy of Sciences
Auch China hat einen Superstahl entwickelt, der künftig in Fusionsreaktoren eingesetzt werden soll. Im August 2023 gelang unter Führung des Forschers Li Laifeng die Produktions eines Stahls, der eine Magnetfeld von 20 Tesla standhalten kann. Das Material namens CHSN01 (China high-strength low-temperature steel No 1) wird nun erstmals in einem chinesischen Reaktor verbaut.
Wie funktioniert eine "künstliche Sonne"?
Um Energie mittels Kernfusion zu generieren, wird in Fusionsreaktoren Plasma mit über hundert Millionen Grad Celsius erzeugt. Weil die Technologie den Vorgängen in unserer Sonne nacheifert, haben Fusionsreaktoren in China den Spitznamen „künstliche Sonne“ bekommen.
Der Brennstoff im Plasma besteht aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium. Wenn diese zu Helium verschmelzen, wird Energie freigesetzt. Im Idealfall ist das mehr Energie, als es für den Anstoß der Fusion benötigt wird.
Chinas "künstliche Sonne" BEST (Burning Plasma Experimental Superconducting Tokamak) wird gerade gebaut und soll 2027 fertiggestellt werden. In dem mehr als 6.000 Tonnen schweren Reaktor sollen 500 Tonnen CHSN01 verbaut werden.
Durch den neuen Stahl kann der BEST-Reaktor auch "verschlankt" werden. Dadurch, dass das Material so stark ist, können etwa 100 Tonnen an tragenden Stahlelementen eingespart werden. CHSN01 übertrifft dabei eine Zugfestigkeit von 1.500 Megapascal. Auf einer Fläche von der Größe eines Fingernagels kann also das Gewicht von 15 Elefanten lasten, bevor es sich verformt. Im Vergleich zum Edelstahl des europäischen Reaktors ITER soll die Festigkeit um 40 Prozent höher sein.
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CHSN01 soll allerdings nicht nur in Fusionsreaktoren zum Einsatz kommen. Auch der Einsatz in anderen Industriefeldern ist angedacht, wie die Foscher bestätigen.